Aachener Nachrichten: Das Ende eines Tabus - Linke, SPD und Grüne einigen sich in Thüringen auf einen Koalitionsvertrag. Von Joachim Zinsen
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Thüringens aus: In dem Bundesland soll es künftig ein kostenfreies
Kita-Jahr geben, es soll mehr Geld in Schulen fließen und
Geringverdiener sollen staatlich geförderte Arbeitsmöglichkeiten
angeboten bekommen. Was an den Kernpunkten des rot-rot-grünen
Koalitionsvertrags revolutionär ist? Keine Ahnung. Allenfalls der
Beschluss, den Verfassungsschutz des Landes völlig umzukrempeln,
versprüht ein wenig Radikalität. Die aber ist dringend notwendig
angesichts einer "Sicherheitsbehörde", die im Fall der
NSU-Terrortruppe eine - um es vorsichtig auszudrücken - äußerst
dubiose Rolle gespielt hat. Nein, auch wenn sich Rot-Rot-Grün in den
vergangenen Wochen einer Welle von Polemiken und Unterstellungen
ausgesetzt sah: Das angehende Reformbündnis plant keinen heimlichen
Marsch zurück in den Realsozialismus. Niemand von den Koalitionären
in spe trauert der DDR nach - schon gar nicht der designierte
Ministerpräsident Bodo Ramelow. Der Gewerkschafter und praktizierende
Christ hat das SED-Regime stets verurteilt, nie mit ihm paktiert, auf
keiner Blockflöte gespielt. Das unterscheidet ihn von manchen seiner
heutigen Kritiker. Ausdrücklich ist in der Präambel des
Koalitionsvertrags erwähnt, dass die DDR kein Rechtsstaat und in der
Konsequenz damit ein Unrechtsstaat war. Ausdrücklich wird in dem
Papier den Opfern des DDR-Regimes Unterstützung zugesichert.
Ausdrücklich sprechen sich Linke, SPD und Grüne dafür aus, das Leben
in der Alltagsdiktatur beispielhaft für die Bundesrepublik
aufzuarbeiten. Das sind glasklare Formulierungen. In der Linkspartei
werden sie sicherlich noch für Diskussionen sorgen. Aber mit ihnen
läuft künftig jeder Versuch, dem Bündnis eine Beschönigung der DDR zu
unterstellen und es deshalb moralisch zu tabuisieren, ins Leere.
Bunter und spannender Sollte der Erfurter Landtag sie Anfang Dezember
tatsächlich inthronisieren, wird sich Ramelows Regierung an anderen
Dingen messen lassen müssen - nämlich an ihren Versprechen. Dabei
wird sie unter besonders kritischer Beobachtung stehen. Zum einen von
den eigenen Anhängern. Deren Erwartungshaltung ist hoch. Gut möglich,
dass das ambitionierte Programm der neuen Bündnispartner an manchen
Stellen von der Schuldenbremse gestoppt wird. Zum anderen aber werden
CDU/CSU und die konservative Presse alles tun, gerade diese Koalition
zum Scheitern zu bringen. Denn natürlich weiß man dort: Erweist sich
das rot-rot-grüne Bündnis in Thüringen als stabil und erfolgreich,
hat das eine große Strahlkraft. Ob sie über die Länder im Osten
hinausreicht, gar die Bundesebene erreicht, darüber lässt sich
momentan nur spekulieren. Deutschlands politische Landschaft würde
jedenfalls bunter werden. Und spannender. Schlecht ist das nicht.
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Datum: 20.11.2014 - 17:52 Uhr
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