Contentgipfel der Medientage: Dialog statt Monolog - Wie sich Journalismus verändert
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Journalist großartig gestalten kann", beschrieb Dominik Wichmann,
Chefredakteur des SZ-Magazins, bei der Diskussion auf dem erstmals
veranstalteten Contentgipfel der MEDIENTAGE MÜNCHEN den
Paradigmenwechsel im Journalismus. Wie sich Journalismus und
Mediennutzung in der digitalen Welt verändert haben, war die zentrale
Frage, die Gipfel-Moderator Jochen Wegner mit Print-, Online- und
Fernsehjournalisten diskutierte. Einig war sich die Podiumsrunde in
der Frage, dass journalistische Qualität keine Frage der medialen
Plattform, sondern eine Frage der Ressourcen ist. In der digitalen
Welt komme es darauf an, die Chancen zum Experimentieren und
Gestalten zu nutzen, statt nach wie vor das berufliche Rollenbild
durch den Distributionsweg (Print, Radio, TV oder Online) bestimmen
zu lassen. Zeit, Ort und Substrat verlören ihre Bedeutung, und das
Netz ersetze im Grunde genommen Print, Radio und TV, lauteten zwei
von 23 provokanten Thesen, mit denen Wegner die Diskussion
eingeleitet hatte. Es entstünden völlig neue Medien wie das iPad mit
völlig neuen Metaphern und neuen Formen der Monetarisierung von
Inhalten. Deshalb müssten Journalisten zu Unternehmern werden,
lautete seine Folgerung. Wegners Einschätzung wurde auf dem Podium
nicht von allen geteilt. Exzellente Angebote würden immer einen
Finanzierungsweg finden, war sich Wichmann sicher, denn "entscheidend
ist die Substanz eines Satzes, und nicht, wo er steht" - und in
welcher Situation er konsumiert werde, ergänzte die Publizistin Dr.
Mercedes Bunz, die von Erfahrungen aus Großbritannien berichtete.
Demnach ersetzen die digitalen Medien nicht die klassischen, sondern
sie können deren Nutzung sogar stärken. Social Media hätte in England
die Nutzungssituationen komplett verändert, sagte Bunz. So werde in
der Facebook-Community über Zeitungsartikel diskutiert, und junge
Menschen würden sich gemeinschaftlich vor dem Fernseher versammeln,
um sich dann via Twitter oder Social Communities über populäre
Sendungen auszutauschen. Bunz wies aber auch darauf hin, dass
beispielsweise das Zeitunglesen eben nicht nur ein rationaler
Prozess, sondern auch ein soziales Ritual sei. Printjournalismus sei
auch deshalb kein aussterbender Beruf, so argumentierte Wolfgang
Krach, weil die Zeitung im Gegensatz zur Informationsflut im Netz ein
abgeschlossenes Produkt biete, das den Lesern Orientierung vermittle.
Der stellvertretende Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung warnte
jedoch, sich allein an eine Plattform zu binden, sei nicht die
Zukunft des Journalismus. In diesem Punkt herrschte bei den
Panel-Teilnehmern Einigkeit. Der Nachwuchs müsse integriert denken
und versuchen, guten Journalismus für unterschiedliche Medien
beziehungsweise Plattformen zu betreiben, empfahl Bunz. Denn auch in
Sachen Finanzierung komme es für Journalisten darauf an, sich die
Frage zu stellen: "Bieten wir den Leuten wirklich einen Journalismus,
für den wir Geld verlangen können?" Außer Experimentierfreude und
Flexibilität sollten Journalisten vor allem Dialogbereitschaft
mitbringen. Denn der Paradigmenwechsel in der digitalen Welt, so
wurde beim Contentgipfel deutlich, besteht im Feedback, das die
Konsumenten den Journalisten geben können. Sich mit diesem Feedback
auseinanderzusetzen, sei "unendlich hilfreich und bereichernd",
berichtete Dr. Kai Gniffke, erster Chefredakteur von ARD-aktuell, von
seinen Erfahrungen mit dem Tagesschau-Blog. Durch die Reaktionen der
Blog-Leser wären in der Redaktion starke Diskussionsprozesse
ausgelöst worden. Auch der Mythos Tagesschau werde nicht dadurch
beschädigt, Entscheidungsprozesse in der Redaktion transparent zu
machen. Der Dialog mit den Mediennutzern kann aber auch so weit
gehen, dass Journalisten im Sinne des "Crowdsourcing" in ihrer
Recherche von Internet-Nutzern unterstützt werden. So nannte Bunz das
Beispiel des iReport von CNN. Dabei würden Beiträge der Mediennutzer
sogar für die TV-Nachrichten berücksichtigt, wenn sie denn gut genug
seien. Eine weitere Innovation, die durch Experimentierfreude
ermöglicht wird, ist die Verbesserung des Datenjournalismus mit Hilfe
interaktiver Netzanwendungen. So berichtete Katharina Borchert,
ehemalige Online-Chefin der WAZ-Gruppe und jetzt Geschäftsführerin
von Spiegel Online, dass bei spiegel.de der Mut zum Ausprobieren
immer gefördert werde. So würden interaktive Infografiken oder eigene
Apps mit relativ wenig Aufwand erstellt, wobei die Inhalte aus dem
Redaktionssystem automatisiert in die App-Gestaltung fließen könnten.
Der Medienkonsument als mobiler Reporter? Der Journalist, der sich an
den Reaktionen seiner Nutzer messen lassen muss? Und der
Mediennutzer, der auf Tablet-PCs seine Inhalte abruft? Ist das die
Zukunft des Journalismus? Zumindest sehen so mögliche Facetten aus.
Doch eines, so lautete Wichmanns Resümee, dürfe nicht vergessen
werden: "Das Kapital unserer Branche sind die Köpfe, nicht die
Distributionswege."
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Anja Kistler
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Datum: 15.10.2010 - 16:48 Uhr
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