Mehr Relevanz - weniger Hintergrund / Jahrbuch 2012: Qualität der Medien - Schweiz Suisse Svizzera

Mehr Relevanz - weniger Hintergrund / Jahrbuch 2012: Qualität der Medien - Schweiz Suisse Svizzera

ID: 750345
(ots) - Die Informationsmedien von Presse, Radio, Fernsehen
und Onlinebereich verzeichnen unter dem Druck krisenhafter Ereignisse
im Jahr 2011 mehr Hardnews als im Vorjahr. Das ist die erfreuliche
Nachricht des dritten Jahrbuchs Qualität der Medien. Gleichzeitig
führt der Aktualitätsdruck dazu, dass 2011 weniger Hintergründe
vermittelt werden d.h. die Einordnungsleistung weiter sinkt. Aus
einem Langzeitvergleich geht hervor, dass qualitätsniedrige Medien
2011 deutlich häufiger genutzt werden als noch vor zehn Jahren.

Vertiefungsanalysen zeigen zudem:

- dass die Newssites der meisten wichtigen Schweizer Zeitungen
qualitativ weit hinter ihren gedruckten Pendants zurückbleiben,

- dass in der Wahlberichterstattung eine Verschiebung der
Aufmerksamkeit zugunsten der Bundesrats- auf Kosten der
Parlamentswahlen stattgefunden hat,

- dass politische Kampagnen die Kriminalitätsberichterstattung wie
auch die Bedrohungswahrnehmung in der Bevölkerung wesentlich prägen
und dass die Kriminalitätsberichterstattung gegenüber der
Polizeistatistik stark verzerrt ist,

- dass die Medienkritik dank zivilgesellschaftlicher Akteure zwar
zugenommen hat, aufgrund ihrer schwachen Resonanz in den
Informationsmedien jedoch ein Schattendasein fristet.

Zum dritten Mal hat der fög - Forschungsbereich Öffentlichkeit und
Gesellschaft / Universität Zürich die Versorgung der Schweiz durch
Informationsmedien, ihre Qualität, ihre Nutzung und ihre Einnahmen
untersucht. Unter anderem wird gezeigt, dass die Schweizer
Informationsmedien im Krisen- und Umbruchjahr 2011 deutlich mehr
relevante Themen aus Politik und Wirtschaft auf ihre Agenda setzen
als noch im Vorjahr. Die Kehrseite dieser drängenden, von
Weltwirtschaftskrise, Fukushima und dem arabischen Frühling geprägten
Welt, ist eine Reduktion der journalistischen Einordnungsleistung. Im


Vergleich aller Medientypen sinkt gegenüber dem Vorjahr bei den
Abonnementszeitungen der Anteil der einordnenden Berichterstattung am
stärksten. Die Kernkompetenz der Abonnementszeitungen, Kontextwissen
zu vermitteln, stiess 2011 an Ressourcengrenzen.

Neues Qualitätsscoring

Das neu implementierte Qualitätsscoring erlaubt es, die
publizistische Qualität der untersuchten 46 Medientitel der Gattungen
Presse, Radio, TV und Online zu hierarchisieren. Während 2011 die
Informationssendungen des öffentlichen Radios aus der Deutschschweiz
die Qualitätsspitze darstellen, bilden die Gratis- und
Boulevardzeitungen on- und offline sowie die Newssites der
Abonnementspresse aus der Suisse romande und der Privatrundfunk das
untere Ende der Qualitätsbandbreite. Dazwischen streuen die
Sonntagszeitungen, die zwei besten Newssites und die
Abonnementspresse. Einzelne regionale Abonnementstitel kommen nahe
bei den Gratiszeitungen zu liegen.

Steigende Onlinenutzung; sinkende Quoten bei Presse und Rundfunk

In der Presse und im Rundfunk schrumpft die Abdeckungsquote der
Informationsmedien weiterhin, d.h., die Auflage- und Nutzungszahlen
wachsen nicht parallel zur Bevölkerung bzw. sind sogar rückläufig.
Die Nutzung der Online-Newssites nimmt demgegenüber zu. Die
Gratiskultur im Internet und die beschleunigte Newsproduktion sowie
die Ertragsunsicherheiten im Onlinewerbemarkt durch die wachsende
mobile Nutzung wirken aber hemmend auf die Qualitätsentwicklung.
Online bleibt zu wenig Zeit und Personal für eine einordnende
Berichterstattung. Gleichzeitig führt die Orientierung an Klickraten
zu hohen Anteilen an Softnews.

