Sicherungsverwahrung verfassungswidrig! Ein gutes Urteil für den Rechtsstaat!

Sicherungsverwahrung verfassungswidrig! Ein gutes Urteil für den Rechtsstaat!

ID: 400294

Sicherungsverwahrung verfassungswidrig! Ein gutes Urteil für den Rechtsstaat!



(pressrelations) -
Zu dem gestrigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts erklärt die Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (ASJ), Anke Pörksen:

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat gestern seine frühere Rechtsprechung korrigiert, sich dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angeschlossen und darüber hinausgehend alle Vorschriften über die Anordnung und Dauer der Sicherungsverwahrung als nicht vereinbar mit dem Freiheitsgrundrecht der Untergebrachten erklärt. Die ASJ begrüßt dieses Urteil. In vielen Stellungnahmen hatten die SPD-Juristen in den vergangenen Jahren die immer neuen Ausweitungen der Sicherungsverwahrung kritisiert und zusammen mit etwa 100 Fachleuten im Mai 2010 in dem Greifswalder Appell die schnelle Freilassungen aller von der EGMR-Entscheidung Betroffenen sowie eine umsichtige Nachsorge gefordert.

Ganz so weit ist das Bundesverfassungsgericht leider nicht gegangen, hat aber in den so genannten Altfällen, in denen die Unterbringung der Sicherungsverwahrten über die frühere Zehnjahresfrist hinaus fortdauert, sowie in den Fällen der nachträglichen Sicherungsverwahrung eine hohe Hürde gesetzt für eine Fortdauer oder eine Neuverhängung des Freiheitsentzuges: Es muss sich aus ganz konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten ableiten lassen und die Person muss an einer psychischen Störung im Sinne von § 1 Absatz 1 Nr. 1 des Therapieunterbringungsgesetzes (ThUG) leiden. Diese Bedingungen werden nur äußerst selten zusammentreffen.

Übrigens weisen die Richter des Zweiten Senates ausdrücklich darauf hin, dass das Therapieunterbringungsgesetz (ThuG) im vorliegenden Zusammenhang keiner verfassungsrechtlichen Überprüfung zu unterziehen gewesen sei. Aus Sicht der ASJ ist nach den grundgesetzlichen Maßstäben durchaus damit zu rechnen, dass Karlsruhe auch das ThuG als verfassungswidrig verwerfen wird.



Auch bei allen anderen in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten muss jetzt rasch eine strikte Prüfung der Verhältnismäßigkeit erfolgen, die ? so die Maßgabe der Verfassungsrichter ? in der Regel nur gewahrt sein dürfte, wenn die Gefahr künftiger schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten des Betroffenen besteht.

Der Bundesgesetzgeber und die Landesjustizverwaltungen stehen vor mehreren großen Herausforderungen.
1. Das Urteil gebietet jetzt eine baldige Überprüfung der Sicherungsverwahrten. Es ist davon auszugehen, dass die meisten Sicherungsverwahrten umgehend entlassen werden müssen. Zu einer Pressehatz darf es nicht kommen und nur in den wenigsten Fällen wird eine Rund-um-die-Uhr Bewachung notwendig sein. Nachhaltige Sicherheit kann durch enge Unterstützung und Begleitung gewährleistet werden! Dabei sind die legitimen Sicherheitsinteressen der Bevölkerung natürlich zu wahren.

2. Jetzt endlich müssen auch die von der ASJ schon lange geforderten Nachsorge- und Übergangseinrichtungen geschaffen werden, in denen Menschen, die viel zu lange hinter Gittern saßen, sich ? wenn sie dies wollen ? in einem geschützten (aber nicht verschlossenen!) Raum auf die Anforderungen der Freiheit vorbereiten können. Wohnung, Arbeit, Unterstützung bei der Freizeitgestaltung und der sozialen Integration, all dies auch für Menschen mit früher schweren Straftaten zu schaffen ist nicht
leicht, kann und muss aber in gemeinsamer Verantwortung der beteiligten Ressorts sichergestellt werden. Kirchliche und soziale Einrichtungen sind ebenso wie auch einzelne verantwortungsvolle Bürgerinnen und Bürger aufgefordert, ihre nachvollziehbaren Ängste und Vorbehalte im Umgang mit den ehemals sicherungsverwahrten Personen zu überwinden und sich bereit zu erklären, Zeit mit diesen Menschen zu verbringen, mit ihnen Gespräche zu führen und sie auf dem Weg in die Freiheit zu begleiten.

3. Notwendig ist schließlich eine vollständige Neuausrichtung nicht nur des Vollzugs der Sicherungsverwahrung, sondern auch und vor allem des Strafvollzugs an der Entlassung in ein Leben ohne Straftaten! Die Karlsruher Richter fordern für die Sicherheitsverwahrten eine Betreuung durch ein multidisziplinäres Team sowie intensive und individuelle Arbeit mit den Untergebrachten anhand unverzüglich zu erstellender, individueller Pläne, die realistische Fortschritte in Richtung Entlassung ermöglicht.
Interessant ist, dass der Zweite Senat hier den Bund in einer Mitverantwortung für die Ausgestaltung des Vollzuges sieht, die im Nachhinein die Absurdität dieses Teils der Föderalismusreform (Verlagerung der Gesetzgebungskompetenz im Strafvollzug auf die Länder) unterstreicht. Die ASJ geht davon aus, dass ein sinnvoller Schutz vor weiteren Straftaten von bereits bekannten Tätern (die niemals vollständig ausgeschlossen werden können) effektiv dadurch erreicht werden kann, dass sinnvolle Behandlung- und Resozialisierungsmaßnahmen bereits frühzeitig in der Haft angeboten und auch tatsächlich realisiert werden. Inhaftierte Personen müssen bereits zu Beginn des Freiheitsentzuges dazu motiviert werden, die Ursachen ihrer Straffälligkeit zu erkennen und aufzuarbeiten. Sie müssen darauf vorbereitet werden, Situationen, in denen sie wieder straffällig zu werden drohen, zu erkennen, zu vermeiden und die unterstützenden Perspektiven für ein Leben in der Legalität aufzubauen. Unerlässlich ist sowohl im Strafvollzug wie auch im Maßregelvollzug vom ersten Tag der Haft an eine konsequente Vorbereitung auf die zukünftige Entlassung. Neben Aus- und Fortbildungsmaßnahmen, vernünftigen Arbeitsangeboten und der Möglichkeit, soziale Kontakte außerhalb der Haftanstalt regelmäßig zu pflegen, sind sozialtherapeutische Angebote nicht nur für Sexualstraftäter, sondern auch für Gewalttäter (aber auch für alle anderen Inhaftierten!) flächendeckend vorzuhalten.

Wenn ein solcher Strafvollzug zeitnah sichergestellt werden könnte, dann könnte der Gesetzgeber sogar auf eine Neuregelung der Sicherungsverwahrung verzichten und die eingesparten Haushaltsmittel in den Resozialisierungsvollzug und in eine umsichtige Nachsorge stecken.


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Datum: 06.05.2011 - 01:45 Uhr
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