Rede von Dr. Guido Westerwelle zur Regierungserklärung des Bundesministers des Auswärtigen zum Eur

Rede von Dr. Guido Westerwelle zur Regierungserklärung des Bundesministers des Auswärtigen zum Europäischen Rat am 18./ 19. Juni 2009

ID: 96996

Rede von Dr. Guido Westerwelle am 18.06.2009 im Deutschen Bundestag

Rede von Dr. Guido Westerwelle zur Regierungserklärung des Bundesministers des Auswärtigen zum Europäischen Rat am 18./ 19. Juni 2009



(pressrelations) - ographisches Protokoll)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesaußenminister, zunächst einmal ist Ihr Hinweis richtig, dass dies die erste europäische Debatte im Deutschen Bundestag seit der Wahl zum Europäischen Parlament ist. In diesem Zusammenhang sind zwei Dinge bemerkenswert.

Erstens. Die Kräfteverhältnisse im Europäischen Parlament haben sich verändert; aus unserer Sicht glücklicherweise. Diese Ansicht wird nicht jeder teilen. Aus unserer Sicht ist vor allen Dingen erfreulich, dass diejenigen, die die Wirtschafts- und Finanzkrise als Vorwand nutzen wollten, um die soziale Marktwirtschaft abzuwickeln, bei diesen Wahlen geschwächt wurden.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das Zweite ist die Wahlbeteiligung selbst. Meines Erachtens macht man es sich zu einfach, wenn man diejenigen, die an der Wahl nicht teilgenommen haben, automatisch als Skeptiker oder Gegner der Europäischen Union einstuft. Ich habe eher den Eindruck, dass eine sehr große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland sehr wohl weiß, welchen Wert die Europäische Union für Frieden, Wohlstand und Freiheit hat, dass aber eine ebenso große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland die Relevanz der Entscheidungen des Europäischen Parlaments auf den ersten Blick nicht erkennen kann.
(Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das stimmt!)

Deswegen ist zweierlei unsere Aufgabe. Erstens müssen wir kenntlich machen, dass die im Europäischen Parlament getroffenen Entscheidungen auch für jede Bürgerin und jeden Bürger in Deutschland von großer Bedeutung sind. Zweitens ist es notwendig, dass wir endlich die demokratischen Institutionen demokratisieren, damit in Europa die demokratische Legitimation für Entscheidungen wächst. Das ist unsere Aufgabe.
(Beifall bei der FDP)

Vor diesem Hintergrund ist die Subsidiarität das wichtigste Prinzip. Wir müssen wieder zu dem Prinzip zurückfinden: Europa soll sich auf das beschränken, was nur auf europäischer Ebene beschlossen werden kann. Was Europa nicht regeln muss, das soll es auch nicht regeln dürfen.



Wir wollen Europa für einen gemeinsamen Markt. Wir wollen es für Frieden. Wir wollen es für Stärke der Außenpolitik in der Welt. Wir wollen aber kein Europa, in dem sich eine nicht demokratisch legitimierte Behörde herausnimmt, den Bürgerinnen und Bürgern zu Hause vorzuschreiben, welche Leuchtmittel sie einschrauben dürfen und welche Glühbirnen verboten sind, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das ist nicht Aufgabe von Europa.

Herr Bundesaußenminister, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass wir in Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise auch die europäischen Kontrollstrukturen, die europäische Finanzmarktaufsicht verbessern müssen. Sie haben auch auf die Rolle der Europäischen Zentralbank hingewiesen. Ich glaube, man muss der Regierung Kohl/Genscher heute dankbar dafür sein, dass sie bei der Einführung des Euro eine so unabhängige Europäische Zentralbank konstituiert hat. Das war vorausschauende Politik.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ohne Europa wäre diese Finanzkrise sehr schnell auch zu einer wirklichen Währungskrise geworden. Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank hat ihren Wert. Dass wir gemeinsame Marktaufsichtsstrukturen brauchen, ist wahr. Wir haben Vorschläge dazu gemacht. Sie haben gesagt, Sie wollen bei der Finanzmarktaufsicht die Rolle der Europäischen Zentralbank stärken. Das ist das, was Ihnen für Europa vorschwebt. Aber wie wollen Sie in Europa eine vernünftige Bankenaufsicht durchsetzen, wenn es Ihnen nicht einmal gelingt, hinsichtlich der nationalen Neuregelung der Bankenaufsicht innerhalb der Regierungskoalition Einigkeit herzustellen?
(Beifall bei der FDP)

