DGAP-News: Deutsches Aktieninstitut e.V.: Finanzplatz
ID: 220311
01.07.2010 10:19
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Dr. Joachim Faber, Chief Executive Officer, Allianz Global Investors AG
'Es bedarf direkter Eingriffsrechte in die Haushalte von Defizitsündern'
Uta-Bettina von Altenbockum, Finanzplatz
Seit der Jahrtausendwende ist Joachim Faber Vorstandsmitglied der Allianz
SE mit Zuständigkeitsbereich Asset Management World Wide. In einem
Interview mit dem Finanzplatz erläutert er die Bedeutung des Themas
Klimaschutz für den Versicherungskonzern, sprichtüber die Aktie als
Anlageform und fordert mehr Sachlichkeit in der Diskussion um die
Schuldenkrise.
Interview
Herr Faber, die Allianz hat sich den Klimaschutz auf die Fahnen
geschrieben. Wieso verschreibt sich die Allianz gerade diesem Ziel?
Als Versicherer sind wir doppelt betroffen: Die Schadensereignisse nehmen
zu und werden gravierender, gleichzeitig wächst mit dem Risikobewusstsein
und mit der wirtschaftlichen Dynamik in den Schwellenländern das Volumen
versicherter Güter. Inzwischen resultieren 40% der Schäden im Allianz
Industrieversicherungsgeschäft aus Naturkatastrophen. Und die Auszahlungen
an Opfer von Naturkatastrophen sind in den vergangenen 30 Jahren um das
15-Fache gestiegen. Als Vermögensmanager sehen wir auch große Chancen. Nach
UN-Schätzungen werden private Investorenüber 80% des Geldes bereitstellen
müssen, das wir für die Dekarbonisierung benötigen. Und das sind allein für
den Umbau des Energiesektors jährlich zwischen 300 und 800 Mrd. EUR in den
nächsten zwanzig Jahren.
Auf der 'Allianz Knowledge'-Website kann man Tipps zum Klimaschutz und
Energiesparen finden. Unter anderem wird dort vorgeschlagen, Bäume zu
pflanzen und nachhaltig zu reisen. Wie nachhaltig reist ein
Allianzvorstand?
Das kommt auf die Zuständigkeiten des Ressorts an. Wer in der ganzen Welt
Kunden und Mitarbeiter hat, muss auch persönlich ansprechbar sein und kommt
um das Reisen nicht ganz herum. Dennoch versuchen wir, effizienter zu
reisen, indem wir Termine regional bündeln und klimaschonende Reisemittel
wählen. So haben wir unsere Flugreisen im vergangenen Jahr um 15%
reduziert, während die Bahnreisen um 20% zunahmen. Auch haben wir in
Videokonferenzräume investiert, die immer mehr zum Einsatz kommen.
Klimaschutz kostet Geld. Wirklich effektiv ist Klimaschutz auch nur bei
einem weltweit koordinierten Vorgehen. Wird bei den Schuldenbergen der
Staaten Klimaschutzüberhaupt noch finanzierbar sein? Wie sehen Sie die
Chancen, dass sich Länder wie die USA oder China in internationale
Klimaschutzverträge einbinden lassen?
Wenn etwas nicht finanzierbar ist, dann der Verzicht auf Klimaschutz. Die
Klimafolgen werden uns ein Vielfaches kosten, verglichen zu den
Aufwendungen für den Klimaschutz. Zudem halte ich es für kurzsichtig und
falsch, Klimaschutz primär als Kostenfaktor zu betrachten. Klimaschutz ist
ein Wirtschafts- und Wachstumsfaktor für den Industriestandort Europa. Die
von WWF und Allianz finanzierte Studie 'Report on Energy and Climate Policy
in Europe (RECIPE)' des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung hat
gezeigt, dass Europa wirtschaftlich als Early Mover profitieren würde, also
unabhängig davon, wann die anderen Regionen nachziehen. Auch habe ich den
Eindruck, dass beispielsweise China diese Chancen zunehmend erkennt, und
die USA nach derÖlkatastrophe im Golf von Mexiko vielleicht auch.
