Börsen-Zeitung: Übertriebene Sorgen, Marktkommentar von Dieter Kuckelkorn
ID: 621494
Handelswoche mit einem Plus von 2,5% über fünf Tage gar nicht so
schlecht abgeschnitten hat - die europäische Schuldenkrise hat sich
mit Vehemenz zurückgemeldet. Die Bondmarktauktionen von als
Wackelkandidaten angesehenen EU-Mitgliedern sind wieder zu
Zitterpartien geworden, die Anleger fordern höhere Zinsen für die
Staatsanleihen dieser Länder. Im Gegenzug ist die Rendite
zehnjähriger Bundesanleihen im Wochenverlauf auf ihren bisher
niedrigsten Stand von 1,685% gefallen. Bei den als (weitestgehend)
krisenfest geltenden deutschen Staatspapieren geben sich die
Investoren mit Minimalrenditen zufrieden, um ihre Mittel sicher zu
parken.
Die durch die beiden gigantischen Liquiditätsspritzen der
Europäischen Zentralbank ausgelöste Beruhigung und Erholung der
Märkte ist damit vorüber, Analysten und Anleger machen sich wieder
erhebliche Sorgen. Auf große Resonanz an den Märkten stößt derzeit
eine Studie der US-Großbank Citigroup. In diesem Papier sagen die
Analysten des Instituts voraus, dass sich die Rating-Einstufungen
vieler europäischer Staaten in den kommenden Monaten und Jahren
weiter verschlechtern werden, was im Klartext heißt, dass ein Ende
der Schuldenkrise nicht absehbar ist. Frankreich, so glauben die
Analysten, könnte sein Aaa-Rating von Moody's bereits im Herbst
einbüßen - worauf prompt Spekulationen die Runde machten, eine
Herabstufung stehe möglicherweise schon unmittelbar bevor. Auf
mittlere Sicht, so die Citigroup, werde die Gruppe der Staaten, die
noch über ein Triple-A-Rating verfügen, kleiner. Allerdings hat
Moody's jüngst erklärt, dass man derzeit nicht über ein Downgrade
Frankreichs nachdenke.
An Griechenland erinnert
Schwerer wiegt noch, dass sich hinsichtlich der Lage Spaniens so
mancher Marktteilnehmer an das Beispiel Griechenlands erinnert fühlt.
So wird darauf hingewiesen, dass bei den Hellenen die Probleme erst
so richtig angefangen hatten, als - wie jüngst bei Spanien - die
Rendite der zehnjährigen Staatsanleihen auf ein Niveau von 6%
geklettert waren, was das Land nicht mehr schultern konnte. Zudem
wird Spanien in einer nur schwer zu bewältigenden Zwangslage gesehen:
Muss das Land den Sparkurs verschärfen, verschlimmert sich die
Rezession. Folge ist ein negativeres Sentiment der Investoren dem
Land gegenüber, so dass die Refinanzierung des Staates über den Markt
immer schwieriger wird. Lässt die Regierung hingegen in ihren
Sparbemühungen mit Blick auf die schwierige konjunkturelle Lage nach,
geht ebenfalls das Vertrauen der Anleger verloren.
Hinzu kommt ein Bankensektor, der langsam, aber sicher den Boden
unter den Füßen verliert: Per Februar konnten 8,2% des gesamten von
den Banken ausgereichten Kreditvolumens nicht mehr bedient werden.
Vor einem Jahr war dieser Anteil nur halb so groß. Die Lage ist so
verzweifelt, dass die Südeuropäer einen direkten Zugang ihrer Banken
zu den Geldtöpfen des EU-Rettungsfonds fordern.
Trotz der zweifellos besorgniserregenden Entwicklung ist es aber
keineswegs eine ausgemachte Sache, dass auch Spanien die Kontrolle
über die Situation verliert und mit einem großvolumigen Paket
gerettet werden muss. Dies wird wohl auch nach wie vor von vielen
Marktteilnehmern so beurteilt - was sich an den Dax-Gewinnen der
vergangenen fünf Handelstage ablesen lässt, wie auch an der Tatsache,
dass sich der Euro erneut erstaunlich robust zeigt und bislang nicht
aus seiner Handelsspanne nach unten ausgebrochen ist.
So darf nicht übersehen werden, dass die Staatsverschuldung
Spaniens deutlich niedriger ist als die Griechenlands. Sie liegt
aktuell und auch in den kommenden Jahren vermutlich auf einem Niveau
von ungefähr 70% des Bruttoinlandsprodukts. Zum Vergleich:
Deutschland kommt momentan auf eine Schuldenquote von knapp unter
80%. Und aufwändige Simulationsrechnungen, die die Analysten der
Schweizer Großbank UBS jetzt durchgeführt haben, zeigen, dass das
Land durchaus noch in der Lage ist, sich am eigenen Schopf aus dem
Sumpf zu ziehen. Selbst eine angenommene umfassende Rettung der
Banken im Volumen von 100 Mrd. Euro würde den spanischen Staat noch
nicht in die Knie zwingen, so die Analysten.
Anlegern ist daher zu raten, die Lage zwar genau zu beobachten,
aber dennoch vorerst Ruhe zu bewahren und nicht in Panik zu geraten.
Die derzeit zu spürenden Sorgen erscheinen nämlich zumindest in
Teilbereichen übertrieben.
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Datum: 20.04.2012 - 20:50 Uhr
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