Seit mehr als einem halben Jahr debattieren wir im Deutschen Bundestag über die Notwendigkeit, die zersplitterte deutsche Bankenaufsicht zusammenzufassen. Seit mehr als einem halben Jahr gelingt es Ihnen nicht, die Bankenaufsicht in Deutschland neu zu regeln. Wer in Europa Autorität haben will bei der Regelung der Bankenaufsicht, muss zuvor zeigen, dass er zu Hause, in Deutschland, seine Hausaufgaben machen kann.
(Beifall bei der FDP)

Schließlich, Herr Bundesaußenminister, bleibt die Frage, was in den letzten elf Jahren getan wurde. Sie können hier keine Regierungserklärung abgeben, dass wegen fehlender Regulierung Veränderungen bei der Bankenaufsicht notwendig sind, und heute und morgen beim Europäischen Rat so tun, also befänden Sie sich in einem Stadium der Unschuld. Sie tragen als Sozialdemokraten seit elf Jahren im Finanzministerium die Verantwortung für die Finanz- und Bankenaufsicht. Warum haben Sie nicht gehandelt?
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es ist Ihr Versagen, was hier heute auf der Tagesordnung steht.
Meine Damen und Herren, wir alle wissen, dass Europa auch in der Außenpolitik mit einer Stimme sprechen muss. Das sehen wir gerade in diesen Tagen bei der Debatte über den Iran. Ich glaube, es ist richtig, dass sich Europa hierzu äußert und sich einbringt. Es ist vernünftig, in der Außenpolitik wieder stärker mit einer Stimme zu sprechen. Wir wünschen Ihnen dafür Erfolg. Denn die junge Generation im Iran möchte Vertrauen in den Rechtsstaat haben können, möchte durch ihre Regierung nicht ihrer Möglichkeiten beraubt werden.

Wir hoffen, dass auch von dem bevorstehenden Gipfel ein gemeinsames europäisches Signal an diejenigen ausgeht, die im Augenblick unter Lebensgefahr auf der Straße für ihre Bürgerrechte und für die Demokratie streiten. Hoffentlich kann Europa es schaffen, mit einer Stimme aufzutreten. Das ist auch keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Iran, das ist eine Angelegenheit der Menschenrechte, und es gibt eine Pflicht zur Einmischung, wenn es um die Menschenrechte geht.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wir unterstützen das Anliegen der Bundesregierung, die Inkraftsetzung des Lissabon-Vertrages zu befördern. Dieses Anliegen ist richtig. Wir verstehen nicht diejenigen, die auch in Deutschland den Lissabon-Vertrag ablehnen. Auch wir wissen, dass der Lissabon-Vertrag nicht das Gelbe vom Ei ist, nicht in allem perfekt ist. Aber wir erkennen, dass er einen wesentlichen Fortschritt gegenüber dem Zustand, den wir haben, bringt. Vieles von dem, was Europa vorgeworfen wird, wird durch den Lissabon-Vertrag reformiert. Wenn man in Europa das Beste nicht bekommen kann, dann soll man das Zweitbeste nehmen.
(Beifall bei der FDP)

Wir haben es geschafft, dass wir in Europa mittlerweile ein riesiger Binnenmarkt mit politischen Institutionen geworden sind. Das war ein Prozess für den Frieden. Eine wesentliche Voraussetzung dieses Prozesses für den Frieden nach Jahrzehnten und Jahrhunderten des Krieges auf unserem Kontinent ist die Tatsache, dass sich kein Land über ein anderes erhebt.