Die asiatischen Länder wie China und Indien gelten als neue
Konjunkturlokomotiven für die Weltwirtschaft. Chemie- und Autoindustrie
z.B. haben es mit Hilfe ihrer Gewinne in diesen Ländern geschafft, wieder
in die Gewinnzone zu kommen. Gilt das auch für ein Versicherungsunternehmen
wie die Allianz? Wo sehen Sie 2010 und 2011 die Wachstumsmärkte Ihres
Unternehmens?
Aufgrund der dynamischen wirtschaftlichen und demographischen Entwicklung
zählen die asiatischen Länder auch für die Versicherungswirtschaft zu den
attraktivsten Märkten. Mit steigendem Einkommen und Vermögen nimmt die
Nachfrage nach Absicherung und finanzieller Beratungüberproportional zu.
Zu nennen sind hier insbesondere China, Indien und Indonesien. Daneben
erwarten wir jedoch auch in Brasilien und der Türkeiüberdurchschnittliche
Wachstumsraten.
Im März 2008 haben Sie in einem Interview in der FAZ gesagt, dass diese
Finanzkrise nicht in einem Quartal vorüber sein würde. Sind Sie heute, mehr
als zwei Jahre später, der Ansicht, dass die Finanzkrise ausgestanden ist?
Wie beurteilen Sie die wirtschaftliche Lage Deutschlands?
Tatsächlich erweist sich die wirtschaftliche Erholung in Deutschland nach
den einschlägigen Indizes im Moment als recht robust. Trotzdem bin ich auch
weiterhin der Auffassung, dass diese Krise noch nichtüberwunden ist. Auf
die Finanzkrise, die aus einerÜberschuldung privater Haushalte in den USA
resultierte, folgte ja eine Krise imöffentlichen Sektor. Die Politik steht
nun vor der Herausforderung, den Spagat zwischen Haushaltskonsolidierung
und staatlicher Wachstumspolitik zu schaffen. Wir müssen jetzt
sicherstellen, dass auch nach Auslaufen der weltweiten Stimuluspakete der
Aufschwung selbsttragend wird.
Deutschland hat zusammen mit den anderen EU-Staaten in einer Nacht- und
Nebelaktion einen Rettungsschirm in Höhe von ca. 450 Mrd. EURüber den
bedrohten europäischen Schuldnerländern aufgespannt. Mit dem Argument, den
Euro retten zu müssen, wurde das Vorgehen der EU-Staaten legitimiert. Ist
aber nicht gerade durch den Bruch des Stabilitätspakts (No-Bail-out) das
Ansehen des Euro bei den internationalen Investoren beschädigt worden?
Der Rettungsschirm widerspricht sicher dem Geist des Maastrichter
Vertrages. Angesichts der Eigendynamik an den Finanzmärkten drohte jedoch
die Schuldenkrise Griechenlands zu einer Krise mit unabsehbaren Folgen für
die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung in Europa zu werden. Von daher
war pragmatisches politisches Handeln notwendig. Das Ansehen des Euro bei
internationalen Investoren wird wieder steigen, wenn es den Ländern mit
hohen Haushaltsdefiziten gelingt, ihre Sparpläne umzusetzen und rasche
Fortschritte bei der Konsolidierung zu erzielen. Der Stabilitäts- und
Wachstumspakt muss zudem erheblich gestärkt werden. Es bedarf direkter
Eingriffsrechte in die Haushalte von Defizitsündern. Das Ziel
ausgeglichener Haushalte sollte im Pakt klar festgeschrieben werden.
Auch die Europäische Zentralbank beteiligt sich an der Rettung der
europäischen Schuldenstaaten und kauft deren Anleihen. Viele Pensionsfonds
und Versicherungen haben stattdessen die entsprechenden Anleihen in ihren
Portfolios reduziert. Muss man als guter Europäer in z.B. griechischen
Anleihen investiert sein?
