Justizminister Hahn stellt Entwurf Hessischer Vollzugsgesetze vor
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"Um einen Staat zu beurteilen, muss man sich seine Gefängnisse von innen ansehen." (Leo Nikolajewitsch Graf Tolstoi)
Justizminister Hahn stellt Entwurf Hessischer Vollzugsgesetze vor
Hessen habe mit dem 2007 verabschiedeten Hessischen Jugendstrafvollzugsgesetz (HessJStVollzG) bereits gute Erfahrungen gemacht. Hierauf baue man nun bei den weiteren Vollzugsgesetzen auf.
"Mit dem Gesetzentwurf nimmt Hessen die den Bundesländern im Zuge der Föderalismusreform I übertragene Gesetzgebungskompetenz wahr und schafft nach dem Jugendstrafvollzugsgesetz nun auch ein modernes Erwachsenenstrafvollzugs- und eine Untersuchungshaftvollzugsgesetz, die den Anforderungen an einen rechtsstaatlichen Strafvollzug und Vollzug der Untersuchungshaft umfassend Rechnung tragen", erklärte der Minister.
Erwachsenenstrafvollzug
Im Erwachsenenstrafvollzug nutze der vorgelegte Entwurf die gesamte Bandbreite der Ziele des Strafvollzugs zwischen Sicherheit einerseits und Resozialisierung andererseits voll aus. "Mit der Festlegung auf den geschlossenen Vollzug als Regelvollzug und strengen Prüfungsmaßstäben bei der Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen akzentuiert der vorliegende Entwurf einerseits
den Aspekt der Sicherheit. Andererseits betont er aber mit speziellen Betreuungs- und Behandlungsmaßnahmen, der Stärkung der regelmäßigen Arbeit, der verbesserten Entlassungsvorbereitung mit einem verzahnten Übergangsmanagement den Resozialisierungsgedanken.", erklärte der Justizminister.
Der Entwurf sei von folgenden Leitlinien geprägt:
- Eingliederung und Sicherheit der Allgemeinheit werden als gleichrangige Vollzugsaufgaben normiert.
- Das Angebot vollzuglicher Maßnahmen erfolgt zielgerichtet. Gefangene sollen an ihrer Eingliederung aktiv mitarbeiten. Der Grundsatz der Differenzierung wird ausdrücklich als Gestaltungsziel festgeschrieben.
- Der Gesichtspunkt des Opferschutzes wird ausdrücklich gesetzlich verankert.
- Der geschlossene Vollzug ist der Regelvollzug. Für die Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen gilt ein strenger Prüfungsmaßstab.
- Die Entlassungsvorbereitung wird durch Übernahme des Übergangsgangsmanagement aus dem Jugendvollzug auch für den Erwachsenenbereich deutlich ausgebaut.
- Einzelunterbringung wird zur Regel, Mehrfachbelegung mit mehr als drei Gefangenen ist unzulässig.
- Arbeit wird als zentrales Mittel der Eingliederung ausgestaltet.
- Die Übernahme der Vorschriften zum Schutze der Anstalten, der Gefangenen und der Bediensteten aus dem Bereich des HessJStVollzG gewährleistet ein Höchstmaß an Sicherheit. Insoweit sind zu nennen: Suchtmittelkontrollen, Videoüberwachung (Besuch und Anstalt allgemein), Besuchsüberwachung mittels Trennscheiben, Kein Paketempfang von Nahrungs- und Genussmitteln, Mobilfunkunterdrückung, Einsatz von Drogenspürhunden.
"Die Akzentuierung des Resozialisierungsgedanken führt zu einem erhöhten Stellenbedarf. Daher sind mit dem Entwurf zusätzliche 20 Stellen im Justizvollzugsdienst, u.a. für Bewährungshelfer, für den allgemeinen Vollzugsdienst, für Sozialarbeiter und Psychologen verbunden. Diese zusätzlichen Stellen dienen der frühzeitigen Zusammenarbeit der Anstalt mit der Bewährungshilfe und den freien Trägern zum Ausbau des Übergangsmanagements und therapeutischen Behandlungsmaßnahmen.", erklärte Hahn.
