DGAP-News: Deutsches Aktieninstitut e.V.: Finanzplatz: Interview Lawrence Rosen
ID: 326215
Deutsches Aktieninstitut e.V.: Finanzplatz: Interview Lawrence Rosen
11.01.2011 / 10:00
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Lawrence A. Rosen, Vorstand Finanzen, Global Business Services, Deutsche
Post AG
'Regelmäßige Rotation der Wirtschaftsprüfer mit erheblichen Nachteilen
verbunden'
Uta-Bettina von Altenbockum, Finanzplatz
Als der US-Amerikaner Lawrence Rosen vor knapp zwei Jahren von FreseniusMedical Care zur Deutschen Post wechselte, zeigten sich einige
Logistikexperten von der Entscheidungüberrascht. Einen
'Gesundheitsmanager' als Finanzvorstand eines der größten Logistikkonzerne
der Welt hatte man nicht erwartet. ImInterview mit dem Finanzplatz
spricht Lawrence Rosen u.a.über seinen Wechsel zur Deutschen Post, die
Herausforderungen im Postgeschäft und die aktuellenVorschläge der
EU-Kommission zur Abschlussprüfung.
Herr Rosen, spielt es für einen Finanzvorstand eine Rolle, aus welcher
Branche man kommt? Wie hat der Wechsel nach Bonn Ihre Arbeit beeinflusst?
Es ist für einen Finanzvorstand in der Tat sehr wichtig, das operative
Geschäft zu kennen, um die Zahlen eines Unternehmens richtig interpretieren
zu können: Was sind die Haupttreiber, um welche Stellgrößen und
Einflussfaktoren geht es? Daher habe ich mich zu Beginn neben dem
Zahlenwerk auch viel damit beschäftigt, das operative Geschäft
kennenzulernen und die Branche zu verstehen. Ich bin nach wie vor keinIndustrie-Veteran, fühle mich heute aber - auch dank der Unterstützung
meiner Vorstandskollegen und vieler Mitarbeiter imKonzern - mit den
wichtigen Dingen und Themen sehr vertraut. Und zugleich kann ich die
Erfahrungen, die ich im Rahmen meiner vorherigen Tätigkeiten in anderen
Industrien gemacht habe, nun beim größten Logistikkonzern der Welt mit
einbringen.
Im März 2009 hat Postchef Frank Appel die Konzernstrategie 2015
vorgestellt. Kernpunkte dieser Strategie sind: Produktivität steigern,
Synergien heben, Service verbessern und Kosten senken. Viele dieser Punkte
wurden 2010 bereits umgesetzt, was werden die wichtigsten Ziele für 2011
sein?
Wir haben in den vergangenen zwei Jahren wirklich viel erreicht, aber wir
sind noch lange nicht am Ende unserer Möglichkeiten. Mit den umfangreichen
Maßnahmen zur Effizienzsteigerung haben wir uns beste Voraussetzungen
geschaffen, das enorme Potenzial, das in unserem Unternehmen schlummert, in
den nächsten Jahren nach und nach voll zu entfalten. Zwar sind wir mit
unseren Produkten und Dienstleistungen schon heute in vielen Bereichen
führend, weil wir uns konsequent auf die Bedürfnisse unserer Kunden
einstellen. Entscheidend wird aber sein, dass wir auch künftig in allen
Geschäftsbereichen Lösungen anbieten können, die unseren Kunden das Leben
erleichtern. Wir sind fest davonüberzeugt, dass dies der beste Weg für
unser Unternehmen ist, profitabel zu wachsen und unsere Marktanteile weiter
auszubauen.
Der wichtigste Geschäftsbereich der Post ist immer noch das Briefgeschäft,
dasjedoch seit Jahren rückläufig ist. Die Post geht jetzt mit dem
E-Postbrief in die Offensive, um der 'kostenlosen' E-Mail-Kommunikation
Paroli zu bieten. Der Preis für den elektronischen Brief der Post ist
allerdings derselbe wie für einen normalen Standardbrief. Wäre es nicht
sinnvoll, die Kunden an den Einsparungen für den Transport zu beteiligen?
Wird letztlich nicht nur dasexistierende Postzustellungsgeschäft auf ein
neues Medium verlagert?
Der E-Postbrief verlangt erhebliche Investitionen in die organisatorische
und technische Infrastruktur, um die Verbindlichkeit der Nachricht, den
vertraulichen Transport und die zuverlässige Zustellung zu gewährleisten.
Das Wertversprechen des E-Postbriefs basiert auf einer klar definierten und
sehr anspruchsvollen Leistung, die der des physischen Brieftransports
entspricht. Diese Leistung hat einen anerkannten und akzeptierten Wert.