Bedeutungszunahme qualitätsniedriger Medien

Die langfristigen Nutzungsverschiebungen zwischen den
Mediengattungen führen dazu, dass die Schweizer Bevölkerung im Jahr
2011 mit niedrigerer publizistischer Qualität versorgt wird als noch
vor 10 Jahren: Die Bevölkerung wird weniger durch qualitativ bessere
Titel erreicht. Es ergibt sich das Bild einer Qualitätspyramide mit
einer erodierenden Spitze, einem bröckelnden mittleren Segment und
einer wesentlich breiter gewordenen Basis qualitätsniedriger Medien.

Mit Blick auf die 46 inhaltlich untersuchten Medien haben in der
Deutschschweiz und stärker noch in der Suisse romande
qualitätsniedrige Titel in den letzten Jahren an Verbreitung
gewonnen. Die qualitätsniedrigen Titel vom Typ Boulevard- und
Gratiszeitung sowie der ebenfalls qualitätsniedrige private Rundfunk
erreichen in der französischen Schweiz im Jahr 2011 mit 45% den
anteilmässig grössten Teil der Bevölkerung. In der Deutschschweiz
decken Medientitel von niedriger Qualität 37% der Bevölkerung ab. In
der Svizzera italiana ist die Abdeckung der Bevölkerung durch
qualitätsniedrige Medientitel aktuell noch geringer. Allerdings ist
seit der Lancierung von 20 minuti im Herbst 2011 die Situation im
Fluss.

Hohe Medienkonzentration und eingeschränkter Wettbewerb

Im Presse- und Onlinebereich zeigt sich eine hohe
Medienkonzentration. Das Medienunternehmen Tamedia AG besitzt
gesamtschweizerisch im Pressesektor mittlerweile einen Marktanteil
von über 40%. Diese Marktstellung im Pressesektor und die Konvergenz
mit dem Onlinesektor schränken den Wettbewerb durch Grössen- und
Verbundeffekte ein.

In der Suisse romande ist die Situation im Pressemarkt besonders
ausgeprägt. Die Tamedia verfügt hier über einen Marktanteil von 68%.
Auch im Onlinesegment ist die Konzentration fortgeschritten. Nach der
Integration der ehemaligen Edipresse-Newssites ins neue Newsnet hat
die Tamedia AG ihre Anteile in dieser Sprachregion auf 28%
gesteigert.

Problematische Entwicklung der Erlöse

Im Langzeitvergleich können im Pressebereich nur die
Gratiszeitungen von steigenden Werbeeinnahmen profitieren. Die
Gratistitel 20 Minuten, 20 minutes und Blick am Abend schöpften im
Jahr 2011 nicht weniger als 31% des Bruttowerbeerlöses aller 46
untersuchten Pressetitel der Schweiz ab. Gesamthaft verliert die
Presse seit dem Jahr 2000 einen Drittel ihrer kommerziellen
Werbeerträge. Zusätzlich sinkt die Zahlungsbereitschaft des Publikums
weiter.

Der Onlinewerbemarkt kann diese Situation nicht auffangen. Er
weist zwar anhaltend zweistellige Wachstumsraten auf, generiert aber
mit Bruttowerbeerträgen von 521 Mio. Franken erst einen Bruchteil der
entsprechenden Erlöse des Printmedienmarktes (Nettoumsatz Pressemarkt
2011: rund 2 Mrd. Franken). Der Werbemarkt von Radio und Fernsehen
ist stabiler. Allerdings schöpfen die ausländischen privaten
Fernsehveranstalter nicht weniger als 37% vom Schweizer
Fernsehwerbemarkt ab, ohne einen relevanten Beitrag zum
Informationsjournalismus zu leisten. Der Vergleich der untersuchten
privaten Rundfunkprogramme zeigt zudem, dass weder höhere Werbeerlöse
also finanzielle Ressourcen, noch eine Konzessionsverpflichtung die
Qualität erhöhen. Ausschlaggebend ist auch der Wille zum Service
public.

