WESTERWELLE-Interview für die ?Superillu?
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WESTERWELLE-Interview für die "Superillu"
Frage: Die Titelgeschichte der vorigen SUPERillu ist ein Interview mit Hans-Dietrich Genscher, in dem er erzählt, wie er am 30. September 1989 den Botschaftsflüchtlingen in Prag die Freiheit brachte. Was bedeutet dieser Tag für Sie?
WESTERWELLE: Ich saß damals innerlich aufgewühlt vor dem Fernseher. Obwohl ich nicht nahe am Wasser gebaut habe, zählt das zu den Momenten, wo ich geweint habe. An diesem Tag ging es darum, dass die Not der Botschaftsflüchtlinge ein Ende hatte. Aber, wie wir heute wissen, genauso um den Anfang vom Ende der Mauer, um die Wiedervereinigung unseres Landes und um das Zusammenwachsen Europas.
Frage: Welche Rolle spielt Genscher heute für die FDP?
WESTERWELLE: Hans-Dietrich Genscher ist der Architekt der deutschen Einheit. Dass er uns als Ehrenvorsitzender im Bundestagswahlkampf hilft, sehen wir mit Dankbarkeit. Ich habe gerade erst mit ihm eine Kundgebung in Leipzig bestritten. Für mich war es eine große Ehre, für die Leipziger eine große Freude. Ich bewundere, wie aktiv, präsent, mitreißend und zukunftsgewandt er mit seinen 82 Jahren ist.
Frage: Sehen Sie sich als seinen politischen Enkel?
WESTERWELLE: Hans-Dietrich Genscher zählt genauso wie Otto Graf Lambsdorff oder Walter Scheel zu meinen politischen Vorbildern. Aber es wäre doch sehr unpassend, wenn jemand, der sich mit Mitte 40 um ein Regierungsamt bewirbt, sich schon vergleichen wollte mit einem Mann, der in Jahrzehnten der Regierungstätigkeit dem Freiheitswillen des deutschen Volkes zum Durchbruch verholfen hat.
Frage: Die FDP war bei den jüngsten Landtagswahlen stark wie nie, während die CDU schwächelt, etwa in Thüringen. Droht die Union das schwarz-gelbe Projekt bei der Bundestagswahl am 27. September zu verbocken?
WESTERWELLE: Ich sage schon seit Monaten: Die Bundestagswahl ist noch nicht gelaufen. Wir werden jeden Tag im Land um Zustimmung werben, damit eine starke FDP ausgleichen kann, was die Union durch ihre wenig überzeugende Regierungspolitik der letzten Jahre eingebüßt hat.
Frage: Was werfen Sie der Regierung Merkel vor?
WESTERWELLE: Die Politik der Bundesregierung in den letzten zwölf Monaten bestand darin, den großen Konzernen die Subventionsschecks persönlich ins Haus zu tragen, aber die kleinen und mittleren Unternehmen vollständig zu vergessen. Diese Art der Krisenbewältigung ist gescheitert. Die Regierung beklagt zu Recht, dass bei Arcandor trotz Insolvenz der Chef mit 15 Millionen Euro Abfindung nach Hause gehen darf. Aber sie vergisst dabei, dass sie selbst immer nur auf die Großen gesetzt hat.
Frage: Es gab offenbar auch erfolgreiche Maßnahmen gegen die Krise, etwa die Umweltprämie?
WESTERWELLE: Natürlich, wer die Abwrackprämie kriegen konnte, der hat sie mitgenommen. Aber mit ihrem Auslaufen werden die Automärkte um so dramatischer einbrechen. Zudem: Außer der FDP hat sich niemand um die Folgen für die Reparaturwerkstätten oder die Gebrauchtwagenhändler gekümmert. Jeder einzelne dieser Betriebe verfügt zwar nur über ein paar Arbeitsplätze, aber in der Summe sind die Folgen dieser verfehlten Subentionspolitik verheerend.
Frage: Sie lassen kaum ein gutes Haar an Merkels Regierung. Warum wollen Sie überhaupt mit ihr koalieren?
WESTERWELLE: Wenn es eine Chance für eine Neuausrichtung der Wirtschafts- und Steuerpolitik zugunsten des Mittelstands und der Mittelschicht gibt, damit sich Arbeit wieder lohnt, dann in einem Bündnis aus Union und FDP.
