Von der HIlflosigkeit zur Selbständigkeit

Von der HIlflosigkeit zur Selbständigkeit

ID: 1639

Die Versorgung von beatmeten Patienten mit einem Intensivpflegedienst nach der klinischen Behandlung erfordert ein umfassendes interdisziplinäres Entlassungsmanagement. Im klinischen Alltag werden die Bedürfnisse der betroffenen Familien oft übersehen. Auf der Grundlage der Systemischen Familienmedizin bietet eine ressourcenaktivierende Begleitung der Familien durch den Sozialdienst eine gute Begleitung der Familien auf dem Weg nach Hause.

Von der Hilflosigkeit zur Selbstständigkeit – ressourcenaktivierendes Versorgungsmanagement von intensivpflegebedürftigen Menschen

Die Organisation der außerklinischen Versorgung ist häufig Thema in verschiedenen Publikationen, mal aus der Sicht der Kliniken, meistens aus der Sicht von Intensivpflegediensten oder auch von Hilfsmittelfirmen. Auch die DIGAB beschäftigt sich damit oder verschiedene kleinere Netzwerke, die sich regional gebildet haben.
Bei der Lektüre fällt jedoch auf, dass ein Thema entweder nur am Rand, oder gar nicht erwähnt wird. Es ist der Blickwinkel der betroffenen Menschen, als Patient bzw. als Angehöriger bei der sogenannten Überleitung. Auch auf den vielen kleinen und großen Kongressen muss man lange suchen und findet kaum etwas zu diesem Thema.
Als klinische Sozialarbeiterin in einer Klinik für neurologische Frührehabilitation bin ich fast täglich damit beschäftigt, die Familien auf dem Weg aus der Klinik in eine veränderte Wirklichkeit zu begleiten.
Bevor sie sich mit der Flut von Anträgen, technischen Geräten, unförmigen Gegenständen und den vielen Kleinigkeiten befassen können, steht erst mal die bewusste Wahrnehmung der klinischen Situation, die nun von Dauer sein soll. Die Beatmung ist nun der ungebetene Dauergast in der Familie. Und wer hat schon gerne ungebetene Gäste im Wohnzimmer auf dem Sofa sitzen? Das muss alles ein Irrtum sein und es wird sicher wieder besser.
Der betroffene Patient und seine Familie befinden sich in einer ungewohnten Situation wieder, die sehr viel Unsicherheit und Stress für sie bedeutet. Im Vordergrund steht für sie neben dem Klinikalltag der hochgradige Verlust von Autonomie, von gewohnten sozialen Kontakten und vertrautem Lebensrhythmus. Sie sind abhängig von den ärztlichen und therapeutischen Fachleuten, was ihnen in der klinischen Phase zunächst etwas Sicherheit gibt. Doch schon bald machen sich Zukunftsängste und auch Existenzängste breit, für die es keine Bewältigungsstrategien gibt. Eine Idee, wie es nach der Entlassung aus der Klinik sein kann, gibt es nicht. Entlassen wird doch erst, wenn der Mensch wieder gesund ist, denken die meisten Menschen.





In Wirklichkeit steigt die Zahl der Patienten, die intensivpflegebedürftig außerklinisch versorgt werden müssen.
Die Möglichkeiten der Versorgung haben sich sehr deutlich gebessert durch die vielen Intensivpflegedienste inklusive ambulant betreuter Wohngemeinschaften. Davon konnte man vor 15 Jahren noch träumen. Händeringend suchten wir als klinische Sozialarbeiter nach Pflegeheimen, deren Pflegekräfte mit Trachealkanülen, geschweige mit Beatmung umgehen konnten. Heute greifen wir auf ein Netzwerk von spezialisierten Pflegediensten zurück und ein routiniertes interdisziplinäres Versorgungsmanagement könnte beginnen.

