LINDNER-Interview für den "Schwarzwälder Boten (26.07.2010)
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LINDNER-Interview für den "Schwarzwälder Boten" (26.07.2010)
Frage: Die schwarz-gelbe Regierung ist in die Sommerpause getaumelt. Wie froh sind
Sie über diese Verschnaufpause?
LINDNER: Alle sind jetzt urlaubsreif. Wir hatten ein wegen besonderer Krisenereignisse dichtes erstes Halbjahr 2010. Ich erinnere an die Gefallenen in Afghanistan, wir mussten den Euro stabilisieren, und zuletzt war noch der Bundespräsident neu zu wählen. Das waren Entscheidungsprozesse, die für jede Regierung Belastung gewesen wären. Gut, dass wir alle nun neue Kräfte tanken können, um wichtige Aufgaben nach der Sommerpause anzugehen ? beispielsweise das Energiekonzept, mehr Aufstiegschancen im Sozialstaat und eine Qualitätsoffensive in der Bildung
Frage: Neue Aufgaben ? bedeutet das wiederum jede Menge Konfliktstoff mit den
Koalitionspartnern CDU und CSU?
LINDNER: Im überwiegenden Teil der Fragen sind wir in der Koalition einer Meinung. Unser Fehler war es, den Punkten unterschiedlicher Auffassung öffentlich zu viel Aufmerksamkeit geschenkt zu haben. Diese Bewertungsunterschiede gehören zur Normalität. Man kann diese stilvoll und mit Respekt austragen. Dann ist das Ergebnis am Ende auch besser. Von einem Schweigegelübde in der Politik halte ich jedenfalls nichts.
Frage: Gemeinhin sind Generalsekretäre nicht so sehr für Stil und Respekt zuständig, sondern eher für Bissigkeit und die eine oder andere Gemeinheit.
LINDNER: Sicher, aber dabei muss man sich nicht aufführen wie ein pubertierender
Schulhofschläger. Da hat Sigmar Gabriel mehr Talent als ich. Ich will eher auf Fakten aufmerksam machen. Beispielsweise hat Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen erst gesagt, die Linkspartei habe den Demokratie-TÜV nicht bestanden. Wenige Tage später lässt sich die neue Ministerpräsidentin dann aber von dieser Partei tolerieren. Frau Kraft nimmt sogar massiv neue Schulden auf, um im Landtag die Linkspartei einzukaufen. Ganz ohne Polemik von mir können die Bürger sich ein Bild machen, ob das ein Modell für Berlin oder Stuttgart sein kann.
Frage: Den Generalsekretär kann man auch als eine Art Chefverkäufer der Politik der
eigenen Partei verstehen. In Ihrer kurzen Amtszeit sind allerdings die Umfragewerte für die Liberalen dramatisch eingebrochen. Welche Note also geben Sie Ihrer Arbeit?
LINDNER: Wirklich sympathisch, Ihre Frage. Ich werde mich aber nicht selber benoten.
Ein Großteil derjenigen, die heute sagen, sie würden nicht FDP wählen, zieht nicht eine andere Partei vor, sondern ist in das Lager der Nichtwähler abgewandert. Die Werte, für die die FDP steht, werden von diesen Menschen nach wie vor geteilt.
Frage: Was also muss geschehen, damit sie ins liberale Lager zurückkehren?
LINDNER: Wir müssen zeigen, dass wir für klare Werte stehen. Wir sind marktwirtschaftlich und leistungsorientiert, aber mit Verantwortung. Wir sind eine Partei, die fair und solidarisch ist, aber eben nicht gleichmacherisch. Wir setzen auf Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein, sind aber nicht staatsgläubig. Die von uns zu den Nichtwählern abgewanderten Menschen sehen diese Werte offensichtlich nicht bei anderen Parteien. Also müssen wir uns um sie bemühen.
Frage: In der öffentlichen Wahrnehmung schien FDP-Politik reduziert auf Steuersenkung. Genau dieses Thema ist dann aber regelrecht in sich zusammengesackt.
LINDNER: Wir wollen nach wie vor die Mittelschicht stärken. Allerdings haben sich die
Prioritäten durch die Eurokrise verändert. Wir müssen schneller runter von den Schulden, ohne dass wir der Forderung anderer Parteien nachgeben dürfen, einfach die Steuern zu erhöhen. Wir brauchen Spardruck auf die Politik, damit sich dauerhaft etwas ändert. Ein Beispiel ist Dirk Niebel. Er fusioniert die drei bislang getrennten Institutionen der
Entwicklungspolitik. Dadurch wird die deutsche Hilfe im Ausland wirksamer. Zugleich werden hunderte Beamtenstellen frei, die sich zuvor mit Selbstverwaltung beschäftigen mussten. Man kann den Staat also gleichzeitig effektiver und günstiger machen. Wenn wir diszipliniert so weiter arbeiten, dann können wir die Menschen mittelfristig an den Sparerfolgen in Form einer Steuerentlastung beteiligen. Wir erreichen so eine neue Balance von Staat und Privat.