Pensionsfonds und Versicherungen müssen wie alle institutionellen
Investoren ihre Anlageentscheidungen unter Risiko- und
Ertragsgesichtspunkten treffen. Von daher ist weder derjenige ein
schlechter Europäer, der derzeit nicht in griechischen Anleihen investiert
ist, noch derjenige ein guter Europäer, der in sie investiert hat. Als gute
Europäer sollten wir uns um Sachlichkeit in der Diskussion um die
Schuldenkrise bemühen. Das heißt unter anderem, nicht alle Länder in den
gleichen Topf zu werfen und echte Konsolidierungsanstrengungen - die in
einigen hochverschuldeten Ländern zweifelsohne eingesetzt haben - auch als
solche zu würdigen. Ziel aller Anstrengungen muss es sein, gute Gründe zu
schaffen, dass private Investoren auf dem heutigen Niveau europäische
Anleihen wieder als Investmentchance betrachten.
Die EZB wie auch die amerikanische Notenbank haben die Zinssätze auf ein
historisch niedriges Niveau gesenkt und beabsichtigen, sie dort noch eine
Weile zu halten. Ist diesökonomisch richtig? Was bedeutet das für die
Versicherungen, die ihren Kunden Garantiezinssätze zugesagt haben?
Zwar stimuliert eine Niedrigzinspolitik den wirtschaftlichen Aufschwung,
birgt aber auf Dauer die Gefahr, dass mit Hilfe des billigen Geldes neue
Blasen erzeugt werden, die in keiner Weise die Entwicklungen der
Realwirtschaft widerspiegeln. Deswegen müssen die Zentralbanken irgendwann
mit dem Exit beginnen, auch wenn das richtige Timing dafür nicht ganz
einfach ist. Ein anhaltend niedriges Zinsniveau betrifft ohne Zweifel auch
unsere Branche. Allerdings sollte es den Versicherern in Deutschland
gelingen, den Garantiezins von derzeit 2,25% sicher zu erwirtschaften, auch
wenn dieser bei den Altverträgen höher liegt. Selbst eine weiter andauernde
Niedrigzinsphase dürfte ohne größere Probleme durchzuhalten sein.
Ist die Anlageform 'Aktie' für Versicherer nach Solvency II noch
interessant? Welche Verbesserungen wünschen Sie sich?
Seitens der Versicherungswirtschaft wurde massiveÜberzeugungsarbeit
geleistet, um eine angemessene Berücksichtigung von Aktienkursrisiken zu
erzielen. Hierbei ist es gelungen, die Assekuranz als Kapitalgeber der
Wirtschaft zu erhalten. So wurde ein sog. Aktiendämpfer-Mechanismus
eingeführt, der eine antizyklische Wirkung auf die Volatilität der
Bewertung von Aktienportfolien entfalten soll. Es ist darauf zu achten,
dass diese für das Aktieninvestment positive Entwicklung nicht bei
künftigen Konsultationen von CEIOPS oder der Kommission wieder
zurückgedreht wird.
Begleitet wurden die europäischen Rettungsmaßnahmen in Deutschland von
einer Anzahl von Regulierungsmaßnahmen wie z.B. dem Einführen eines
umfassenden Leerverkaufsverbots. Hierfür ist Deutschland weltweit
kritisiert worden. Zu Recht?
Sicherlich wäre eine international abgestimmte Regelung gegenüber dem
deutschen Alleingang vorzugswürdig gewesen. Das scheint aber wegen des
Widerstands einzelner Staaten nach wie vor nicht durchsetzbar. Dabei hat
sich gezeigt, dass ungedeckte Leerverkäufe gerade in Verbindung mit der
Streuung von Marktgerüchten in Krisenzeiten zu erheblichen
Marktverwerfungen führen können. Von den Maßnahmen in Deutschland erhoffen
wir uns Signalwirkung, um in absehbarer Zeit zumindest eine EU-weit
einheitliche Regelung erreichen zu können.
