Apothekerpräsident hat Angst vor Testkäufen – in Heilbronn und Umgebung war diese Angst meist unbegründet
In Ihrem jüngsten Beratungs-Check besuchten Testkunden der Pesquisa GmbH alle 109 Apothe-ken im Stadt- und Landkreis Heilbronn. Bereits in den ersten beiden Wochen der Feldphase war das Interesse an der Testkaufaktion groß. So groß, dass der Präsident der Landesapotheker-kammer Baden-Württemberg, Dr. Günther Hanke, ihr gleich zwei „Präsidentenbriefe“ widmete, in denen er die Apotheker auf die Testaktion und die einzelnen Szenarien hinwies. Die offensichtli-che Angst des Präsidenten vor Testkäufen und einem möglichen negativen Resultat erwies sich im Ergebnis in vielen Fällen unseres Tests jedoch als unbegründet: Denn meistens erhielten die Testkäufer nach einer sorgfältigen Erfassung der Beschwerden und der Krankengeschichte durch den Apotheker geeignete Empfehlungen, oder es wurden geeignete Produkte abgegeben. Allerdings, und das ist speziell vor dem Hintergrund der beiden „Präsidentenbriefe“ ernüch-ternd, in jedem dritten Fall wurde die systematische Erfassung der Beschwerden und der Kran-kengeschichte (die sogenannte Anamnese) nicht sorgfältig genug durchgeführt, um beispiels-weise kritische Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten erkennen und den Kunden sach-gerecht beraten zu können. Speziell in diesen Fällen waren die abgegebenen Arzneimittel öfters weniger geeignet bis ungeeignet. Dieser Aspekt ist angesichts der zuvor auch schon durch die Landesapothekerkammer selbst veranlassten Testkäufe (sogenannte Pseudo-Customer-Besuche) und der Tatsache, dass die Kammer für wiederholt beobachtete Verstöße gegen die Beratungspflicht sogar Berufsgerichtsverfahren gegen die betroffenen Apotheker angedroht hat-te, umso überraschender.
Insgesamt wurden 327 Testbesuche durchgeführt. Hiervon wurden allerdings acht Beratungen von vorneherein durch die Apotheker/-innen mit dem Hinweis abgelehnt, dass es sich bei den Kunden offensichtlich um Testkäufer handle. Dies ist umso erstaunlicher, als der Präsident der Landesapothekenkammer Baden-Württemberg, Dr. Günther Hanke, bereits in den ersten Tagen unserer Testkaufaktion, genauer gesagt am 26. Februar 2009, in seinem „Präsidentenbrief“ seine Kollegen auf die Testkäufe hinwies und sie aufforderte „jeden Patienten oder Kunden so zu beraten, als ob er ein Testkäufer wäre“. Zumindest in diesen acht kategorischen Abweisungen hätten Anspruch und Wirklichkeit nicht weiter auseinander liegen können: Oder sollte man grundsätzlich alle Kunden, die nach einem Aspirin für ihren Vater oder nach Johanniskraut für ihre Schwester fragen, abweisen oder, wie zum Teil ebenfalls erlebt, gar beschimpfen? Auf diese Weise kommt die Apothekerschaft dem Bestreben ihres Präsidenten, „das bestehende funktionierende System durch individuelle Beratung aktiv zu verteidigen“ nicht näher – ganz im Gegenteil. Diese Aufforderung entstammt übrigens dem zweiten „Präsidentenbrief“ vom 3. März 2009, den der Kammerpräsident mit den Worten schloss: „Ich bin gespannt, ob wir demnächst auch von der hervorragenden Beratung in unseren Apotheken lesen werden.“
Diese Frage beantworten wir gerne: Grundsätzlich lässt sich für die Stadt und den Landkreis Heilbronn in der Tat ein ähnlich positives Fazit ziehen wie für die Apotheken in Ulm und dem Alb-Donau-Kreis. Nur selten mangelt es den Apothekern an Fachkompetenz: Wenn sie sich Zeit nehmen für eine sorgfältige Erfassung der jeweiligen Beschwerden und Krankengeschichte (die so genannte Anamnese), geben sie meist auch geeignete Empfehlungen ab und verkaufen geeignete Arzneimittel. Dass Apotheker, die die Anamnese eher knapp halten oder im besten Fall lückenhaft durchführen, häufiger ungeeignete Empfehlungen oder Arzneimittel abgeben, überrascht nicht. Der Apotheker muss sich schlicht und ergreifend Zeit nehmen, um die individuelle Situation des Patienten zu verstehen und die richtigen pharmazeutischen Schlussfolgerungen ziehen zu können. Durchaus überraschend ist jedoch, dass die Bereitschaft zu einer ausführlichen Anamnese nach wie vor gering ist, und zwar obwohl sie – neben der pharmazeutischen Qualifikation des Apothekers – der entscheidende Erfolgsfaktor für eine geeignete Arzneimittelabgabe oder -empfehlung ist.