Leider sind die Familien nicht immer begeistert von den tollen Möglichkeiten.
So sitzen Ehefrauen vor mir im Sozialdienstbüro, die mich ungläubig anschauen, den Kopf schütteln und Hilfe bei der Pflege zu Hause erst mal ablehnen. Das kann man doch alles lernen, oder? Natürlich kommt mein Mann nach Hause.
Eine Wohngemeinschaft? Das ist doch was für Studenten. Die ist viel zu weit weg. Geht es nicht in dem Pflegeheim nebenan? Wer soll das denn bezahlen? Meine Hausärztin hat gesagt, so was gibt es nicht.
Behutsam sollte daher in mehreren Gesprächen der Beginn der Entlassung vorbereitet werden.
Der erste Schritt zum Vertrauensaufbau zur Familie erfolgt jedoch viel früher mit der Erstellung einer sozialen Anamnese. Diese sollte nach Möglichkeit kurz nach der Aufnahme erfolgen. Im ersten Gespräch geht es nicht um Lösungen oder gutgemeinte Ratschläge. Es ist eine respektvolle Zurückhaltung gefordert mit der Akzeptanz für die Lebenswirklichkeit der betroffenen Familie. Die Konzepte und Methoden der Systemischen Familienmedizin bieten hier viele Möglichkeiten, die Angehörigen zunächst im Gespräch ressourcenaktivierend zu unterstützen. So gewinnt man einen ersten Eindruck über die persönlichen und sozialen Ressourcen, aber auch von den Schwierigkeiten, mit denen die Familie zusätzlich beschäftigt ist.

Die große Kunst im interdisziplinären Team ist es dann, den richtigen Zeitpunkt zu finden, um die medizinischen Fakten zu vermitteln, den Familien für die Verarbeitung Zeit zu geben, und dann noch Zeit für die Organisation zu haben. Häufig werden Hoffnungen in Gesprächen mit Therapeuten oder Ärzten genährt, um die Angehörigen nicht zu schockieren oder um ihnen Zeit zu geben. Klare medizinische Aufklärungsgespräche sind für alle Beteiligten sehr unangenehm. Viele Ärzte sagen möglichst kurz die Fakten.
Zurück bleiben Angehörige mit ganz unterschiedlichen Reaktionen. Sie brauchen Zeit, den Zustand und Bedarf des Patienten zu akzeptieren, bevor sie an die weiteren Schritte denken können.
Im Idealfall ist der klinische Sozialarbeiter in dem Prozess involviert und kann die Angehörigen und Patienten begleiten. Ist der erste Kontakt bei der Aufnahme gelungen, kann man darauf aufbauend die aktuelle familiäre Situation klären. Möglichst neutral wird über Möglichkeiten, Anbieter von außerklinischer Intensivpflege, Antragsweg, Finanzierung und das Hilfsmittelprocedere informiert. Mit der Fülle von Informationen sind viele Betroffene aber erst mal überfordert. Sie schaffen es häufig nicht, den Kontakt mit einem Pflegedienst aufzunehmen. Dies kann eine Folge der emotionalen Erschöpfung sein oder der Wunsch nach vollständiger Heilung blockiert die notwendigen Aktivitäten zur Entlassungsvorbereitung. Wenn ich nicht beim Pflegedienst anrufe, dann bleibt mein Angehöriger in der Klinik bis er gesund ist, so die oft verzweifelten Gedanken von betroffenen Familienmitgliedern.
Hier ist der erste Kontakt über den Sozialdienst in der Klinik mit Familie und Pflegedienst oft hilfreich. Andere möchten lieber selbst telefonieren und wünschen erst einen Hausbesuch vom Pflegedienst. Die eigene Recherche über das Internet ist für viele Angehörige wichtig. Dieses ist unbedingt zu berücksichtigen, um sie Schritt für Schritt wieder zu ihrer persönlichen Handlungskompetenz zurück zu führen.
Nach einer guten Vorbereitung der Familien sollte dann eine routinierte Organisation der Versorgung stattfinden, bei der jede beteiligte Disziplin ihre Aufgaben kennt und erledigt.
Die unterschriftsfertige Erledigung von Formalitäten und Organisation der Hilfsmittel wird von den Familien dankend angenommen.

