WESTERWELLE-Interview für die „Wirtschaftswoche“

WESTERWELLE-Interview für die „Wirtschaftswoche“

ID: 82287

WESTERWELLE-Interview für die „Wirtschaftswoche“



(pressrelations) - Berlin. Der FDP-Partei- und -Fraktionsvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab der „Wirtschaftswoche“ (aktuelle Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten KONRAD HANDSCHUCH und DR. CHRISTIAN RAMTHUN:

Frage: Die Bundesregierung hat infolge der Finanzkrise und im Rahmen der Bankenrettung jetzt das Gesetz zur Verstaatlichung der Hypo Real Estate (HRE) auf den Weg gebracht. Ist das aus Sicht einer liberalen Partei, der Bürgerrechte und Eigentum am Herzen liegen, eine vertretbare Strategie?

WESTERWELLE: Dass eine von der Union geführte Bundesregierung eine Enteignungspolitik betreibt, hätte ich nie im Traum für möglich gehalten. Das ist ein schwerer Fehler. Hätte die russische Duma ein Enteignungsgesetz gegen einen deutschen Investor beschlossen, würden wir zu Recht sagen: In Russland sind deutsche Investitionen nicht sicher. Eine ähnlich schädliche Wirkung wird auf lange Sicht auch diese Fehlentscheidung nach sich ziehen. Schwarz-Rot gefährdet Deutschlands Ruf als international anerkanntem Raum für sichere Investitionen.

Frage: Was hätten Sie stattdessen getan?

WESTERWELLE: Auch das Bundeswirtschaftsministerium hat die Alternative aufgezeigt, wie sich bei der Sanierung der HRE die Interessen des Steuerzahlers wahren lassen, ohne auf diese eklatante Weise mit den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft zu brechen. Dieser Weg bestünde beispielsweise in einer Kapitalerhöhung, zumal das extra für die HRE beschlossene Gesetz die Möglichkeit ausschließt, dass in diesem Fall eine Minderheit die Rettung der Bank blockieren kann.

Frage: Sie spielen auf den Minderheitsaktionär Christopher Flowers an. Um den geht es ja gerade. Warum soll dieser private Investor von steigenden Aktienkursen profitieren, wenn die Sanierung der HRE durch Steuergelder gelingt?

WESTERWELLE: Es geht nicht um Herrn Flowers, sondern um die Stabilität einer systemrelevanten Bank. Falsch ist doch nicht die Rettungsabsicht – das Enteignungsgesetz ist der Fehler. Ich frage mich, warum bestimmte Entscheidungen im Bundesfinanzministerium angeblich erst dann gefallen sind, nachdem Verjährungsfristen bei der HRE zu Gunsten der Alteigentümer, der HVB, abgelaufen waren.



Frage: Sie unterstellen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück Absicht?

WESTERWELLE: Er und sein Haus haben auf klare Fragen verschleiernde Antworten gegeben. Bei der Frage, ob die HRE abgewickelt wird, fuhr Peer Steinbrück einen Zickzackkurs. Prüfberichte aus Irland lagen bei ihm vor, als man angeblich gar keine Möglichkeit hatte, dort zu prüfen. Das alles werden wir jetzt in einem Untersuchungsausschuss aufklären. Immerhin geht es Schätzungen zufolge um einen möglichen Schaden zu Lasten der Steuerzahler in Höhe von bis zu 235 Milliarden Euro. Der Finanzminister schwadroniert herum und hat die Lage mitten in der Finanzkrise nicht im Griff.

Frage: Und er sagt, der Untersuchungsausschuss würde ihn daran hindern, seinen Job zu tun.

WESTERWELLE: Das ist dreist. Jetzt fehlt nur noch, dass sich Peer Steinbrück eine weißgepuderte Perücke aufsetzt und ruft: „L' État c'est moi!“ Ein Bundesfinanzminister, der sagt, er könne seinen Aufgaben nicht mehr nachkommen, wenn er sich der parlamentarischen Kontrolle zu stellen hat, muss sich fragen, ob er am richtigen Platz ist. Das Parlament hat den Verfassungsauftrag, die Regierung zu kontrollieren – erst recht, wenn es um bis zu 235 Milliarden Euro geht.

