WESTERWELLE-Interview für "Impulse

WESTERWELLE-Interview für "Impulse

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WESTERWELLE-Interview für "Impulse"



(pressrelations) - n. Der FDP-Partei- und -Fraktionsvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab "Impulse" (Juli-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten DR. NIKOLAUS FÖRSTER, ANDREAS THEYSSEN sowie die drei Unternehmer STEFAN MESSER, FRANZ-JOSEF FISCHER und TURADJ ZARINFAR:

Frage: Herr Westerwelle, Arcandor ist pleite, der Staat ist dieses Mal nicht als Retter eingesprungen. Freut Sie das?

WESTERWELLE: Niemand freut sich darüber, wenn ein Unternehmen pleite geht, wenn auch nur ein einziger Arbeitsplatz gefährdet ist, wenn Frauen und Männer um ihre Zukunft fürchten. Ich habe gerade erst mit Betroffenen von Karstadt in Recklinghausen gesprochen. Ich kann mit diesen Familien nur von ganzem Herzen mitfühlen.

Frage: Also muss der Staat doch helfen?

WESTERWELLE: Wenn man im Bundestag sitzt, ist man Vertreter des ganzen Volkes und nicht nur der von einer Insolvenz Betroffenen. Dann muss man zu der Erkenntnis kommen, dass der Staat nicht der bessere Unternehmer ist, nicht der bessere Banker und dass wir nicht ein Großunternehmen nach dem anderen mit Steuergeldern retten können. Dieses Geld fehlt dann für Strukturreformen oder bessere Bildung, so dass uns am Schluss viel Wohlstand und vor allem Dingen viele Arbeitsplätze verloren gehen.
Frage: Wo wir vom fehlenden Geld reden, woher wollen Sie das Geld nehmen für die vielen Steuergeschenke, die Sie in Ihrem Wahlprogramm den Bürgern ? den Jüngeren, den Älteren, den Unternehmern ? versprechen?

WESTERWELLE: Lassen Sie sich niemals von Union und SPD so das Hirn waschen, dass Sie das Wort "Steuergeschenke" übernehmen. Wenn der Staat einem Bürger, der Steuern zahlt, etwas weniger abnimmt, dann ist das kein Geschenk. Noch ist es nicht so, dass die Obrigkeit regiert, und wir die Untertanen sind. Aber zu Ihrer Frage: In unserem Sparbuch, das wir jedes Jahr veröffentlichen, haben wir 400 Vorschläge gemacht, wo der Staat bei seinen Ausgaben Milliarden sparen kann. Ich nenne mal drei Vorschläge: Als wir fünf Millionen Arbeitslose hatten, hatte die Bundesagentur für Arbeit rund 90 000 Beschäftigte. Jetzt haben wir etwa 3,5 Millionen Arbeitslose und die Bundesagentur hat mehr als 100 000 Beschäftigte. Niemand erzählt mir, dass keine Effizienzreserven im deutschen Staatswesen vorhanden sind. Nehmen wir die Planwirtschaft im Gesundheitswesen. Durch diesen Kassensozialismus, der durch die Gesundheitsreform eingeführt wurde, werden dort Milliardenbeträge versenkt. Ein wirklicher Beitrag zur Gesundung der deutschen Staatsfinanzen wäre, Ulla Schmidt in die Pension zu schicken. Und schließlich: Warum zahlen wir noch Entwicklungshilfe an China, obwohl uns das Land als Wirtschaftsnation eingeholt hat?



Frage: In unserem Unternehmen überlegen wir jeden Tag, welchen Zusatznutzen wir unseren Kunden, den Mitarbeitern, der Gesellschaft bieten können. Welchen Nutzen wird die FDP den Bürgern bieten, falls sie wieder mitregiert?

WESTERWELLE: Dass sich die Arbeit wieder lohnt. Das ist für mich der Schlüssel zum Wohlstand unseres Landes. Es geht mir da zu allererst darum, dass die allein erziehende Mutter, die morgens aufsteht und den Buckel krumm macht, abends auch was nach Hause bringt. Oder dass der Familienvater, der Überstunden klopft, abends was für die Familie nach Hause bringt. Die Industrieländerorganisation OECD hat gerade eine Untersuchung veröffentlicht, laut der in keinem anderen vergleichbaren OECD-Land die Steuer- und Abgabenbelastung kleiner und mittlerer Einkommen so hoch ist wie in Deutschland ? bis zu 52,5 Prozent des durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommens gehen mittlerweile an den Staat. Im Augenblick ist derjenige, der arbeitet, der Depp der Nation. Wir brauchen deshalb ein neues, faires Steuersystem.