Die Vorraussetzung für eine gelungene interdisziplinäre Versorgung ist eine wertschätzende Kooperation in der Klinik und mit den externen Diensten. Eine Klinik, die meint, eine Intensiventlassung innerhalb einer Woche organisieren zu können, mutet allen Beteiligten zuviel zu. Ein Pflegedienst, der schwer erreichbar ist, oder der das Tempo der Familie nicht berücksichtigt, gewinnt eher weniger das Vertrauen der Familien. Eine Krankenkasse, die den Familien Pflegedienste vorschreiben will, verunsichert sie unnötig.
Empathische Begleitung, neutrale Beratung, fundierte Information, und ein strukturiertes Entlassungsmanagement geben den Familien Sicherheit und ein Stück Selbstständigkeit wieder zurück. Schließlich geht es um das Leben der anderen mit erschwerten Bedingungen. Sich darum zu kümmern, ist unser Auftrag.


Erstveröffentlichung in:
Beatmet Leben, 4/15, Seite 16-17

Weitere Infos zu diesem Fachartikel:

Themen in diesem Fachartikel:


Unternehmensinformation / Kurzprofil:

Das Intensivpflegeportal bietet viele Informationen rund um das Thema "außerklinische Intensivpflege". Ein Schwerpunkt ist die Darstellung des Ablaufs der Entlassungsplanung von beatmeten Patienten mit Arbeitshilfen für klinische Sozialarbeiter wie z.B. Formularen zur Kostenklärung oder der Überleitungsbogen. Eine bundesweite Suchfunktion für Intensivpflegedienste und Sanitätshäuser und ein Verzeichnis der registrierten Firmen nach Bundesländern sortiert bietet einen schnellen Überblick über die Versorgungsmöglichkeiten. Für Pflegedienste und Sanitätshäuser ist die Registrierung eine Möglichkeit für eine gezielte branchenspezifische Werbung.



Leseranfragen:

LEBE - Leben mit Intensivpflege
Ursula Pabsch
WEstenstr. 119
85072 Eichstätt

Tel.: 08421&5405
Fax: 08421/905437
Mail: kontakt(at)leben-mit-intensivpflege.de



Kontakt / Agentur:

LEBE - Leben mit Intensivpflege
Ursula Pabsch
WEstenstr. 119
85072 Eichstätt

Tel.: 08421&5405
Fax: 08421/905437
Mail: kontakt(at)leben-mit-intensivpflege.de



drucken  als PDF  an Freund senden  Insulin und cellreset Studie: Biofeedback hilft gegen das Reizdarmsyndrom
Bereitgestellt von Benutzer: pabsch
Datum: 16.07.2015 - 11:32 Uhr
Sprache: Deutsch
News-ID 1639
Anzahl Zeichen:

Kontakt-Informationen:
Ansprechpartner: Ursula Pabsch
Stadt:

Eichstätt


Telefon: 08421/5405

Kategorie:

Gesundheitswesen - Medizin


Art der Fachartikel: Erfolgsprojekt
Versandart: Veröffentlichung
Anmerkungen:
Erstveröffentlichung in:
Beatmet Leben, 4/15, Seite 16-17

Weitere Veröffentlichungen nur mit Hinweis auf diesen Quellennachweis

Dieser Fachartikel wurde bisher 632 mal aufgerufen.


Der Fachartikel mit dem Titel:
"Von der HIlflosigkeit zur Selbständigkeit"
steht unter der journalistisch-redaktionellen Verantwortung von

LEBE Leben mit Intensivpflege (Nachricht senden)

Beachten Sie bitte die weiteren Informationen zum Haftungsauschluß (gemäß TMG - TeleMedianGesetz) und dem Datenschutz (gemäß der DSGVO).


Alle Meldungen von LEBE Leben mit Intensivpflege



 

Werbung



Facebook

Sponsoren

foodir.org The food directory für Deutschland
Informationen für Feinsnacker finden Sie hier.

Firmenverzeichniss

Firmen die firmenpresse für ihre Pressearbeit erfolgreich nutzen
1 2 3 4 5 6 7 8 9 A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z