Untersuchungsanlage und Methodik

Diese Untersuchung der Qualität der Medien vollzieht sich auf zwei
Stufen. Erstens wird die publizistische Versorgung - d.h. die Auflage
bzw. die Nutzung, die Einnahmen und die Besitzverhältnisse der
Informationsmedien in der Schweiz - untersucht. Im Jahre 2011
handelte es sich um 146 Medientitel, die die erforderliche
Abdeckungsrate von 0.5% der sprachregionalen Wohnbevölkerung
erreichen. Zweitens werden unter diesen Titeln die 46 bedeutendsten
Titel aller Mediengattungen (Presse, Radio, Fernsehen,
Online-Newssites) in den drei grossen Sprachregionen der Schweiz
einer inhaltlichen Validierung auf der Basis der Qualitätsmerkmale
Vielfalt, Relevanz, Aktualität und Professionalität unterzogen
(Weiterführende Informationen auf: www.qualitaet-der-medien.ch).

Jahrbuch 2012: Qualität der Medien - Schweiz Suisse Svizzera

Wozu dieses Jahrbuch? Das Ziel dieses Jahrbuchs ist die Stärkung
des Qualitätsbewusstseins bei den Medienmachern wie beim Publikum.
Das Jahrbuch bildet eine Quelle für Medienschaffende, Akteure aus
Politik und Wirtschaft, die Wissenschaft und für alle Interessierte,
die sich mit der Entwicklung der Medien und ihren Inhalten
auseinandersetzen wollen. Anstoss für das Jahrbuch bildet die
Einsicht, dass die Qualität der Demokratie von der Qualität der
medienvermittelten Kommunikation abhängt. Das Jahrbuch will einen
Beitrag dazu leisten, dass die Qualität der Medien ein wichtiges
Thema öffentlicher Kommunikation ist.

Wer zeichnet für dieses Jahrbuch verantwortlich? Das Jahrbuch wird
herausgegeben durch den fög - Forschungsbereich Öffentlichkeit und
Gesellschaft / Universität Zürich (www.foeg.uzh.ch). Folgende Autoren
sind am Jahrbuch 2012 beteiligt (in alphabetischer Reihenfolge): Urs
Christen, Mark Eisenegger, Patrik Ettinger, Angelo Gisler, Lucie
Hauser, Florent Heyworth, Kurt Imhof, Esther Kamber, Jens Lucht,
Johannes Raabe, Mario Schranz, Peter Studer (Gastautor), Linards
Udris, sowie Vinzenz Wyss mit Michael Schanne und Annina Stoffel
(Gastautoren).

Wer finanziert und unterstützt dieses Jahrbuch? Die Finanzierung
für das Jahrbuch wird durch die gemeinnützige Stiftung Öffentlichkeit
und Gesellschaft (www.oeffentlichkeit.ch) eingebracht. Der
Stiftungsrat setzt sich zusammen aus: Christine Egerszegi-Obrist,
Kurt Imhof, Yves Kugelmann und Oswald Sigg.

Die Stiftung verdankt die Mittel für das Projekt den folgenden
Donatoren: Adolf und Mary Mil Stiftung, Allianz Suisse, Allreal
Holding AG, Anne Frank Fonds Basel, Bank Julius Bär, Credit Suisse
Foundation, Hotel Bellevue Palace Bern; Paul Schiller Stiftung, Prof.
Otto Beisheim Stiftung, Partner Reinsurance Europe Limited
(PartnerRe), Schweizerische Mobiliar Versicherungsgesellschaft AG,
Schweizerische Post, Stiftung für Gesellschaft, Kultur und Presse -
Schweiz, Stiftung Qualitätsjournalismus Ostschweiz, Swiss Re,
Vontobel-Stiftung, Zürcher Kantonalbank und verschiedenen
Einzeldonatoren.

Wo erscheint das Jahrbuch? Das Jahrbuch erscheint im Schwabe
Verlag in gedruckter Form (ISBN 978-3-7965-2776-0) und als Online
Ausgabe (ISBN 978-3-7965-2856-9). Ausgewählte Befunde sowie die
Zusammenfassungen können im Internet abgerufen werden
(www.qualitaet-der-medien.ch).



Pressekontakt:

fög - Forschungsbereich Öffentlichkeit und Gesellschaft / Universität Zürich
Andreasstrasse 15
CH-8050 Zürich
Tel. +41/44/635'21'11
Fax: +41/44/635'21'01
E-Mail: kontakt@foeg.uzh.ch

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Datum: 26.10.2012 - 12:00 Uhr
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