Der Union fehlen die Ordnungspolitiker
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Warum der Streit über den Begriff „neoliberal“ ins Leere führt
Als die ökonomischen Denker zu ihrem Treffen in der französischen Hauptstadt zusammenkamen, stand die Welt vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Zahlreiche Diktatoren, skrupellose Egoisten, betraten die Bühne, verletzten die Würde des Individuums und huldigten dem Prinzip der staatlichen Willkür. Hayek, Eucken, Röpke und Co. hatten all dies vor Augen und sahen, dass auch der so genannte Laisser-faire-Liberalismus des 18. und 19. Jahrhunderts versagt hatte, „in dem er die Bildung wirtschaftlicher Macht durch Monopole und Kartelle zugelassen hatte, die dann ihrerseits Macht auf die Politik ausgeübt und diese korrumpiert hatte“ (Gerald Braunberger).
Die Neoliberalen setzten sich also sowohl vom alten und schrankenlosen Liberalismus als auch von der Politik ab, die 1938 praktiziert wurde. Gegenseitige Konfrontation und Abschottung trat an die Stelle eines freien Welthandels. Die neoliberalen Gelehrten waren davon überzeugt, dass ein Nachtwächterstaat für die Lösung der Probleme der Zeit ungeeignet sei. Der Staat müsse einen festen Rahmen vorgeben, innerhalb dessen sich die Individuen (nicht nur wirtschaftlich) entfalten könnten.
Letztlich ging es den Neoliberalen also um Ordnungspolitik nach sittlichen und marktwirtschaftlichen Grundsätzen. Daher sollte die Union auch gar nicht versuchen, den Begriff mit neuem Inhalt zu erfüllen oder zu erklären, warum sie manche neoliberalen Ideen für gut hält. Das Wort soll wie ein „Messerstich“ wirken, daran hat der kluge Kommentator Georg Paul Hefty erinnert. Es klingt in heutigen Ohren einfach nicht gut, weil man gleich an Neonazis, Neofaschisten oder Neoimperialismus denkt. Wenn das Wort an der Merkel-Partei hängen bleibt, könnte sich das bei der nächsten Bundestagswahl katastrophal auswirken. Auch wenn die Kanzlerin sich zurzeit im Lichte internationaler Großereignisse sonnen kann und die Wirtschaft wieder besser läuft: Dies wird nicht immer so sein. Und prinzipiell gibt es in diesem Land momentan eine strukturelle linke Mehrheit.
Der Begriff Ordnungspolitik steht nicht im Zentrum der Kritik breiter Kreise. Er ist daher weniger angreifbar und sollte von der Union offensiv und selbstbewusst vertreten werden. Doch gibt es überhaupt noch neoliberale oder Ordnungspolitiker innerhalb der Union? Die CSU stand noch nie im Verdacht, marktliberal oder sogar –radikal zu sein, auch wenn sie mit Michael Glos den Wirtschaftminister stellt. Gerade er wurde lange Zeit als Fehlbesetzung und „Problembär“ wahrgenommen. Friedrich Merz, der wohl noch am ehesten als Ordnungspolitiker gesehen wurde, spielt innerhalb der Partei keine Rolle mehr und verlegt sich darauf, Geld zu verdienen. Um Roland Koch, der auch in der Wirtschaftspolitik ein klares Profil entwickelt hatte, bleibt in Deckung, solange Angela Merkel im Kanzleramt sitzt. Die Ministerpräsidenten von Sachsen und Baden-Württemberg, Georg Milbradt und Günther Oettinger, spielen bundespolitisch keine große Rolle. Sie haben keine große Hausmacht, sind zu blass und kämpfen seit einiger Zeit mit (tendenziell) selbstverschuldeten Affären. Christian Wulff kommt ähnlich wie Koch nicht recht zum Zuge. Außerdem pocht er, der Niedersachsen im Aufsichtsrat der Volkswagen AG vertritt, auf den Einfluss des Staates beim Wolfsburger Autokonzern. Neoliberale oder Ordnungspolitik sieht anders aus.
Mit dem Leipziger Parteitag wollte die CDU mehr Freiheit wagen. Damals beschlossen die Delegierten das Konzept eines radikal vereinfachten Einkommenssteuerrechts. Federführend war damals der stellvertretende CDU-Vorsitzende Merz. Nach dem Willen der CDU sollten Bürger mit besonders geringem Einkommen künftig keine oder wenig Steuern zahlen. Dafür sollten viele Vorteile wie der Sparerfreibetrag, die Pendlerpauschale und die Steuerfreiheit für Schichtzuschläge ersatzlos gestrichen. Bei der Einkommenssteuer sollte es nur noch drei Steuersätze von 12, 24 und 36 Prozent geben. Auch in der Gesundheitspolitik wollte die von Merkel geführte Partei, die damals noch in der Opposition war, ganz neue Wege gehen. Dass die „Kopfpauschale“ später in „Gesundheitsprämie“ umbenannt wurde, konnte das Kommunikationsdesaster nicht mehr verhindern. Merkel wäre beinahe nicht ins Kanzleramt gekommen, weil die Wähler sie für zu marktradikal hielten.
Die Folge davon ist, dass heute keiner mehr über diese umstrittenen Maßnahmen in der Gesundheitspolitik spricht oder die Steuerreform mit dem „Bierdeckel“-System erzwingen will. Merkel regiert ja auch nicht mehr durch, sondern moderiert nur noch. Warum will ihr der „böse“ Beck dann nur das „böse“ Wort vom Neoliberalismus anheften? Er weiß, dass Merkel mehr wirtschaftspolitische Kompetenz zugebilligt wird als den Sozialdemokraten. Und wirklich sozial erscheint die SPD auch nicht mehr. Von den mit dem Namen Schröder verbundenen Arbeitsmarktreformen darf die Partie aber auch nicht zu deutlich abweichen. Schlechte Zeiten für Kurt Beck, gute Zeiten für einen sinnlosen Krieg um Wörter!
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Datum: 20.06.2007 - 09:44 Uhr
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