Egon F. Siebein, Geschäftsführer der Pesquisa GmbH, fasst zusammen: „Es ist schon erstaunlich, wie dicht gute und schlechte Beratung sowie geeignete und ungeeignete Empfehlungen beieinander liegen. Denn, an der Qualifikation der Apotheker liegt es in den seltensten Fällen. Die Apotheker müssten sich meist einfach nur die Zeit nehmen, dem Patient eine handvoll Fragen zu stellen, die im Übrigen durch die Leitlinien der Bundesapothekenkammer vorgegeben sind, und ihm bei deren Beantwortung aufmerksam zuhören. Umso erschreckender ist für mich die Tatsache, dass sich viele Apotheker diese Zeit nicht nehmen – und das trotz der beiden Präsidentenbriefe.“ Aber, so Siebein weiter, es gibt auch gute Nachrichten: „Als Patient können Sie entscheidend dazu beitragen, dass Sie gut beraten werden: Werden Sie selbst aktiv. Geben Sie dem Apotheker wichtige Informationen über ihre Beschwerden und individuellen Lebensumstände – im Zweifelsfall lieber zu viele Informationen als zu wenig. Und fragen Sie nach, wenn Sie etwas nicht verstehen oder wenn Ihnen die Antwort zu unpräzise ist. Dann erhalten Sie meistens auch eine pharmazeutisch sinnvolle Empfehlung.“
Siebeins Hilfe zur Selbsthilfe für die Patienten sollte nicht missverstanden werden. Denn das eigentliche Problem liegt nicht auf der Seite der Kunden: Eine sorgfältige Anamnese ist Kernbestandteil der pharmazeutischen Leistung des Apothekers und seiner Mitarbeiter. Es kann nicht erwartet werden, dass der Patient von sich aus alle relevanten Informationen preis gibt. Zur Beurteilung, welche Informationen überhaupt wichtig sind, fehlt dem Patienten in aller Regel das erforderliche Fachwissen. Es liegt, wie Kammerpräsident Dr. Günther Hanke zu recht fordert, an der Apothekerschaft, „das bestehende, funktionierende System durch individuelle Beratung aktiv zu verteidigen“. Unsere Ergebnisse stützen Hanke in seinem Ansinnen, die Apotheker in die Pflicht zu nehmen. Bei einigen Apotheken besteht hier noch Nachholbedarf.
Ergebnisse der Studie
Nach einer sorgfältigen Erfassung der Symptome und der Begleitumstände werden häufiger geeignete Arzneimittel abgegeben als nach knapper Anamnese. Anders formuliert: Das Problem ist selten die pharmazeutische Qualifikation. Häufiger mangelt es den Apothekern jedoch an der Bereitschaft zu einer ausführlichen Anamnese.
Insbesondere in Fall B und C war die sorgfältige Erfassung der Beschwerden und Krankengeschichte gefragt, denn es galt relevante Wechselwirkungen zwischen dem gewünschten und einem regelmäßig eingenommenen Arzneimittel zu erkennen. Hier wurden insgesamt 60 Arzneimittel verkauft (49 in Fall B, 11 in Fall C). Darunter befanden sich acht ungeeignete Präparate (3-mal Aspirin in Fall B, 5-mal Johanniskraut ohne Hinweis auf zusätzliche Verhütungsmethoden in Fall C). In fünf dieser acht Fälle mit ungeeigneter Arzneimittelabgabe, war die vorausgegangene Anamnese lückenhaft. Entsprechend wurde nach einer zumindest ordentlichen Anamnese lediglich dreimal ein ungeeignetes Arzneimittel abgegeben. Nach einer lückenhaften Anamnese, die in den Fällen B und C insgesamt 78-mal erlebt wurde, erhielten die Testkäufer also in 6,4 Prozent bzw. in fünf von 78 Fällen ein ungeeignetes Arzneimittel. Nach zumindest ordentlicher Anamnese (in diesen Fällen 135-mal beobachtet) lag diese Quote mit 2,2 Prozent bzw. drei von 135 Fällen deutlich niedriger.