Erhebliches Einsparpotenzial wird bei den Prozesskosten ermöglicht. Diese
sind in der Brieflogistik von Unternehmen und Verwaltungen meist deutlich
höher als die eigentlichen Portokosten. Bei manueller oder
halbautomatisierter Postbearbeitung machen die Prozesskosten bis zu 70%
der Gesamtkosten aus. Der E-Postbrief ist somit die ideale Voraussetzung
dafür, Kommunikationsprozesse innerhalb von Unternehmen und Verwaltungen
vollständig digital abzubilden.
Vor fast genau einem Jahr hat die Deutsche Post den ihr gehörenden
Flughafen Wilmington im Staat Ohio an eine lokale Behörde verschenkt. Warum
sind dieExpansionspläne der Post in den USA nicht so erfolgreich
verlaufen, wie man sich das ursprünglich gedacht hat? Hätte man jetzt, da
die Konjunktur wieder angesprungen ist, nicht vielleicht nur noch etwas
warten müssen?
Wir haben uns Ende 2008 lediglich auseinem Teil unseres Geschäfts in den
USA zurückgezogen - dem inländischen Express-Versand. Wir sind nach wie vor
einer der größten Expressanbieter des Landes, konzentrieren uns heute
jedoch auf grenzüberschreitende Sendungen. Unsere Aktivitäten imBereich
der Lagerlogistik und das Angebot bei internationaler Luft- und Seefracht
betreiben wir unverändert erfolgreich. Wir beschäftigen nach wie vor mehr
als 30.000 Mitarbeiter in den USA und haben unsere Umsätze in den ersten
neun Monaten um mehr als 25% gesteigert. Wir profitieren also sogarüberproportional von der anziehenden Konjunktur und sind mit der jüngsten
Entwicklung vor Ort insgesamt sehr zufrieden.
Die Deutsche Post hat sich u.a. demUmweltschutz verschrieben und es alseinziger Logistikkonzern weltweit in deninternationalen 'Carbon
DisclosureLeadership Index' geschafft. Inwieweitbeeinflussen Ihrer
Meinung nach die Nachhaltigkeitsbestrebungen der Post die Entscheidung
institutioneller Investoren, die Postaktie zu kaufen?
Das Konzept nachhaltigen Wirtschaftens ist fest in unserer Strategie 2015
verankert. Es dient als Basis, wie wir mit unseren verschiedenen Programmen
zu den Themen Umwelt, Krisenmanagement und Bildung unserer
gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden. Innerhalb dieser Programme
haben wir uns als erster Logistikanbieter das Ziel gesetzt, unsere
CO2-Effizienz bis zum Jahr 2020 um 30% zu verbessern. Wir haben im Laufe
der Zeit ein verstärktes Interesse von Finanzinvestoren gesehen, die
ebenfalls Umweltkriterien bei ihrer Anlageentscheidung berücksichtigen.
Somit ist die Unterstützung des Carbon Disclosure Projects durch
Investoren auch ein starkes Signal für börsennotierte Unternehmen und
auch deshalb ein wichtiger Bestandteil unserer Strategie.
Die amerikanische Federal Reserve Bank hält an ihrem Kurs fest,
Staatsanleihen in großem Stil zu kaufen. Ziel dieser Käufe ist es, die
Zinsen weiter zu senken, um damit Unternehmensinvestitionen zu erleichtern.
Was halten Sie von diesem Kurs?
Die Art und Weise, wie die Weltwirtschaft eine der schwersten Krisen hinter
sich gelassen hat, spricht eindeutig für das erfolgreiche Krisenmanagement
der Regierungen vieler Länder. Hand in Hand mitöffentlichen Institutionen
und den Unternehmen wurden weltweit viele richtige Maßnahmen in die Wege
geleitet, um das Vertrauen in die Märkte wieder herzustellen und
Wachstumsimpulse zu setzen. Hierzu zählten sowohl fiskal- als auch
geldpolitische Stimuli, die nun nach und nach abgebaut werden. Einige
Länder machen dies etwas früher und schneller. In anderen wie den USA, in
denen die Wirtschaft noch nicht wieder so robust ist, braucht es etwas mehr
Zeit.
DieÜberlegungen Deutschlands und Frankreichs, zukünftig die Gläubiger von
Staatsanleihen an den Kosten der Sanierung der Staaten zu beteiligen, haben
zu Verunsicherungen auf den Kapitalmärkten geführt. Wäre ein solcher
Schritt nicht nur konsequent? Wäre stattdessen die Ausgabe gemeinsamer
europäischer Anleihen eine ernsthafte Alternative?
Die Kapitalmärkte scheinen derzeit hin- und hergerissen zwischen dem Beginn
eines neuen wirtschaftlichen Zyklus und den Unsicherheiten hinsichtlich der
Stabilität derEuropäischen Währungsunion. Der Euro als starke Währung ist
für Europa und seine Staaten ein wichtiges Medium, um im internationalen
Wettbewerb mithalten zu können. Langfristig werden alle Europäer davon
profitieren, und deshalb ist es sehr wichtig, dass die Politik nun die
verschiedenen Optionen sehr sorgfältig abwägt, die richtige Entscheidung
fällt und dann auch mit aller Konsequenz umsetzt. Kurzfristig mögen einige
dieser Entscheidungen von einzelnen Gruppen kritisiert werden, der
langfristige Erfolg muss aber im Fokus derÜberlegungen stehen.
