Bain-Studie "Vom Automobilbauer zum Mobilitätsdienstleister": Veränderte Mobilitätsbedürfnisse schaffen neue Geschäftsfelder
ID: 477954
- In den Ballungszentren der Industrie- und Schwellenländer
entsteht neuer Bedarf an alternativen und integrierten
Mobilitätsangeboten
- Neue Geschäftsfelder entstehen "downstream" in der
Wertschöpfungskette
- Car Sharing erreicht weltweit Wachstumsraten von 40 Prozent und
die Hersteller steigen bereits in dieses Geschäftsfeld ein
- Automobilbauer müssen die neuen Mobilitätsdienstleistungen in
ihr Kerngeschäft integrieren, vernetzte Ansätze fehlen bislang
jedoch weitgehend
Eine Reihe von Trends wie strengere Umweltauflagen und ein
verändertes Nachfrageverhalten führen dazu, dass in Zukunft immer
mehr Großstädter auf alternative Mobilitätsangebote ausweichen und
kein eigenes Auto besitzen werden. Das ist das Ergebnis der Studie
"Vom Automobilbauer zum Mobilitätsdienstleister" der
Strategieberatung Bain & Company. Die Studie zeigt aber auch, dass
Städter dennoch nicht auf individuelle Mobilität verzichten wollen.
Viele Automobilhersteller haben ihre Chance auf die Erschließung
neuer Geschäftsfelder erkannt und pilotieren derzeit ergänzende
Angebote wie Car Sharing oder kombinierte Dienste bis hin zur
Mobilitätskarte. Allerdings haben die wenigsten Hersteller schon
Geschäftsmodelle etabliert, die die Möglichkeiten der neuen Mobilität
und ihr traditionelles Kerngeschäft mit Neuwagen, Ersatzteilen,
Service und Finanzdienstleistungen vernetzen.
Die Automobilindustrie erfährt derzeit tiefgreifende
Veränderungen: Neue Technologien wie der Elektroantrieb und
Karbonkarosserien werden marktfähig; daneben kommen strengere
Anforderungen an Emissionen und Verbrauch auf die Branche zu und in
Metropolen wird der individuelle Verkehr eingeschränkt oder durch
Auflagen erschwert. Dadurch verändert sich die Kundennachfrage und es
entstehen neue Geschäftsfelder - insbesondere für die urbane
Mobilität.
Neue Mobilität: Chance oder Risiko für die Hersteller?
Neu entstehende Geschäftsfelder wie Car Sharing, Elektromobilität,
mobile Dienstleistungen und intermodale Mobilität können profitabel
betrieben werden und eröffnen erhebliche Wachstumschancen und
langfristig auch großes Ertragspotenzial für die Hersteller.
Gleichzeitig drängen neue Spieler aus angrenzenden Bereichen in diese
Geschäftsfelder wie zum Beispiel Autovermieter oder
Car-Sharing-Spezialisten bis hin zu etablierten Technologiekonzernen
wie Google oder Apple, die etwa über Apps Kunden an sich binden. Die
Automobilbauer laufen dadurch Gefahr, die Schnittstelle zum Endkunden
und damit die strategische Kontrolle zu verlieren. Die
Herausforderung für die Hersteller liegt darin, traditionelle Pfade
zu verlassen und vorhandenes Know-how völlig neu einzusetzen. Sie
sind gefordert, diese neuen Angebote mit ihrem traditionellen
Geschäftsmodell zu vernetzen. "Eine Aufgabe, die in der Branche
größtenteils ungelöst ist", so Automobil-Experte Dr. Klaus Stricker,
Partner bei Bain & Company. "Die Automobilhersteller müssen jetzt
richtungsweisende Entscheidungen treffen, um ihr Geschäftsmodell auch
für die Zukunft optimal und nachhaltig aufzustellen."
Die aktuelle Studie "Vom Automobilbauer zum
Mobilitätsdienstleister" von Bain & Company hat Trends, die zur
Veränderung der urbanen Mobilitätsbedürfnisse führen, neue
Geschäftsmodelle sowie integrative und innovative Strategien für die
Automobilhersteller untersucht. Weiterhin analysiert die Studie neue
Mobilitätsservices und -modelle und zeigt prinzipielle Möglichkeiten
des Engagements für die Automobilhersteller auf.
Mobilitätsdienstleistungen mit hohem Wachstum
"Obwohl der traditionelle Automarkt vor allem durch die hohe
Dynamik in den Schwellenländern wächst, gibt es in den Städten
deutlich erkennbare Trends, die vom eigenen Auto über das 'geteilte'
Auto bis zur vernetzten Mobilität reichen", so Bain-Experte Stricker.
