taz-Kommentar von Nicola Glassüber das Verfassungsreferendum in Thailand
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Auch wenn sich die Kritiker des umstrittenen Entwurfs geschlagen
geben müssen - mit Demokratie hatte die Abstimmung über Thailands
neue Verfassung nichts zu tun. Die Bedingungen waren weder frei noch
fair, da die Militärs keine ausgewogenen Debatten zuließen. Wer den
von einem Junta-treuen Komitee geschriebenen Entwurf kritisiert oder
"Vote No"-Kampagnen initiiert hatte, wurde schikaniert, verhaftet
oder angeklagt. Die Propagandamaschine der Machthaber lief dagegen
auf Hochtouren.
Diejenigen der 50 Millionen Stimmberechtigten, die bei einer
Wahlbeteiligung von nur 55 Prozent mit Ja stimmten, taten dies
offenbar in der Hoffnung, dass die von der Junta für 2017
versprochenen Wahlen tatsächlich abgehalten werden. Fatal ist nur,
dass damit zugleich der Putsch vom Mai 2014 gegen die damalige
Regierung von Yingluck Shinawatra institutionalisiert wird - mit
schwerwiegenden Folgen. Denn die umstrittene Verfassung zielt darauf
ab, die Herrschaft der Junta und ihrer Verbündeten zu zementieren und
den Handlungsspielraum künftiger Regierungen auf nahezu null zu
beschränken.
Erneut zeigt sich, dass ein Putsch keine Demokratie erzeugen kann.
Thailand ist tief gespalten, da die Vertreter des alten Feudalsystems
- royalistische Militärs, Technokraten und Aristokraten - wiederholt
dafür sorgten, dass demokratisch gewählte Regierungen entmachtet
wurden. Schon der Putsch 2006, bei dem der damalige Premierminister
und Bruder von Yingluck, Thaksin Shinawatra, gestürzt worden war,
hatte die gesellschaftliche Spaltung vertieft. Heute stehen sich die
gegnerischen politischen Lager unerbittlicher denn je gegenüber.
Die neue Verfassung, die einer vergleichsweise kleinen,
demokratisch nicht legitimierten Elite langfristig die Kontrolle
garantiert, wird die Unversöhnlichkeit auf die Spitze treiben. Sie
ist der Nährboden für eine neue Runde des politischen Konflikts.
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Datum: 08.08.2016 - 16:56 Uhr
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