Frage: Die SPD wirft Ihrer Partei vor, sie denke nur an die Reichen?
WESTERWELLE: Die OECD hat festgestellt, dass bei einem durchschnittlichen Arbeitnehmer bis zu 52,5 Prozent durch Steuern und Sozialbeiträge an den Staat gehen. Das ist Fiskalpolitik, die an das Raubrittertum des Mittelalters erinnert. Ich höre immer wieder, die Steuerpolitik der FDP sei für die Reichen. Unsinn! Wer reich ist, sucht sich das Land aus, in dem er sein Einkommen versteuert. Wenn ich höre, unsere Gesundheitspolitik denke nur an die Reichen, kann ich wiederum nur sagen: Reiche kaufen sich irgendwo auf der Welt in den besten Kliniken die beste medizinische Versorgung. Richtig ist: Es geht uns um die kleinen und mittleren Einkommen, um die ganz normale Mittelschicht, die in Deutschland leben will, die auch nicht einfach weggehen kann. Dass deren Leben immer teurer wird, hat Schwarz-Rot zu verantworten. Es gibt aber auch am unteren Ende der Einkommensskala wachsende Ungerechtigkeit. So halte ich es für unerträglich, dass jemand, der nach Jahrzehnten harter Arbeit mit Mitte 50 in Hartz IV landet, fast seine gesamten Ersparnisse fürs Alter aufzehren muss, also für seine Vorsorge bestraft wird. Wir fordern daher eine Verdreifachung des Schonvermögens.
Frage: Sie haben als Koalitions-Bedingung genannt, dass die Steuern einfacher, niedriger und gerechter werden. Frau Merkel will den Steuerzahlern lediglich eine "mit Blick auf die Haushaltslage moderate Entlastung bei der kalten Progression" gewähren, so die Kanzlerin im SUPERillu-Interview. Das passt kaum zu Ihrem radikalen Drei-Stufen-Konzept mit Steuersätzen von 10, 25 und 35 Prozent?
WESTERWELLE: Was wir durchsetzen können in Koalitionsverhandlungen mit der Union, hängt davon ab, wieviel Muskeln wir vom Wähler mitbekommen. Wir werden jedenfalls unmittelbar nach der Wahl ans Werk gehen und zunächst die Familien entlasten. Nach unserem Steuermodell wird eine vierköpfige Familie erst ab 40 000 Euro Jahreseinkommen überhaupt Steuern bezahlen. Und wir haben auch genau vorgerechnet, wie das bezahlt werden kann ? über den Abbau von Steuerverschwendung und über Wachstum, das entsteht, wenn Arbeitnehmer und Mittelstand entlastet werden. Ein faires Steuersystem ist keine Gefahr, sondern Voraussetzung für gesunde Staatsfinanzen.
Frage: Sie werfen der Großen Koalition vor, viel Murks produziert zu haben. Was werden Sie ändern, wenn Sie mitregieren ? z.B. Gesundheitsfonds, die branchenbezogenen Mindestlöhne?
WESTERWELLE: Da die Union die Gesundheitspolitik von Ulla Schmidt offenbar fortsetzen möchte, ist die FDP die einzige Wahlalternative für alle, die das bürokratische Monster Gesundheitsfonds stoppen wollen. Zum Thema Mindestlöhne: Was nutzt dem Arbeitnehmer ein höherer Bruttolohn auf dem Papier, wenn dieselbe Regierung ihm netto immer weniger übrig lässt?!
Frage: Was hat Ostdeutschland davon, wenn eine starke FDP in die Regierung kommt?
WESTERWELLE: Einen gesunden, wachsenden Mittelstand ? und damit auch mehr Ausbildungs- und Arbeitsplätze.
Frage: Würden Sie dieses Mal wieder so konsequent sein wie 2005 und in die Opposition gehen, wenn?s für Schwarz-Gelb nicht reicht?
WESTERWELLE: Wir wollen die Große Koalition beenden und ein Linksbündnis verhindern. Deshalb setzen wir auf Schwarz-Gelb. Eine Zusammenarbeit mit SPD und Grünen auf Grundlage ihrer Programme halte ich für ausgeschlossen.
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Datum: 10.09.2009 - 07:34 Uhr
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