Trierischer Volksfreund: Zum angekündigten Ärztestreik - Leitartikel, Trierischer Volksfreund, 14.09.2012
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Ärzte in den letzten Jahren Stück für Stück vom Halbgott in Weiß zum
schnöden Branchen-Dienstleister auf dem Medizinmarkt degradiert
worden sind, darf man sich nicht wundern, wenn sie wie
Marktteilnehmer reagieren. Ein Teil von ihnen fühlt sich
unterbezahlt, also greift er zum Mittel des Arbeitskampfes. Das tun
andere bei der Lufthansa oder der Bahn oder der Müllabfuhr auch. Und
die Ärzte tun es offensichtlich so, dass es für die Kundschaft zwar
unangenehm, aber nicht gefährlich ist. Es gibt also keinen Grund,
unsachlich zu werden. Natürlich ist der Vergleich provokant.
Schließlich sind die Ärzte doch diejenigen, die ihre Zeit auf dem
Golfplatz verbringen und nicht recht wissen, wohin sie das ganze Geld
aus ihrer Praxis hinscheffeln sollen. So ist jedenfalls das Bild, das
in manchen Köpfen herumspukt. Und das ja auch von Fall zu Fall der
Realität entspricht.
Aber mindestens genau so real ist der junge Arzt, der sich als
selbstständiger Unternehmer für die Praxisgründung bis zur Halskrause
verschuldet, aber nachher nicht von seiner Leistung abhängig ist,
sondern von einem willkürlichen System der Deckelung und Zuteilung.
Mindestens genau so real ist der Allgemeinarzt auf dem Land, der
längst keine Hausbesuche mehr machen dürfte, wenn es nach einer
Kosten-Nutzen-Rechnung ginge. Mindestens genau so real ist der
Kinderarzt, der zwölf Stunden am Tag für seine Patienten buckelt.
Unter den Ärzten gibt es, wie in jeder Berufsgruppe, Raffkes und
Idealisten. Organisierte und Chaoten. Gute und weniger gute
Handwerker. Patientenflüsterer und dünkelhafte Trampel. Und ganz viel
dazwischen. Ein intelligentes Honorarsystem würde die Qualität der
Behandlung in den Mittelpunkt stellen, den Fleiß und das Engagement.
Aber bei uns wird oft nach Apparate-Ausstattung, Fachrichtung und
Lobby-Einfluss honoriert. Und zu allerletzt nach dem, was auf
Neudeutsch "soft skills" heißt: der Umgang mit Menschen. An diesem
Kriterium müsste sich eine Neuordnung der Ärzte-Bezahlung ausrichten.
Aber daran haben beide Seiten kein Interesse. Die Ärzte-Funktionäre
wollen mehr für alle, weil sie sich dann um die Diskussion drücken
können, ob nicht innerhalb der Ärzteschaft selbst Umverteilung
dringend nötig wäre. Und die Kassen starren stier aufs Geld und
übersehen, dass von den 0,9 Prozent, die sie zusätzlich in den
Riesen-Apparat hineinpumpen, möglicherweise kein müder Euro da
ankommt, wo er eigentlich sollte. Das Problem liegt im System. Keine
neue Erkenntnis. Aber eine, die niemand wahrhaben will - auch nicht
die Politik.
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Trierischer Volksfreund
Thomas Zeller
Telefon: 0651-7199-544
t.zeller@volksfreund.de
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Datum: 13.09.2012 - 21:31 Uhr
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