Eine Entwicklung, die sich aufgrund der fortschreitenden
Urbanisierung noch verschärfen wird: Bis 2020 werden rund 55 Prozent
der Weltbevölkerung in urbanen Ballungszentren leben, 1995 waren es
nur 45 Prozent. Doch schon heute fehlt es gerade in den Metropolen an
Verkehrsinfrastruktur und Parkplätzen für das Fahren mit dem eigenen
Auto. Daneben verliert das Auto als Statussymbol insbesondere unter
Jüngeren in den Metropolen an Bedeutung: Bereits für 22 Prozent der
heute 18- bis 25-Jährigen in Deutschland steht beim Auto der
funktionale Nutzen im Vordergrund, die emotionale Bindung nimmt also
ab. Zudem gibt es mehr und mehr lokale Richtlinien, die den Besitz
oder Gebrauch von Autos unattraktiver machen, etwa durch Gebühren für
die Londoner City oder die beschränkte Ausgabe von Autozulassungen in
Shanghai und Peking. Diese Trends zeigen sich bereits in Zahlen: Bei
den Mobilitätsdiensten erreicht Car Sharing Wachstumsraten von bis zu
40 Prozent, wenngleich auf einer noch sehr geringen Basis.
Nach Bain-Analysen haben die traditionellen Automobilhersteller
noch höchstens 18 Monate, um integrierte Geschäftsmodelle zu
entwickeln. Denn um beispielsweise das Potenzial der Elektromobilität
auszuschöpfen, müssen auch Lösungen für Batterieleasing, "grünen
Ladestrom", die so genannte intelligente "Wallbox" und eine
funktionierende Ladeinfrastruktur bereitgestellt werden. Bereits
heute tummeln sich auf diesem Markt Newcomer, wie das "Mobility
House" in Salzburg, die sich den Herstellern als Partner mit
schnellen, pragmatischen Ansätzen anbieten.
"Der Mobilitätsmarkt ist grundsätzlich interessant und wächst
schnell, löst aber das bisherige Geschäftsmodell der
Automobilindustrie nicht ab", sagt Bain-Experte Stricker. "Neue
Strategien rund um individuelle Mobilität sollten deshalb das
Kerngeschäft ergänzen und die bestehenden Strukturen nutzen, wie zum
Beispiel das Händlernetz oder Beziehungen zu Geschäftskunden."
Bisher kaum umfassende Ansätze
Viele Automobilhersteller haben bereits eigene Pilotprojekte zu
Car Sharing und kombinierbaren Mobilitätsdiensten gestartet: Der
französische PSA-Konzern testet mit seiner Marke Citroën ein
umfangreiches Mobilitätsangebot, bei dem die Automarke als
Mobilitäts- und Reiseagentur fungiert. Solche Angebote - auch von
deutschen Herstellern - sind bisher jedoch nur fragmentiert vorhanden
und kaum in die Kerngeschäftsprozesse der Automobilhersteller
integriert. Daimler bietet mit "Car2Go" Car Sharing in Ulm, Hamburg
und Austin (Texas) an. BMW ist mit "DriveNow" in München und Berlin
präsent und VW startet mit "Quicar" in Hannover. Berater Stricker:
"Diese Projekte müssen im nächsten Schritt zu einem integrierten
Ansatz weiterentwickelt werden, der die gesamte Bandbreite der neuen
Mobilitätsangebote umfasst und sie systematisch mit dem existierenden
Kerngeschäft verbindet."
Die Bain-Studie identifiziert vier Normstrategien für die
Automobilhersteller, sich im Feld der neuen Mobilität zu
positionieren:
- Der "integrierte Mobilitätsdienstleister" bietet alles aus einer
Hand und erbringt sämtliche Leistungen selbst. Mit diesem
Konzept kann der Automobilhersteller die neuen und
traditionellen Geschäftsbereiche vernetzen und Synergien optimal
nutzen. Dies erfordert aber auch die höchsten Investitionen und
birgt ein größeres Risiko, da ein Unternehmen komplett
eigenständigen in völlig neue Geschäftsfelder einsteigt.
- Der "Vermittler" bietet ebenfalls alles aus einer Hand, nutzt
aber überwiegend Kooperationspartner. So kann er die Kosten und
die Vielfalt der benötigten Kompetenzen besser managen.
Vermittler müssen jedoch bedeutende Teile der Wertschöpfung aus
der Hand geben und haben es dadurch schwerer, eine nahtlos
positive Kundenerfahrung durch ihre eigenen Services
sicherzustellen.
- Der "Selektierer" arbeitet spezifisch; er bietet nur ausgewählte
Dienstleistungen für die unterschiedlichen Kundensegmente an.
Mit dieser Strategie nutzt er nicht alle neu entstehenden
Geschäftspotenziale, kann jedoch in ausgewählten Bereichen durch
passgenaue Services punkten.
- Der "Minimalist" bietet nur solche Mobilitätsdienstleistungen
an, die im Hinblick auf die sich wandelnden Kundenbedürfnisse
zum Standard in der Automobilbranche gehören werden. So bleiben
die Umsetzungsrisiken überschaubar, allerdings sind auch die
Ertragschancen geringer.
Die Hersteller müssen sich entscheiden, in welchem Segment der
modernen Mobilität sie sich in Zukunft engagieren wollen und wie sie
das in ihre bestehenden Strukturen und Kompetenzen integrieren
können. "Entscheidend für den Erfolg einer integrierten
Mobilitätsstrategie ist die Nähe zum eigentlichen Kerngeschäft des
Herstellers", sagt Klaus Stricker. "Nah an den Kernkompetenzen
liegende Leistungen kann er selbst erbringen, weiter entfernt
liegende sollten gemeinsam mit Partnern angeboten werden."
Pressekontakt:
Leila Kunstmann-Seik
Bain & Company Germany, Inc.
Tel: +49 89 5123 1246, E-Mail: leila.kunstmann@bain.com
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Datum: 12.09.2011 - 14:49 Uhr
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Kategorie:
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