Vollzug der Untersuchungshaft
"Besonders einschneidend ist der Vollzug der Untersuchungshaft. Anders als beim Strafvollzug, der sich immer erst an eine rechtskräftige Verurteilung durch ein Gericht anschließt, geht es bei der Untersuchungshaft um die Inhaftierung eines Verdächtigen, der unter dem Schutz der Unschuldsvermutung steht, und seine Inhaftierung insbesondere wegen Flucht- oder Verdunklungsgefahr erforderlich ist. Daher ist beim Vollzug der Untersuchungshaft die Unschuldsvermutung als tragende Säule eines Rechtsstaats besonders zu beachten.", erklärte der Justizminister.
Das Hessische Untersuchungshaftvollzugsgesetz sei von folgenden Leitlinien geprägt:
- Vollzugsaufgabe ist die sichere Unterbringung
- Die Stellung der Untersuchungsgefangenen orientiert sich an der Unschuldsvermutung. Auch die Gestaltung des Vollzugs ist an dieser Maxime auszurichten, soweit verfahrenssichernde Anordnungen oder vollzugliche Erfordernisse das zulassen.
- Die Zuständigkeiten für Entscheidungen im Bereich der Verfahrenssicherung und im Bereich der vollzuglichen Ausgestaltung werden entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben neu geregelt.
- Die getrennte Unterbringung von Strafgefangenen und die Einzelunterbringung zur Nachtzeit werden als Regelformen festgeschrieben.
- Die Schlechterstellung von Untersuchungsgefangenen im Bereich der Entlohnung im Vergleich zu Strafgefangenen wird aufgehoben. Jedem arbeitswilligen Untersuchungsgefangenen soll nach Möglichkeit eine Beschäftigung angeboten werden.
- Das Gesetz enthält spezielle Regelungen zum Vollzug der Untersuchungshaft bei jungen Untersuchungsgefangenen, die die hohen Standards des HessJStVollzG auf den Bereich der Untersuchungshaft übertragen, soweit dies mit der Unschuldsvermutung vereinbar ist.
- Die Übernahme der Vorschriften zum Schutze der Anstalten, der Untersuchungsgefangenen und der Bediensteten aus dem Bereich der Hessischen Strafvollzugsgesetze gewährleistet ein Höchstmaß an Sicherheit.
Die in dem Entwurf vorgesehene Unterbringung junger Untersuchungshaftgefangener in Wohngruppen und die Förderung des Arbeits- und Beschäftigungsangebots mache zusätzliche 15 Stellen insbesondere für Werkbedienstete, Sozialarbeiter und Lehrer erforderlich.
Hintergrund:
Durch die Föderalismusreform I sind der Strafvollzug, insbesondere der Vollzug der Freiheits- und der Jugendstrafe, und der Untersuchungshaftvollzug in das ausschließliche Gesetzgebungsrecht der Länder überantwortet worden. Hiervon hat der hessische Gesetzgeber bereits durch Schaffung des Hessischen Jugendstrafvollzugsgesetzes (HessJStVollzG) vom 19. November
2007 Gebrauch gemacht. Im Erwachsenenstrafvollzug gelten bis zu einer landesrechtlichen Regelung weiterhin das Bundes-Strafvollzugsgesetz und für den Vollzug der Untersuchungshaft § 119 Strafprozessordnung und § 93 Jugendgerichtsgesetz in Verbindung mit der Untersuchungshaft-Vollzugsordnung (UVollzO) als Verwaltungsvorschrift.
Der Referentenentwurf durchlief am 6. Juli 2009 den ersten Kabinettdurchgang. Er wurde im Rahmen der Regierungsanhörung den Fraktionen im Hessischen Landtag, Gerichten und Behörden, sowie den betroffenen und interessierten Verbänden und Interessenvertretungen übersandt. Nach der Bewertung und Einarbeitung der hieraus gewonnenen Erkenntnisse ist mit einer Einbringung in den Hessischen Landtag im Herbst 2009 zu rechnen.
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Datum: 24.07.2009 - 20:05 Uhr
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