Das Ich braucht ein Wir / 9. Petersberger Forum zum Thema Wir
ID: 216527
Deutsche Wirtschaft AG wurde am 23. Juni 2010 intensiv das Thema
'Wir' diskutiert. Hochkarätige Referenten beleuchteten den
evolutionsgeschichtlichen Hintergrund von 'Wir' und 'Ich', zeigten
die Wichtigkeit des Subjekts in der heutigen Gesellschaft und die
Verantwortung von 'Wir' und 'Ich' in der Politik. Im Poetry Slam
setzten sich junge Dichter mit dem Thema 'Wir' auseinander.
Der Primatologe Volker Sommer begrüßte das Publikum mit den Worten
"Liebe Mitprimaten, ich stehe vor Ihnen als Menschenaffe. Ich nehme
Sie mit auf eine Reise zu unseren nächsten Verwandten, den
Schimpansen." Während dieser Reise zeigte Sommer auf, dass
Schimpansen nicht nur beschränkt im Hier und Jetzt leben, sondern
denken, leiden und fühlen wie wir Menschen und sich was für die
Zukunft wünschen. Sie bildeten soziale Identitäten, haben ein
ausgeprägtes Wir-Gefühl und entwickelten kollektive
Identifikationssymbole, die sie an die nächsten Generationen
weitergeben. Aufgrund der gemeinsamen Evolutionsgeschichte von
Menschenaffen und Menschen warnte der Primatologe: "Wir müssen uns
darüber Gedanken machen, welche Chancen wir verlieren, wenn die
Schimpansen aussterben. Die Ähnlichkeiten sind enorm, nicht nur in
der 'Hardware' wie dem Körperbau, sondern auch in der 'Software' wie
den Gefühlen, dem Verhalten und beim Lernen."
Der Theologe und Publizist Friedrich Schorlemmer hielt ein
Plädoyer für das Ich im Wir: "Das Ich braucht ein Wir, doch das
verantwortliche Subjekt muss bestehen bleiben. Wenn Ideologen das
Geschick eines Landes in die Hand nehmen, wird der Einzelne unter das
Diktat der Gesellschaft gestellt. Im Kommunismus hatte das Wir etwas
Bedrohliches." Die Bedingung für ein Wir sei die Freiheit jedes
Einzelnen. Er sei glücklich, im Geltungsbereich des Grundgesetzes zu
leben. Trotz Wir bleibe das Ich verantwortlich für das eigene Tun.
"Wenn alle was zu verantworten haben, hat keiner mehr Verantwortung",
so Schorlemmer. Diese Verantwortung forderte er auch von der Politik,
ansonsten würde den Menschen verschleiert werden, welche Interessen
hinter den Prozessen stehen. Als Beispiel für eine gelungene
Abgrenzung von wir und ich zitierte der Publizist die Worte "Wir sind
ein Volk. Ich bin Volker", die ein ehemaliger Offizier der Nationalen
Volksarmee im November 1989 an der Bornholmer Straße in Berlin gesagt
hat.
Gregor Gysi, der Vorsitzende der Bundestagsfraktion Die Linke,
betonte in seiner Rede die Verantwortung des handelnden Wir: "Wir
bezeichnet immer etwas Kollektives, ein Ensemble." Aus politischer
Sicht sei das Wir der Gesellschaft jedoch fragil, da Konflikte,
Kriege, andere Gruppen oder Staaten das Wir bedrohen. Verantwortung
hätten die, die die legitime Macht ausüben. "Auch eine
kapitalistische Klassengesellschaft ist auf einen Basis-Konsens, auf
eine schichtenübergreifende Mehrheit und ein Wir angewiesen", so
Gysi. Zu diesem Konsens gehöre das demokratische Recht und die
Anerkennung der sozialen Marktwirtschaft in Ost und West. Gysi sieht
in der zunehmenden Entsolidarisierung und Ausgrenzung bestimmter
Gruppen im Volk und der bewussten Ausgliederung der Gesetzgebung
durch die Machthabenden eine Gefahr für die Gesellschaft. Für ihn war
der Staatssozialismus nicht fähig, den Bedürfnissen der Menschen
gerecht zu werden. Ein demokratischer Sozialismus sei jedoch möglich:
"Ich träume von einer Gesellschaft, in der wir Individuen und
gesellschaftliche Wesen sind."
Gastgeber und Verlagsvorstand Helmut Graf sieht in der
Gesellschaft einen großen Wunsch nach neuen Gemeinschaftsidealen:
"Trotz Individualsierung der Lebensstile und Globalisierung der
Märkte ist keineswegs die Lust auf Zusammensein vergangen. Vor allem
die jüngeren Generationen sind Kollektivisten und Individualisten
zugleich, die sich via Internet und Mobiltelefonen ihre
Gemeinschaftsorte nach Interessen und Themen aussuchen und
gestalten." Graf zitierte den Soziologen Heiner Keupp, wonach die
Individualisierung offensichtlich nicht in einer anonymen
Ego-Gesellschaft endet, sondern hohe Potenziale für
solidaritätsfördernde Netze und gemeinschaftsfördernde Aktionen
existieren. "Das Sommermärchen der Fußballweltmeisterschaft 2006 und
hoffentlich 2010 steht beispielhaft für die neu erwachte Sehnsucht
vieler Deutschen nach Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit", so
Graf.
Im Poetry Slam stellten sich junge Dichter dem Thema Wir und der
Publikumsjury. In sechs Beiträgen zeigten sie ihre Sicht auf den
Begriff. Sie sprachen über 'globali-wir-te Menschen',
'Anrufbeantworter Deutschland' und 'Ich bin Wir'. Den ersten Platz
gewann Julian Heun aus Berlin, Platz zwei belegte das Team Marieke
Beerwerth und Jan Kai Goldberg aus Münster und Platz drei gewann
Elena Lorscheid aus Marburg.
Die Thesen der Referenten und Slammer sorgten für anregende
Diskussionen bei den 500 geladenen Gästen. Moderiert wurde die
Veranstaltung von Lars Ruppel.
Zum Verlag:
Das operative Geschäft der Verlag für die Deutsche Wirtschaft AG
ist für größte Themen- und Kundennähe in acht Fachverlagen
organisiert: Fachverlag für Marketing und Trendinformationen,
GeVestor Publishing Group, BWRmed!a, Orgenda Verlag für persönliche
Weiterentwicklung, Fachverlag für Kommunikation und Management,
Fachverlag für Computerwissen, Verlag PRO
Schule/KiGa/Soziales/Pflege, Verlag International. Alleinvorstand ist
Dipl.-Kaufmann Helmut Graf, 52.
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Datum: 24.06.2010 - 14:49 Uhr
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