HOMBURGER-Interview für die Stuttgarter Zeitung (18.06.2010)
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HOMBURGER-Interview für die Stuttgarter Zeitung (18.06.2010)
BERLIN. Die Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Birgit HOMBURGER gab der Stuttgarter Zeitung (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten Thomas Maron und Roland Pichler:
Frage: Was hält die Koalition noch zusammen?
Homburger: Wir wollen eine Politik für Wachstum, Beschäftigung und mehr Chancen für künftige Generationen. Das zeigt sich an unserer Schwerpunktsetzung. Wir setzen auf Bildung und Forschung. Deshalb sparen wir in diesem Bereich auch keinen Euro ein. Trotz der Notwendigkeit, die Schulden in den Griff zu bekommen, werden wir 12 Mrd. Euro zusätzlich bis 2012 für Bildung und Forschung ausgeben. Das Problem ist also nicht ein Mangel an Gemeinsamkeiten. Das Problem ist, dass einzelne immer wieder Beschlüsse in Frage stellen, die sie selbst mit beschlossen haben. Nach draußen ist so ein Bild der Uneinigkeit entstanden, das uns zu schaffen macht.
Frage: Jetzt ist wieder von Neustart die Rede. Was macht Sie zuversichtlich, dass er diesmal gelingt?
Homburger: Ich habe nie von Neustart gesprochen, denn wir haben als Koalition bereits vielfach bewiesen, dass wir handlungsfähig sind. Wir haben, anders als die Koalition davor, Konsequenzen aus der Finanzmarktkrise gezogen. Schon vor Ostern, noch bevor über Griechenland und Euro-Krise zu diskutieren war, haben wir Entscheidungen getroffen, wie Finanzmarktinstrumente zu regulieren sind. Wir haben eine Bankenabgabe beschlossen, damit zukünftig nicht wieder die Steuerzahler in Krisensituationen voll einspringen müssen. Wir haben dann zwei Maßnahmenpakete zur Stabilisierung des Euro verabschiedet. Und wir haben den Haushalt 2011 auf den Weg gebracht, bei dem wir auf Ausgabenkürzungen setzen und Mehrbelastungen für die Bürgerinnen und Bürger durch Steuererhöhungen verhindert haben. Gestern haben wir die Verkürzung des Wehrdiensts beschlossen. All das nimmt aber keiner wahr, weil ständig alles zerredet wird.
Frage: Aber die Verkürzung der Wehrpflicht hat Verteidigungsminister Guttenberg gleich wieder in Frage gestellt. Er will die Wehrpflicht jetzt ganz abschaffen. Da kommt doch keiner mehr mit?
Homburger: Wir haben damit kein Problem, weil die FDP sich seit langem für eine Aussetzung der Wehrpflicht einsetzt.
Frage: In der CDU gibt es Stimmen, das Sparpaket wegen sozialer Unausgewogenheit aufzuschnüren. Wieder erwecken die Debatten den Eindruck, dass in der Koalition alles auseinander läuft?
Homburger: Ich bitte Sie, im Moment wird doch jede kleine Wortmeldung hoch gezogen?
Frage: Und was ist mit Herrn Schäuble, der Überlegungen, den Spitzensteuersatz zu erhöhen, abermals legitim nannte?
Homburger: Herr Schäuble hat in einem Interview eindeutig erklärt, dass er von einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes rein gar nichts hält. Dann hat er auf die Selbstverständlichkeit verwiesen, dass es dem Parlament frei steht, andere Vorschläge einzubringen. Ich kann da keine Abkehr von unseren gemeinsamen Beschlüssen erkennen, auch wenn er eine Unklarheit zuließ, die er uns hätte ersparen können. Der Einkommensteuersatz ist auch der Steuersatz für sämtliche Familienunternehmen in Deutschland. Der Spitzensteuersatz greift bereits bei 52.000 Euro Jahreseinkommen. Er ist längst zum allgemeinen Steuersatz für die Mitte der Gesellschaft geworden. Eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes würde also besonders die kleinen und mittleren Unternehmen, den Mittelstand, in Baden-Württemberg treffen. Ausgerechnet die also, die die meisten Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen. Das wäre nun wirklich das Dümmste, was man machen kann. Wir wollen durch eine wachstumsorientierte Politik die Ko njunktur ankurbeln anstatt sie abzuwürgen.
Frage: Der Wirtschaftsrat der CDU regt an, die Mehrwertsteuersätze anzugleichen und Subventionen abzubauen. Warum sind Sie da nicht rangegangen?
Homburger: Die Subventionen stehen auf dem Prüfstand. Bei der Mehrwertsteuer haben wir in den Koalitionsverhandlungen unsere Forderung durchgesetzt, dieses undurchsichtige System mit teilweise absurden Ergebnissen vom Kopf auf die Füße zu stellen. Wir werden eine Kommission zur Neuordnung einsetzen. Wir brauchen ein harmonisches Gesamtkonzept. Nur so werden wir die Steuervereinfachung erreichen.
Frage: Warum dauert das so lange?
Homburger: In den ersten Monaten haben wir das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, den Haushalt 2010, die Eurostabilisierung und das Sparpaket beschlossen. Die Regierungskommission zur Konsolidierung der Kommunalfinanzen arbeitet ebenfalls mit Hochdruck. Man kann nicht alles sofort machen. Die Kommission wird im Herbst eingesetzt und wird in dieser Legislaturperiode noch Ergebnisse vorlegen.