Frage: Als ich einer Mitarbeiterin erzählte, dass ich Sie treffe, sagte sie: Die FDP tut ja nur was für Unternehmer. Was kann ich ihr ausrichten? Was tun Sie für Arbeitnehmer?

WESTERWELLE: In unserem Steuersystem zahlt eine vierköpfige Durchschnittsfamilie überhaupt erst ab 40 000 Euro Jahresverdienst Lohn- und Einkommensteuer, weil wir für Kinder endlich den gleichen Grundfreibetrag wie für Erwachsene einführen. Generell gilt: Wirtschaftlich vernünftige Politik ist zugleich die sozialste, die es gibt. Wir wollen ein faires Steuersystem schaffen, damit sich Leistung wieder lohnt, damit das ganz normale Leben wieder bezahlbar wird. Ganz Deutschland redet über soziale Gerechtigkeit, aber keiner über Leistungsgerechtigkeit, obwohl sie die Voraussetzung für soziale Gerechtigkeit ist. Die Kinder eines Arbeitnehmers werden bessere Bildungschancen haben. Bei uns werden Bürgerrechte wieder respektvoll behandelt. Wir wollen eine Umweltpolitik, die wieder den Verstand einschaltet, sowie eine Außenpolitik, die auf Frieden und Abrüstung mit eigenen deutschen Initiativen setzt.

Frage: Wir alle hier wollen unsere Unternehmen mal an die nächste Generation übergeben. Die Erbschaftsteuerreform hat sicherlich einige kleine Verbesserungen gebracht. Aber im Großen und Ganzen ist das ein Wahnsinn, was da auf den Tisch gekommen ist. Geht die FDP da noch mal ran?

WESTERWELLE: Bei einer Betriebsübergabe ist es ja schon schwierig genug, die nächste Generation davon zu überzeugen weiterzumachen. Jetzt wird sie durch dieses bürokratische System noch mehr verschreckt. Die Reform, die von Schwarz-Rot verbrochen wurde, leider auch unter dem törichten Beifall großer Wirtschaftsverbände in Berlin, hat zwei wirkliche Strukturprobleme. Es ist staatliche Piraterie, Familienangehörige ? Bruder, Schwester, Neffe, Nichte, Onkel, Tante ? wie Fremde zu behandeln und ihnen 30 bis 50 Prozent Erbschaftsteuer abzunehmen. Das zweite Problem: Es ist völlig unpraktikabel zu glauben, ein mittelständischer Unternehmer wäre in der Lage, seine Umsatz- und Lohnsummenentwicklung für die nächsten sieben oder zehn Jahre vorauszusagen. Das ist Planwirtschaft. In meinen Augen ist es einer der größten Sündenfälle der Unionsparteien, dass sie diese familien- und mittelstandsfeindliche Erbschaftsteuerreform beschlossen haben. Wenn wir einen Regierungsauftrag bekommen, werden wir sie nach der Bundestagswahl ändern.

Frage: Wie stehen die Chancen?

WESTERWELLE: Ich bin nicht der Auffassung, dass man an dieser Stelle aufgeben soll, zumal viele Länder in Europa die Erbschaftsteuer ganz abgeschafft haben. Ob wir das mit der Union, die ja sehr sozialdemokratisch infiziert ist, sofort und in blau-gelber Reinkultur hinbekommen, werden wir sehen. Als ersten Schritt wollen wir jedenfalls erreichen, dass die Länder, denen ja auch die Einnahmen zugute kommen, die Hoheit über die Erbschaftsteuer bekommen. Das führt dann zum ersten Mal zu einem ganz gesunden Wettbewerb der Bundesländer untereinander in Richtung weniger Steuern.

Frage: Wann bekommt der Mittelstand denn mal eine echte Lobby in Berlin?

WESTERWELLE: Sie haben eine Lobby ? die FDP. Der Mittelstand verhindert die Spaltung der Gesellschaft in arm und reich. Er schafft die Arbeitsplätze, die Ausbildungsplätze, bringt das Gros der Steuereinnahmen. Die beste Sozialpolitik, die Sie als Politiker machen können, ist den Mittelstand zu stärken. Wenn Sie sich die Unternehmensteuerreform ansehen: Das ist alles zu Lasten des Mittelstandes gegangen. Und wenn Sie sich mal die ganzen Staatsinterventionen wie bei Opel ansehen ? diese Regierung ist so Dax-hörig, übrigens genauso wie zuvor Rot-Grün.

Frage: Das haben wir auch aus Algerien gehört, wo wir engagiert sind. Als die Bundeskanzlerin vor einiger Zeit dort war, gab es auch ein Abendessen mit dem Staatspräsidenten. Die Vorgabe aus dem Kanzleramt war, dass am Tisch der Kanzlerin nur Vorstände aus Dax-Unternehmen sitzen durften?