Frage: Die Losung "Mehr Freiheit, weniger Staat" kam zuletzt beim Publikum aber weniger an, weil sich viele in der Krise schützende Hände des Staates gewünscht hätten.
LINDNER: Der Staat hat ja auch in den Krisen geholfen. Damit er das kann, dürfen wir
ihn aber nicht fortwährend überfordern. Zugleich hat er Mitverantwortung für die Krisen, weil die von Politikern gemachte Ordnung der Märkte nicht funktioniert hat. Deshalb wollen wir die Regeln der Sozialen Marktwirtschaft erneuern. Freiheit und Verantwortung dürfen nicht getrennt werden. Wer unternehmerisch oder am Finanzmarkt tätig ist, muss auch Haftung übernehmen. Genau an dieser Risikobremse "Haftung" hat es gemangelt. Deshalb konnte so unverantwortlich gezockt werden
Frage: Sie waren jetzt in Baden-Württemberg an der Basis Ihrer Partei. Gut sieht es
hier nicht aus: Im Hohenlohischen verlassen Gemeinderäte reihenweise die FDP-Fraktion, in der Ortenau zerlegt sich der Kreisverband gegenseitig, in Furtwangen bezeichnet ein Träger der Heuss-Medaille die Regierungsarbeit der Liberalen als Enttäuschung, der Landesparteitag straft noch schnell die Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger ab.
LINDNER: Die FDP war noch nie eine Partei für Leute, die schwache Nerven haben. Aber Spaß beiseite: Wir müssen beweisen, dass die in Berlin regierende Koalition besser ist als ihre Alternativen. Die Ergebnisse sind schließlich vorzeigbar. Immerhin haben wir so niedrige Arbeitslosenzahlen wie zuletzt 1992 und das Wirtschaftswachstum zieht an. Das wollen wir stabilisieren, indem wir weitere Bremsen für Investitionen und Beschäftigung lösen. Wer glaubt, dass Rot-Rot-Grün gut für das Wachstum ist? Insofern ist Schwarz-Gelb in Berlin gewissermaßen zum Erfolg verdammt, weil das Gegenmodell dem Land schaden würde.
Frage: Wenn also die Konjunktur anzieht, könnte dann auch Schwarz-Gelb wieder
Konjunktur haben?
LINDNER: Ja, wenn wir etwas daraus machen: Wir haben im Bund 15 Milliarden Euro
weniger Schulden gemacht, als Peer Steinbrück geplant hatte, weil wir gespart haben und die Konjunktur nutzen. Zum Vergleich: In Nordrhein-Westfalen macht die dortige Koalition bei den gleichen volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen 2,4 Milliarden Euro mehr Schulden als geplant, weil Rot-Grün einen unverantwortlichen und unfinanzierbaren
Sozialpopulismus betreibt.
Frage: Ein Verdacht noch: Führt Ihr Besuch im Südwesten zu einer Art Schwarzwald-Connection? Und welche Vorschläge für das künftige Spitzenpersonal der FDP dürfen wir dann erwarten?
LINDNER: Erst mal geht es um die weitere programmatische Entwicklung der FDP. Mein
Freund Michael Theurer hat hier die so genannte Horber Akademie etabliert, die sich das Ziel gesetzt hat, über den Tag hinaus über liberale Politik nachzudenken. So haben wir uns konkret mit der Frage beschäftigt, welche Konsequenzen wir aus der Finanzkrise zu ziehen haben. Ergebnis ist: Wir wollen zurück zu einer Ordnungspolitik der Sozialen Marktwirtschaft, zum Ordo-Liberalismus, wie er ebenfalls im Schwarzwald, in Freiburg, zu anderen Krisenzeiten konzipiert worden ist. Das ist der Markenkern der FDP: mit fairen Regeln Politik zu machen, während andere hektisch an Symptomen herumfummeln. Dieser Impuls geht von Horb mit nach Berlin.
Frage: Nun befinden wir uns mitten im Sommerloch. Also sollen Sie die Möglichkeiten
haben, noch ein Sommerloch-Thema zu platzieren - so wie Ihr Parteifreund Erwin
Lotter, der Jugendlichen den Big-Mac-Konsum untersagen will.
LINDNER: Das Big-Mac-Verbot hat der Kollege nicht als FDP-Politiker gefordert, sondern als Arzt empfohlen. Unabhängig vom Sommerloch beschäftigt mich der Fachkräftemangel, der Deutschland droht. 50.000 Ingenieurstellen können nicht besetzt werden. Das führt laut Experten zu entgangenem Wachstum von 25 Milliarden Euro. Neben mehr Bildung im Inland brauchen wir deshalb eine Diskussion über die Zuwanderung von Hochqualifizierten. Eine Politik der geschlossenen Tür ist ökonomisch genauso gefährlich wie multikulturelle Phantasien. Ich bin für eine gesteuerte Zuwanderung, die sich streng an den Erfordernissen des Arbeitsmarktes orientiert.
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Datum: 26.07.2010 - 10:47 Uhr
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