In den letzten Jahren haben wir sorgenvoll beobachtet, dass sich die kleinen Länder mittlerweile oft genug nicht mehr auf gleicher Augenhöhe respektvoll behandelt fühlen. Es gibt eine gute Lehre aus der Regierungszeit von Helmut Kohl und Hans-Dietrich Genscher, nämlich die, dass in der Europapolitik Luxemburg eben nicht kleiner als Frankreich ist und dass alle Staaten, gleich welche geografische Größe oder welche Bevölkerungszahl sie haben, gemeinsam und respektvoll auf gleicher Augenhöhe miteinander reden.

Herr Bundesaußenminister, deswegen wäre es richtig, wenn Sie auch ein Wort an unsere kleineren Nachbarländer richten würden. Mit der Kavallerie droht man unseren Nachbarländern nicht. Das ist ein Thema der Außenpolitik und nicht nur der Finanzpolitik.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das mag sich hier als Satire anhören, in diesen Ländern ist das aber von großer Bedeutung. Das zu beachten, ist auch notwendig; denn um unsere eigenen Interessen durchsetzen zu können, müssen wir auch auf die kleineren Länder setzen.

Wie nötig das ist, werden wir bereits jetzt sehen, wenn es um die Personalentscheidungen geht. Herr Bundesaußenminister, dazu hätten wir in der Regierungserklärung gerne etwas gehört.
(Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Genau! - Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das stimmt!)

Wie kann es sein, dass zu einem der wichtigsten Anliegen in den nächsten beiden Tagen, nämlich zu der Frage, wer in Europa wo was zu sagen hat, in der Regierungserklärung kein einziges Wort verloren wird? Was ist das für eine Regierungserklärung?
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir als Parlamentarier werden doch veräppelt, wenn Sie zu der wichtigsten Frage hier nichts sagen.

Warum sagen Sie dazu nichts? Sie sagen dazu nichts, weil Sie sich natürlich wieder nicht einig sind. Ich habe gehört, dass die stellvertretende Chefin der SPD-Fraktion über den Präsidenten gesagt hat, dass Barroso kein starker Kommissionspräsident war. Wörtlich sagte sie: Deswegen sind wir in der SPD dagegen, dass Barroso erneut Kommissionspräsident wird. Ist das die Haltung der Bundesregierung? (Volker Kauder (CDU/CSU): Nein!)

Hat die Bundesregierung überhaupt eine Haltung?
(Heiterkeit Zurufe von der CDU/CSU: Ja! Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nicht eine, sondern mehrere!)

Es ist eine wirklich glückliche Stunde in diesem Parlament, dass wenigstens die Parlamentarier noch an diesen Unfug glauben.
(Heiterkeit und Beifall bei der FDP)

Es ist Treppenwitz, dass in einer Regierungserklärung nichts zu den künftigen Machtverhältnissen in Europa gesagt wird. Sie verhandeln längst und äußern sich dazu öffentlich, aber das Parlament soll dazu nichts erfahren. Sie wollen, dass Europa in der Welt stark ist, indem wir mit einer Stimme sprechen da haben Sie recht, aber Deutschland ist in Europa nur stark, wenn wir eine Regierung haben, die mit einer Stimme spricht. Sie aber sind ein vielstimmiger Chor. Dadurch werden die deutschen Interessen in Europa geschwächt.


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drucken  als PDF  an Freund senden  Grußwort von Staatssekretär Reinhard Silberberg auf der Tagung der Evangelischen Akademie anlässlich des 100. Geburtstages von Adam von Trott zu Solz WESTERWELLE zum Tode von LORD RALF DAHRENDORF
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Datum: 19.06.2009 - 12:41 Uhr
Sprache: Deutsch
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