Deutschland steckt in der Komplexitätsfalle –Warum ein Big Bang besser ist als kleinteilige Reformen
Frankfurt am Main/New York - Bernd Ziesemer war nicht immer so vernünftig. In den siebziger Jahren begeisterte er sich für Mao und den Kommunismus. Dies kann man jedoch getrost als Jugendsünde betrachten, denn mit dem Buch „Partei kaputt. Das Scheitern der KPD und die Krise der Linken“ rechnete der 1953 geborene Publizist bereits 1980 mit seinen vormaligen Gesinnungsgenossen und deren Ideologie ab. Seit fünf Jahren arbeitet Ziesemer als Chefredakteur der Wirtschaftszeitung Handelsblatt http://www.handelsblatt.de und äußert sich in Leitartikeln und Essays zu wirtschaftspolitischen Grundsatzfragen. Wer sozusagen Ziesemer „am Stück“ lesen will, sollte zu seinem neuen Werk „Eine kurze Geschichte der ökonomischen Unvernunft“ greifen. Die Themen, die er hier ausführlicher behandelt, gehen auf seine Meinungsbeiträge im Handelsblatt, im Wall Street Journal Europe und anderen Zeitungen zurück.
Der freiheitsliebende Verfasser sieht das Land auf einem jahrzehntelangen Weg zu einer Alimentationswirtschaft. Hartz IV hat dies noch verschärft. In Berlin lebte Anfang 2006 schon jeder sechste Bürger vollständig oder teilweise davon. Das Dilemma dabei ist, so Ziesemer, dass es in der Geschichte der Bundesrepublik kaum ein Beispiel dafür gibt, dass eine total gescheitere „Reform“ irgendwann mal zurückgenommen wurde. Vielleicht haben die Politiker auch gar kein Interesse daran, denn wenn alles schön kompliziert ist, blickt niemand mehr durch. Die Wirtschaftspolitik steckt tief in der Komplexitätsfall, und weit und breit ist kein Münchhausen in Sicht mit dem berühmten Schopf, an dem man sich aus dem Sumpf ziehen kann.
Ziesemer beschreibt, dass sich Mitarbeiter des Bundesfinanzministeriums im Frühjahr 2006 in einem 140-seitigen Schriftsatz allen Ernstes ausschließlich mit der Lage beschäftigen, wie viel Mehrwertsteuer beim Verkauf von Pferden, Eseln, Maultieren und Mauleseln fällig werden solle. Das so genannte Expertenpapier ist ein Auswuchs des kompletten Irrsinns: „So gilt für Hengste, Wallache, Stuten und Fohlen grundsätzlich der ermäßigte Mehrwertsteuersatz, für Przewalski-Pferde und Zebras dagegen der volle Satz. Maultiere und Maulesel kommen ebenfalls in den Genuss niedrigerer Steuern, der Esel dagegen nicht – es sei denn, er wird geschlachtet und dann weiter verkauft: In diesem Falle greif auch hier der ermäßigte Mehrwertsteuersatz.“
Wie kommen wir heraus aus unserem Schlamassel? Da die Wirtschaft 2006 wider alle Erwartungen um 2,7 Prozent gewachsen und das Staatsdefizit auf nur noch 1,7 Prozent gesunken ist, treibt die ökonomische Unvernunft schon wieder Blüten. Die IG Metall fordert pauschal 6,5 Prozent mehr Lohn, und einige Politiker sehen beim Sparen das Ende der Fahnenstange erreicht. Dabei ist 2006 die Neuverschuldung Deutschlands um 38 Milliarden Euro gestiegen. Laut Ziesemer könnte nur ein institutioneller Big Bang helfen, vergleichbar mit der Transformation in den postkommunistischen Ländern Osteuropas. Damit zu rechnen ist nicht, da sich die Wähler vor allzu harten Einschnitten fürchten. Und die Politiker wagen sich nicht heran an Reformen, deren segensreiche Wirkung vielleicht erst in zehn oder zwanzig Jahren bestaunt werden darf. Dies alles ändert aber nichts daran, dass dieses schmale Wirtschaftsbuch unbedingt zu empfehlen ist, da es auf Fachchinesisch verzichtet. Kenner wie Laie wird es mit Genuss lesen.
Bernd Ziesemer: Eine kurze Geschichte der ökonomischen Unvernunft. Die deutsche Wirtschaftspolitik und das Gesetz der unbeabsichtigten Folgen. Campus Verlag http://www.campus.de: Frankfurt/New York 2007. 205 Seiten. 24,90 Euro, EAN 9783593382357.
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Datum: 07.03.2007 - 15:27 Uhr
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