Innovatives Konzept für umweltfreundlichere Lebensmittel-Erzeugung
Die Niederlande sind bekannt für ungewöhnliche Lösungsansätze. Unter dem Titel „Polydome“ hat die Rotterdamer Consultingfirma Except im Auftrag der Stiftung SIGN (Stichting Innovatie Glastuinbouw Nederland) ein zukunftsorientiertes Konzept für einen nachhaltigen Unterglasanbau entwickelt. Eine Großstadt wie Rotterdam könnte auf diese Weise auf nur 3 Prozent der Stadtfläche 80 Prozent des Lebensmittelbedarfs marktnah erzeugen.
Das Polydome‐Gewächshaus gleicht eher einem Ökosystem unter Glas als einer industriellen Produktionsanlage. Neben Obst und Gemüse ist der Anbau zahlreicher weiterer Kulturpflanzen in Kombination mit einer integrierten Tierhaltung vorgesehen. Das Produktionsprogramm orientiert sich an der lokalen Nachfrage. Es besteht aus symbiotischen Pflanzengesellschaften („Cluster“), die den Raum und die Nährstoffe optimal nutzen können. Ein ausgeklügelter Fruchtfolgeplan soll den Anbau von über fünfzig Kulturpflanzen und zwei Pilzarten unter Glas ermöglichen. Dabei werden mehrjährige Pflanzen wie z. B. Obstbäume an der nördlichen Seite des Gewächshauses kultiviert. In Richtung der nach Süden ausgerichteten Stehwand folgen dann zunehmend kleinere Pflanzen mit kürzerer Lebensdauer wie z.B. Bohnen, Gurken und Möhren. Auch der vertikale Raum soll effizient genutzt werden, etwa durch den Anbau von diversen Kräutern in hängenden Bewässerungskanälen.
Biodiversität hat viele Vorteilen
Außerdem sollen in bestimmten Zonen freilaufende Hühner, Fische und Bienen zur Fleisch‐, Eier‐ und Honigproduktion im Gewächshaus leben. Der hohe Grad an Biodiversität im Produktionsprogramm hat Aussagen der Berater zufolge zahlreiche Vorteile: Beispielsweise sei die Anfälligkeit für Krankheiten und Schädlingsbefall geringer als in Monokulturen. Der Einsatz von Pestiziden und chemisch‐synthetischer Düngemittel entfalle. Die Kompostierung und der Pilzanbau begünstigten einen hohen Kohlendioxidgehalt der Innenluft und damit ein intensiveres Pflanzenwachstum. Und der „Abfall“ aus den unterschiedlichen Produktionszweigen könne als Rohstoff für andere Produktionsrichtungen genutzt werden. So werden Pflanzenreste als Mulch, Kompost oder Fischfutter eingesetzt und die tierischen Ausscheidungen als Düngemittel. Die mögliche Jahresproduktion beziffert das Beratungsunternehmen auf bis zu achtzig Kilogramm Biomasse pro Quadratmeter. Eine Großstadt wie Rotterdam könne auf diese Weise auf nur 3 Prozent der Stadtfläche 80 Prozent des Lebensmittelbedarfs marktnah erzeugen.
Geschlossenes System
Neben dem hohen Grad an Biodiversität setzt Except auf eine dezentrale Energie‐Selbstversorgung des Gewächshauses. Dabei haben sich die Berater vom niederländischen Forschungs‐ und Förderprogramm „Gewächshaus als Energiequelle“ (Kas als Energiebron) inspirieren lassen. Das Polydome‐Gewächshaus soll als geschlossenes System betrieben werden: In den Frühjahrs‐, Sommerund Herbstmonaten wird überschüssige Wärme im Gegensatz zum herkömmlichen Unterglasanbau nicht über die Lüftung abgeführt, sondern mit Hilfe von Wärmetauschern gespeichert. Dabei dient kaltes Grundwasser als Kühl‐ und Speichermedium. Das erwärmte Grundwasser wird dann in die Erde zurückgepumpt. Im Winter soll das erwärmte Grundwasser zum Heizen wieder in die Wärmetauscher des Gewächshauses hochgepumpt werden. Auf diese Weise können Except zufolge Energieeinsparungen von rund 30 % erzielt werden. Wenn es der Standort ermöglicht, kann auch Erdwärme zum Heizen genutzt werden ‐ mit Einsparungen an fossiler Energie von bis zu 80 Prozent. Der Verzicht auf die Lüftung im geschlossenen System führe zudem zu einer hohen Kohlendioxid‐ Konzentration im Gewächshaus. Dadurch könne der Pflanzenertrag um rund 20 Prozent gesteigert werden.
Solartechnologie
Das Heizsystem kann nach den Vorstellungen der Beratungsagentur durch solarthermische Technologien ergänzt werden. Darüber hinaus schlagen die Berater die Nutzung von Photovoltaik‐ Systemen zur Stromerzeugung vor. Entsprechende Versuchsprojekte werden zurzeit in den Niederlanden erfolgreich durchgeführt: mit dem so genannten Elkas wird Elektrizität ausschließlich mit Solartechnik erzeugt. Ein weiteres Beispiel ist das „Daylight System“ der Firma Technokas, das mit Hilfe von Fresnel‐Linsen direktes Sonnenlicht in Strom umwandelt.
Biogas und LED‐Licht
Mit der im Gewächshaus anfallenden Biomasse, wie z. B. Dung und Pflanzenreste, könnte den Experten zufolge eine eigene Biogasanlage zur Strom‐ und Wärmeerzeugung betrieben werden. Darüber hinaus ließe sich die Energienutzung durch den Einsatz von sensorgesteuerten Leuchtdioden (LED) effizienter gestalten. Auf diese Weise sei das Lichtspektrum besser zu kontrollieren und auf den Entwicklungsstand der Pflanzen abzustimmen. (Klaus Knippertz)
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Bereitgestellt von Benutzer: knippertz
Datum: 02.09.2011 - 16:36 Uhr
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Energie & Umwelt
Art der Fachartikel: Erfolgsprojekt
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Freigabedatum: 02.09.2011
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