Frage: Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte es unanständig, dass die Vorstände der Dresdner Bank erst rund 6 Milliarden Euro Verlust machen und dann 58 Millionen Euro an Einkünften kassieren. Hat sie Recht?

WESTERWELLE: Natürlich hat sie Recht. Aber hier kritisiert die Bundeskanzlerin einen Missstand, den sie selbst mit zu verantworten hat. Da steigt der Bund mit Steuergeldern bei der Commerzbank ein und drängt nicht darauf, dass vorher sämtliche Altlasten und Verpflichtungen aus der Übernahme der Dresdner Bank geklärt werden? Es gehört zum kleinen Einmaleins des Wirtschaftslebens, dass man prüft, was man kauft: Käufer machen ihren Einfluss geltend. Viel zu oft regen sich Regierungsvertreter über Regelungen auf, die sie in Aufsichtsgremien selbst abgenickt haben.

Frage: Welche großen Fehler hat die Regierung denn noch gemacht?

WESTERWELLE: US-Außenministerin Hillary Clinton hat gesagt: „Never miss a good crisis.“

Frage: Soll heißen?

WESTERWELLE: Die Bundesregierung verwaltet die Krise, aber sie gestaltet nicht die Zukunft. So verpasst diese Regierung die Chancen der Krise. Und in vielen Bereichen, ich denke da an den planwirtschaftlichen Gesundheitsfonds, setzt sie auf Staatsdirigismus. Mir ist das zu viel DDR light.

Frage: Worin bestehen die Chancen?

WESTERWELLE: Sie bestehen darin, die lähmende Bürokratie und die innovationsfeindliche Ideologie zurückzudrängen.

Frage: Geht es ein bisschen konkreter?

WESTERWELLE: Ich fordere ein Konjunkturpaket III, aber eines, das den Steuerzahler ausnahmsweise keinen Euro kostet. Wenn wir zum Beispiel in der Energiewirtschaft die ideologischen Bremsen lösen, können 40 Milliarden Euro privates Geld investiert werden. Wenn beim Thema Verkehrsinfrastruktur nur endlich das 2005 im Koalitionsvertrag angekündigte Flughafenkonzept vorgelegt würde, könnten rund 20 Milliarden Euro private Mittel investiert werden. Wenn wir bereit wären, Modellregionen mit vereinfachten Planverfahren zuzulassen, wofür schon der frühere Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement geworben hatte, könnten dort ebenfalls private Investitionen angeregt werden.

Frage: Ein wenig kommt Ihnen die Bundesregierung beim Konjunkturpaket III ja entgegen, indem sie bei der Unternehmensteuer nachbessern will.

WESTERWELLE: Die Regierung stellt allenfalls in Aussicht, einige der gröbsten Schnitzer bei Zinsschranke und Mantelkauf befristet zu reparieren, will ihre anderen Fehler beispielsweise bei der Funktionsverlagerung aber nicht korrigieren. Die Koalition müsste viel grundsätzlicher handeln und die Krise nutzen, um das Steuerrecht umfassend gerecht zu machen. Dazu gehören durchgehend niedrigere und einfachere Steuertarife. Auch darf sich die Regierung über die kalte Progression nicht klammheimlich bei unseren Steuerbürgern bereichern. 90 Prozent aller Investitionen kommen von Privatunternehmen und -personen. Wenn hier die Bremsen nicht gelockert werden, helfen auch keine hundert öffentlichen Konjunkturprogramme.

Frage: Immerhin will die Union das Steuerthema in der nächsten Legislaturperiode angehen.

WESTERWELLE: Jetzt haben wir die Krise, jetzt besteht die Chance für echte Korrekturen. Die Regierung sieht den Wald vor lauter Problembäumen nicht, weil sie aus einer Froschperspektive regiert. Es gibt kein besseres Konjunktur- und Strukturprogramm als ein einfacheres, niedrigeres und gerechteres Steuersystem. Die USA entlasten die Mitte ihrer Gesellschaft um rund 300 Milliarden Dollar, Schwarz-Rot beschließt für die vergessene Mitte in Deutschland für dieses Jahr Steuerentlastungen von gerade einmal 2,9 Milliarden Euro. Wenn es nur gelänge, durch ein faires Steuersystem zehn Prozent der Schwarzarbeit in die reguläre Wirtschaft zurück zu holen, würden auch die Staatseinnahmen sprudeln.