Seit Oktober letzten Jahres liegt das Grünbuch zum Thema Abschlussprüfung
vor. Die EU-Kommission schlägt darin unter anderem vor, dass eine
regelmäßige Rotation der Abschlussprüfer eingeführt wird und eine
staatliche Regulierungsbehörde den Unternehmen ihre jeweiligen
Abschlussprüfer zuweisen soll. Was halten Sie von diesen Vorschlägen?
Wir glauben, dass eine regelmäßige Rotation des Wirtschaftsprüfers mit
erheblichen Nachteilen verbunden wäre. Die Qualität derPrüfung würde
aufgrund von Wissenslücken durch die Wechsel abnehmen und der
Einarbeitungsaufwand auf beiden Seiten würde sich unverhältnismäßig
erhöhen. Das Ergebnis der Prüfung würde sich somit eher verschlechtern als
verbessern. Eine Stärkung des aus unabhängigen Direktoren bzw.
Aufsichtsratsmitgliedern besetzten Prüfungsausschusses wäre aus unserer
Sicht zielführender als gesetzliche Regelungen, die den Prüfungsausschuss
entmündigen. Wir lehnen daher die Vorschläge des Grünbuchs ab, die dem
Prüfungsausschuss Verantwortung - beispielweise die Prüferbestellung -
entziehen wollen statt ihn zu stärken.
Darüber hinaus sollen zukünftig zweiPrüfungen durch unterschiedlich große
Prüfungsgesellschaften vorgenommenwerden, um mehr Wettbewerb unter den
WP-Gesellschaften zu generieren. Wäre dies zielführend und für wen?
Die Komplexität des Geschäftsmodells innerhalb eines international tätigen
Unternehmens nimmt ständig zu. Um dem Kapitalmarkt und dem Management die
richtigenInformationen zeitnah zur Verfügung stellen zu können, steigen
auch die Anforderungen an die Prozesse im Rechnungswesen. Neben dem Anstieg
der Prüfungskosten wäre die Prüfung durch ein Konsortium aus unserer Sicht
erheblich komplexer zu koordinieren und durchzuführen. Eine Verschiebung
der Veröffentlichungszeitpunkte aufgrund dessen würde aber den Wert der
veröffentlichtenInformationen verringern. Wir sehen deshalb für keine
Partei einen Vorteil darin.
Im nächsten Jahr steht die Evaluierung der europäischenÜbernahmerichtlinie
an. In Deutschland hat es bereits Ende 2010Forderungen gegeben, das
sogenannte 'creeping in' zu verhindern. Ein Vorschlag lautet, dass ein
Investor nachÜberschreiten der 30%-Schwelle dann ein neuesÜbernahmeangebot abgeben muss, wenn er mehr als 2% der Anteile innerhalb
von 12 Monaten hinzuerwirbt. Muss dasÜbernahmerecht in dieser Form
verschärft werden? Wäre die Einführung neuer Meldeschwellen nicht auch
ausreichend?
Wir müssen bei einer DebatteüberÄnderungen des deutschenÜbernahmerechts
berücksichtigen, dass die grundsätzlicheOffenheit für in- und
ausländische Investoren, sich an deutschen Unternehmen zu beteiligen,
erhalten bleiben muss. Da wir gleiche Wettbewerbsbedingungen in den
EU-Ländern anstreben - Stichpunkt Level Playing Fields -, sollten wir
zunächst schauen, ob es im Regelungsumfeld in Deutschland Defizite im
Vergleich zu anderen EU-Ländern gibt, die im Kontext der diskutierten
europäischenÜbernahmerichtlinie diskutiert werden müssen. Punktuell
einzelne Regelungen aus den anderen Ländern zuübernehmen, ohne den
Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen, ist meines Erachtens nicht
zielführend.
Herr Rosen, 2010 ist in den Deutschen Corporate Governance Kodex die
Bestimmung aufgenommen worden, dass dieUnternehmen ihre Aufsichtsräte bei
der Fortbildung angemessen unterstützen sollen. Was wird die Deutsche Post
tun, um die Weiterqualifizierung ihrer Aufsichträte zu fördern?
Ich halte diesen Vorstoßfür sehr sinnvoll. Unser Unternehmen kommt dieser
Forderung imÜbrigen bereits länger nach und wird ihr auch künftig
entsprechen. Schon heute bieten wirregelmäßige Werksbesichtigungen und
Klausurtagungen für alle Mitglieder unseres Aufsichtsgremiums an. Für neue
Mitglieder des Aufsichtsrats gibt es darüber hinaus Einführungsgespräche
und Informationspakete mit umfangreichen Unterlagen.
Ende der Corporate News
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