Frage: Für die Mehrwertsteuerabsenkung bei Übernachtungen hatten Sie Zeit?
Homburger: Wir haben zu Beginn des Jahres vor allem die Familien entlastet. Außerdem haben wir die Betriebe bei der Gewerbe- und Erbschaftsteuer entlastet und so wirtschaftliches Wachstum gestärkt. Für das Beherbergungsgewerbe haben wir einen gravierenden Wettbewerbsnachteil im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn beseitigt, die allesamt einen niedrigeren Mehrwertsteuersatz haben. Das ist gerade im Tourismusland Baden-Württemberg von Bedeutung. Dadurch konnten ein Drittel der Betriebe ihre Preise senken. Tausende von Arbeits- und Ausbildungsplätzen wurden neu geschaffen und Investitionen wurden angeschoben, die wiederum das örtliche Handwerk stärken. Genau das wollten wir erreichen.
Frage: Warum ist die Entscheidung über die Laufzeiten für Atomkraftwerke verschoben worden?
Homburger: Es war ein Fehler, dass man zu Beginn der Wahlperiode mit Rücksicht auf die Wahlen in Nordrhein-Westfalen bestimmte Entscheidungen vertagt hat. Ich habe das immer für falsch gehalten. Aber es ist jetzt nicht mehr zu ändern. Wir werden -wie vorgesehen- im Herbst ein neues Energiekonzept im Parlament beschließen.
Frage: Was erwarten Sie von der Gesundheitsklausur. Einige in Ihrer Partei reden von einer Schicksalsfrage und warnen vor Konsequenzen für das Abstimmungsverhalten in der Bundesversammlung?
Homburger: Von einer Schicksalsfrage zu reden ist blanker Unsinn. Die Parteivorsitzenden haben den Auftrag erteilt, bis zum Sommer ein Konzept zu erarbeiten. Deshalb findet diese Klausur statt. Sie kann mit Sicherheit kein Endergebnis bringen, aber eine wichtige Wegmarke ist sie schon. Wir müssen im Gesundheitswesen sparen und eine neue Struktur erarbeiten. Zu beidem erwarte ich Fortschritte.
Frage: Neue Strukturen werden bisher von CSU-Chef Horst Seehofer rundweg abgelehnt. Weshalb sollte sich das noch ändern?
Homburger: Auch Horst Seehofer wird sich an den Koalitionsvertrag erinnern, in dem klar festgelegt wurde, dass wir eine Neuregelung und mehr Gerechtigkeit im Gesundheitswesen wollen. Wir brauchen in dieser Wahlperiode sowohl strukturelle Veränderungen als auch Korrekturen auf der Ausgabenseite. Nur so werden wir das Gesundheitssystem langfristig auf eine sichere Basis stellen.
Frage: Wird die FDP in der Bundesversammlung geschlossen Christian Wulff zum nächsten Bundespräsidenten wählen?
Homburger: Die FDP steht. Wir hatten Christian Wulff in dieser Woche zu Gast in der Fraktion. Es gibt eine gemeinsame Wertebasis. Wulff bringt ökonomischen Sachverstand mit, was in der jetzigen Zeit sicherlich von Vorteil ist. Er ist aufgeschlossen für neue gesellschaftliche Entwicklungen und steht für einen Dialog mit allen gesellschaftlichen Gruppen. Christian Wulff würde einen neuen Präsidententyp verkörpern, der die Sorgen und Nöte von Familien aus eigener Erfahrung kennt. Wulff hat die besten Voraussetzungen ein Präsident aller Deutschen zu werden. An der FDP wird die Wahl von Christian Wulff nicht scheitern.
Frage: Auf der bevorstehenden Vorstandsklausur will die FDP über ein neues Programm reden. Was stellen Sie sich vor?
Homburger: Wir wollen die FDP thematisch breiter aufstellen. Mir ist zum Beispiel ein großes Anliegen, dass wir in der Wirtschaft eine neue Verantwortungsethik durchsetzen. In den vergangenen Jahren gab es eklatante Fehlentwicklungen. In der Wirtschaft selbst sind zunehmend Ungleichgewichte und Gerechtigkeitslücken festzustellen. Auf der einen Seite stehen die Familienbetriebe, für die es selbstverständlich ist, Verantwortung zu übernehmen. Das hängt auch damit zusammen, dass Familienunternehmer das Risiko in der Regel selbst tragen und für den Erfolg oder Misserfolg persönlich haften. Diese Unternehmer überlegen sich sehr genau, welche Risiken sie eingehen. Genau dieses Verantwortungsbewusstsein fehlt vielfach bei Kapitalgesellschaften und in der Finanzbranche. Genau hier benötigen wir neue Regeln. Ich setze mich dafür ein, dass wir uns in der Koalition die Frage der Managervergütung genau anschauen. Einiges wurde bereits umgesetzt, etwa die Maßgabe, dass sich Managergehälte r am langfristigen Erfolg orientieren müssen. Darüber hinaus sollten wir klare Haftungsregeln vorgeben. Auch Manager sollen für Fehlentscheidungen zur Verantwortung gezogen werden. Appelle reichen hier nicht, wir brauchen strengere Regeln.
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Datum: 24.06.2010 - 17:17 Uhr
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