Dasselbe Ergebnis zeigt sich in Bezug auf die Empfehlung eines Arztbesuchs, der in allen Testszenarien durchaus sinnvoll gewesen wäre (in Fall A spätestens nach sieben Tagen ohne Besserung, in Fall B und C wäre auch ein sofortiger Arztbesuch angemessen gewesen). Wurde den Testkäufern insgesamt in 73 Prozent der Fälle (239 von 327) ein Arztbesuch empfohlen, kam diese Empfehlung nach einer umfassenden Anamnese in 89 Prozent der Fälle (119 von 133). Nach einer ordentlichen Anamnese wurde der Gang zum Arzt noch in 78 Prozent der Fälle (60 von 77) nahegelegt. Dagegen erfolgte die Empfehlung eines Arztbesuchs nach einer lückenhaften Anamnese nur in 56 Prozent der Fälle (60 von 109).
Wurden die Symptome und Begleitumstände sorgfältig erfasst, wurden also häufig auch die richtigen pharma¬zeutischen Schlüsse gezogen. Nicht selten fehlte allerdings die Bereitschaft zu einer ausführlichen Beratung. So erfolgte eine umfassende Anamnese nur in 41 Prozent der Fälle (bzw. in 133 von 327 Testkäufen). Die Produktberatung fiel ebenfalls nur in 41 Prozent der Fälle mit Arzneimittelabgabe (54 von 132) umfassend aus. Von den insgesamt 160 Fällen in Szenarien B und C, in denen unsere Testkäufer eine zumindest bedingt geeignete Empfehlung erhielten, war diese in gut jedem dritten Fall (in 34 Prozent bzw. 55 Testbesuchen) erst nach aktiven Hinweisen der speziell geschulten Tester möglich. In weiteren 21 Besuchen bzw. in 13 Prozent der Fälle erhielten die Testkäufer trotz entsprechender Hinweise und Rückfragen ungeeignete Arzneimittel oder Arzneimittelempfehlungen. Dabei wurden Wechselwirkungen teilweise nicht als solche erkannt oder sie wurden verharmlost.
Zusammenfassende Ergebnisse zu den Apotheken
Nur in 15 der 109 getesteten Apotheken (14 Prozent) erhielten die Testkunden in allen drei Szenarien ein geeignetes Arzneimittel und/oder eine geeignete Empfehlung, z.B. die eines Arztbesuchs, ohne dass sie initiative Hinweise geben oder Rückfragen stellen mussten, die auf eine mögliche Wechselwirkung hindeuteten. Darunter befanden sich zwei der 28 Innenstadtapotheken, beide mit zentraler Lage in Heilbronn, sowie 13 der 81 Landapotheken aus den Vororten und kleineren Gemeinden im Landkreis.
In 50 Apotheken (12 Innenstadt- und 38 Landapotheken) wurden zu zwei Fragestellungen geeignete Empfehlungen und/oder Arzneimittel abgegeben, davon in 44 (11 Innenstadt- und 33 Landapotheken) ohne dass zusätzliche Hinweise in einem oder beiden Fälle nötig waren.
In 33 Apotheken (darunter 12 Innenstadtapotheken und 21 Landapotheken) wurde zu einer Problemstellung, trotz initiativer Hilfestellungen und Rückfragen durch die Testkunden, eine ungeeignete Empfehlung oder ein ungeeignetes Medikament abgegeben. In keiner Apotheke erhielten wir bei zwei oder gar allen drei Testbesuchen ungeeignete Empfehlungen oder ungeeignete Arzneimittel. Fünf ländlich gelegene Apotheken und drei Innenstadtapotheken verweigerten jeweils einmal die Beratung mit dem Hinweis, man stünde für Testkäufe nicht zur Verfügung.
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Datum: 08.05.2009 - 09:09 Uhr
Sprache: Deutsch
News-ID 88390
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Kontakt-Informationen:
Ansprechpartner: Egon F. Siebein
Stadt:
89134 Blaustein
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Kategorie:
Gesundheitswesen - Medizin
Meldungsart: Erfolgsprojekt
Versandart: Veröffentlichung
Freigabedatum: 08.05.2009
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