Welches wären Ihrer Meinung nach die richtigen Maßnahmen, die man ergreifen
müsste, um für zukünftige Krisen besser gewappnet zu sein?
Generell gilt es, mehr Transparenz auf dem Kapitalmarkt zu schaffen. Ein
Augenmerk sollte insbesondere auf die sehr großen und undurchsichtigen
Derivatemärkte gelegt werden. Das heißt nicht zwingend, dass es mehr
Regulierung bedarf. Viel wichtiger ist es, die richtigen Ansätze für
verstärkte Transparenz zu setzen. Nur so können die Kapitalmärkte die
Funktionen erfüllen, für die wir sie dringend brauchen. Dabei sind
international harmonisierte Lösungen nötig, um Wettbewerbsverzerrungen zu
verhindern.
Aufgrund der schlechten finanziellen Situation einiger europäischer Länder
haben die amerikanischen Ratingagenturen begonnen, die Bonitätsnoten
einzelner Staaten zu senken. Daraufhin wurde der Ruf nach einer
europäischen Ratingagentur laut. Brauchen wir eine solche? Würde sie in der
jetzigen Situation helfen?
Aus unserer Sicht sollte weniger die Frage einer europäischen oder einer
amerikanischen Ratingagentur im Fokus stehen. Vielmehr müssen Qualität und
Verlässlichkeit von Ratings unabhängig vom Standort gesichert sein. Wir
müssen sicherstellen, dass die Schwachstellen von Ratingprozessen, die die
Finanzmarktkrise aufgedeckt hat, behoben werden. Dazu ist an erster Stelle
eine Verbesserung der Aufsicht erforderlich. Die geplante europäische
Aufsicht allein wird für global agierende Ratingagenturen in globalen
Kapitalmärkten nicht ausreichen. Zusammenarbeit und Transparenz sind
entscheidend. An zweiter Stelle steht die Bekämpfung von
Interessenkonflikten, die sich aus den Ratingprozessen selbst ergeben.
Herr Faber, Sie haben einmal gesagt: 'Die Deutschen sind Weltmeister im
Sparen, auch Weltmeister im Spekulieren, nur nicht darin, richtig zu
investieren.' Wie sollen die Deutschen in der aktuellen Situation denn
richtig investieren?
Das kann man natürlich nicht pauschalisieren. Investitionsentscheidungen
hängen von sehr individuellen Komponenten wie dem Alter oder der
persönlichen Risikoneigung ab. In der Tat ist der Aktienanteil am Vermögen
privater Haushalte in Deutschland in den letzten Jahren gesunken. Dazu hat
der Verlust von Vertrauen in die Kapitalmärkte leider auch beigetragen.
Trotzdem möchte ich gerade junge Menschen ermutigen, einen Teil ihres
Vermögens langfristig in Aktien zu investieren, da hier das Chancen-/
Risiko-Verhältnis nach wie vor sehr gut ist. Traditionell haben deutsche
Investoren auch einen sogenannten 'Home Bias', d.h. sie investieren den
weitaus größten Teil ihres Vermögens in deutsche oder europäische Titel.
Angesichts des deutlichen Wachstumsunterschieds zwischen Europa und den USA
auf der einen und den Schwellenländern auf der anderen Seite muss hier ein
radikales Umdenken erfolgen. Es ist aber wichtig, Risiken zu
diversifizieren und nicht alles auf eine Karte zu setzen.
01.07.2010 10:19 Ad-hoc-Meldungen, Finanznachrichten und Pressemitteilungenübermittelt durch die DGAP. Medienarchiv unterwww.dgap-medientreff.deundwww.dgap.de---------------------------------------------------------------------------Unternehmensinformation / Kurzprofil:
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