WESTERWELLE: ?so ist es?

Frage: ?wir wollten, dass am Tisch auch Mittelständler sitzen. Da hieß es: Nein, halten Sie sich bitte an die Anweisungen. Fertig.

WESTERWELLE: Das ist, was ich kritisiere. In ihrer Dax-Hörigkeit vergisst diese Regierung, dass dort der kleinste Teil der Arbeitsplätze ist. Mich persönlich erschreckt das. Denn wenn Mittelschicht und Mittelstand weiter schrumpfen, wachen wir in ein paar Jahren in einem anderen Land auf.

Frage: Das chinesische Schriftzeichen für Krise heißt auch Chance. Wie sieht das die FDP?

WESTERWELLE: Ich will mit einem Zitat von Hillary Clinton antworten: Never miss a good crisis. Aber wer nur die Krise verwaltet, statt die Zukunft zu gestalten, wer nur Opel und Abwrackprämie im Kopf hat, um irgendwie über die Bundestagswahl zu kommen, der hat dann keine Kraft mehr für die dringend notwendigen Strukturreformen. Ich glaube übrigens, dass wir heute viel mehr entscheiden als nur die Frage, ob wir aus dieser Krise herauskommen werden. Wir entscheiden, auf welchem Tabellenplatz in der Welt wir in 20 Jahren stehen, wovon wir morgen leben werden.

Frage: Wo Sie Hillary Clinton erwähnen: Ist die neue US-Regierung und ihre Politik für Sie eine Messlatte, wenn Sie Außenminister sind?

WESTERWELLE: Das hat Ihnen doch IMPULSE gesagt, dass Sie diese nette Frage stellen sollen, oder?

Frage: Nein.

WESTERWELLE: Das Fell des Bären verteilen wir erst nach der Wahl. Ich habe viel zu viel Respekt vor dem Wähler, als dass ich vorher Ämter beanspruche. Nur soviel: Wir machen eine europäische, eine deutsche Außenpolitik, im besten Sinne eingebettet in die internationale Staatengemeinschaft. Die Außenpolitik muss werte- und interessengeleitet sein. Sie sollte erkennen, dass sie alle Staaten in Europa, ob groß oder klein, respektvoll behandelt. Wenn man Luxemburg, Österreich oder der Schweiz mit der Peitsche oder Kavallerie droht, mag sich das lustig anhören. Aber Länder, die vor etwas mehr als einem halben Jahrhundert von uns besetzt oder zumindest bedroht wurden, finden das gar nicht lustig. Wir wollen unsere Ziele in Verhandlungen durchsetzen, aber nicht, indem wir unsere Nachbarn einschüchtern.

Frage: Wie wollen Sie verhindern, dass energieintensive Unternehmen weiter wegen der hohen Kosten abwandern?

WESTERWELLE: Dazu drei Punkte. Das Energieangebot muss uns unabhängiger vom Ausland machen, damit wir weder erpressbar noch Preisdiktaten ausgeliefert sind. Wer in der Regierung die außenpolitische Dimension des Gasstreits Russland/Ukraine nicht verstehen will, dem ist nicht zu helfen. Zum zweiten brauchen wir noch für einige Jahre Überbrückungstechnologien, also fossile Rohstoffe, auch Kerntechnik. Es macht keinen Sinn, dass man bei uns aus ideologischen Gründen aus den sichersten Kraftwerken aussteigt oder den Neubau neuer Kohlekraftwerke verhindert, die viel sauberer und effizienter sind als die alten. Und wir brauchen unbedingt mehr Wettbewerb im Energiesektor. Das ist der beste Verbraucherschutz.

Frage: Angenommen, Sie kommen wieder in die Bundesregierung. Welche Unterstützung erwarten Sie dann von uns Unternehmern?

WESTERWELLE: Ich erwarte von Unternehmern und insbesondere von den Wirtschaftsverbänden, dass sie sich an Ordnungspolitik und soziale Marktwirtschaft nicht nur solange erinnern, wie es ihnen betriebswirtschaftlich in den Kram passt. Und dass sie nicht nach der Abwrackprämie rufen, sobald es ihnen schlechter geht. Das war für mich ein Lehrstück. Ich bin mir im Klaren, dass wir keinen Beifall von den Verbänden bekommen werden, wenn wir Subventionen kürzen. Wenn wir diese Form der Planwirtschaft beenden, werden wir viel Ärger kriegen: von Gewerkschaftsfunktionären, SPD, Grünen und auch von manchen Wirtschaftslobbyisten, die Ideen wie die Abwrackprämie fürs eigene Portemonnaie ganz angenehm fanden.


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Datum: 25.06.2009 - 13:41 Uhr
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