Frage: Bei Opel retten Bundeskanzlerin Merkel und Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier um die Wette.

WESTERWELLE: Ich bin immer dafür, dass die Politik der Wirtschaft nach Kräften hilft – indem sie Türen für private Investoren öffnet. Dass die Regierung aber mehr oder weniger einen Blankoscheck für Opel ausstellt, ist ein ganz schwerer Fehler. Damit nimmt man auch den Druck von GM, Opel richtig aus dem Konzern herauszulösen. Dies richtet sich gegen die Interessen der Opel-Mitarbeiter, die nicht in einer Scheinselbstständigkeit bei GM verharren wollen. Jeder potentielle Investor weiß jetzt, dass er die Hand bei uns Steuerzahlern aufhalten kann.

Frage: Sie meinen, der beginnende Wahlkampf erschwert eine effektive politische Hilfe für Opel?

WESTERWELLE: Will die Koalition eigentlich Opel retten, oder soll Opel die Koalitionsparteien retten? Deshalb wird dieser Wahlkampf auch der teuerste Wahlkampf aller Zeiten. Im übrigen erinnert mich das Pilgern der Regierungspolitiker nach Rüsselsheim und Bochum daran, wie vor zehn Jahren der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder beim Bauunternehmen Holzmann erst als Retter öffentlichkeitswirksam auftrat und wie später trotz vieler Steuermillionen das Unternehmen still und leise unterging.

Frage: Wie beurteilen Sie die Einigkeit der großen Koalition bei der Abwrackprämie?

WESTERWELLE: Mittelständische Gebrauchtwagenhändler kämpfen wegen der Abwrackprämie um ihre Existenz. Wer redet darüber? Warum erhält der Textilhersteller Schiesser keine Abwrackprämie für alte Unterwäsche und Märklin keine für kaputte Modelleisenbahnen? Diese Beispiele zeigen die ganze Absurdität dieser Politik. Für die Dax-Hörigkeit der Bundesregierung zahlt der Mittelstand die Zeche. Bei den Großen kommt der Bundesadler, bei den Kleineren der Pleitegeier. Dabei ist der Mittelstand das Rückgrat unserer Wirtschaft. Mich empört es, wenn mittelständische Unternehmen ins Aus gedrängt werden.

Frage: Sind Sie nicht umgekehrt ein fixierter Marktliberaler, der in der Krise mal einige seiner Prinzipien beiseite legen sollte?

WESTERWELLE: Gerade in der Krise brauchen wir Prinzipien. Wenn die Sicht schlecht und die See unruhig ist, dann braucht man einen Kompass. Dass eine unionsgeführte Regierung die soziale Marktwirtschaft so gering achtet und statt dessen auf eine bürokratische Staatswirtschaft setzt, kritisieren wir.

Frage: Wie können Sie bei so viel Kritik an der Union nach der Bundestagswahl noch mit ihr regieren wollen?

WESTERWELLE: Weil wir Deutschland eine Mehrheit aus SPD, Linkspartei und Grünen unbedingt ersparen wollen. Denn wenn es eine solche Mehrheit gäbe, würde es in der nächsten Legislaturperiode auch eine linke Regierung geben – Ypsilanti lässt grüßen.

Frage: Trotzdem glauben wir bei Ihnen eine Entfremdung zur Union und zu Frau Merkel zu spüren.

WESTERWELLE: Ich hoffe einfach, dass die Union mit ihrem Linksrutsch eine bürgerliche Mehrheit nicht erneut verspielt.

Frage: Einen klaren Kurs kann man auch bei Horst Seehofer und der CSU nicht unbedingt erkennen. Sind Sie darüber nicht irritiert?

WESTERWELLE: Aus welchen Gründen Herr Seehofer früher für den Gesundheitsfonds und gegen Steuerentlastungen war, ist mir fast egal, wenn die CSU jetzt gegen den Gesundheitsfonds und für Steuerentlastungen argumentiert. Da zeigt sich das segensreiche Wirken der FDP als Koalitionspartner in Bayern. Und auf Bundesebene gehe ich auch fest von einem liberalen Erweckungserlebnis der Union nach der Wahl am 27. September aus.

Frage: Im Moment liegt die Union bundesweit bei 33 bis 35 Prozent. Reicht das überhaupt noch für eine bürgerliche Koalition mit der FDP?

WESTERWELLE: Die Union rutscht nach links, der SPD und den Grünen hinterher. Die FDP bleibt in der Mitte. Wir fangen jene enttäuschten bürgerlichen Wähler auf, die unsere soziale Marktwirtschaft weiter für die beste Ordnung halten, die es je in Deutschland gab.

Frage: Es gelingt Ihnen aber nicht, alle frustrierten Unionswähler an sich zu binden. Rechnen Sie sich da nicht reich?

WESTERWELLE: Es gelingt uns, auch enttäuschte bürgerliche Sozialdemokraten zu gewinnen und pragmatische frühere Grünen-Anhänger, denen die Fundamentalisierung der Grünen Sorgen bereitet. Wir Liberale müssen so stark werden, dass es reicht.

Frage: Was machen Sie jedoch, wenn Ihr Plan A einer Koalition mit der Union nicht aufgeht?

WESTERWELLE: Dann werden die Grünen ihre Reise nach Jamaika antreten – da sie in Hamburg bereits mit der Union regieren, hielte ich dies auch im Bund für möglich. Nur mache ich für Notlösungen keinen Wahlkampf. Wir setzen auf klare Verhältnisse mit einer bürgerlichen Mehrheit und einer stabilen Koalition.

Frage: Frank-Walter Steinmeier sagt: Westerwelle will regieren, die Ampel, also eine rot-gelb-grüne Koalition, sei realistisch.

WESTERWELLE: Dazu zitiere ich mal – widerwillig, muss ich hinzufügen – den Chef der Linkspartei, Oskar Lafontaine. Der sagt: „SPD und Grüne schreiben unser Wahlprogramm ab, wollen es aber mit Herrn Westerwelle durchsetzen. Das ist lustig.“ Wo er recht hat, hat er recht. Eine Ampel hätte ich 2005 haben können – aber wir haben Wort gehalten. Die SPD befeuert Ampel-Spekulationen, um von der Tatsache abzulenken, dass jene, die sich als SPD-Führung von morgen verstehen, also die Wowereits und Gabriels und Nahles´, längst entschlossen sind, eine linke Mehrheit zum Regieren zu nutzen, wenn der Wähler sie ließe.


URL: www.liberale.deUnternehmensinformation / Kurzprofil:
drucken  als PDF  an Freund senden  (4.4.2009) Waldbröl- Kai Uffelmann von Frühlingskonzert begeistert WESTERWELLE zum neuen NATO-Generalsekretär
Bereitgestellt von Benutzer: pressrelations
Datum: 06.04.2009 - 11:03 Uhr
Sprache: Deutsch
News-ID 82287
Anzahl Zeichen: 0

pressrelations.de – ihr Partner für die Veröffentlichung von Pressemitteilungen und Presseterminen, Medienbeobachtung und Medienresonanzanalysen


Diese Pressemitteilung wurde bisher 417 mal aufgerufen.


Die Pressemitteilung mit dem Titel:
"WESTERWELLE-Interview für die „Wirtschaftswoche“"
steht unter der journalistisch-redaktionellen Verantwortung von

FDP (Nachricht senden)

Beachten Sie bitte die weiteren Informationen zum Haftungsauschluß (gemäß TMG - TeleMedianGesetz) und dem Datenschutz (gemäß der DSGVO).

BRÜDERLE-Interview für die "Rhein-Zeitung ...

Berlin. Der Spitzenkandidat zur Bundestagswahl, FDP-Präsidiumsmitglied und Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion RAINER BRÜDERLE gab der "Rhein-Zeitung" (Freitag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte URSULA SAMARY: Frag ...

Alle Meldungen von FDP


 

Werbung



Facebook

Sponsoren

foodir.org The food directory für Deutschland
Informationen für Feinsnacker finden Sie hier.

Firmenverzeichniss

Firmen die firmenpresse für ihre Pressearbeit erfolgreich nutzen
1 2 3 4 5 6 7 8 9 A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z