Rede von Dr. Guido Westerwelle am 8. September 2009 im Deutschen Bundestag
ID: 117088
Rede von Dr. Guido Westerwelle am 8. September 2009 im Deutschen Bundestag
Rede im Deutschen Bundestag am 8. September 2009
(Stenographisches Protokoll)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! An dem Beifall nach der Rede der Bundeskanzlerin hat man in diesem Hohen Hause wirklich lehrbuchartig sehen können, wo und in welcher Zerrüttung Zwangsehen enden.
Diese Große Koalition hat nie den Anspruch auf geistige Führung erhoben. Mal hat sich diese Große Koalition zusammengerauft; meistens hat sie sich nur gerauft. Sie wollte politischen Schlaglöchern aus dem Weg gehen. Das Ziel von Ihnen war immer nur, die nächste Kurve zu kriegen. In Wahrheit war diese Große Koalition im besten Fall ein Reparaturbetrieb für tagespolitische Probleme; mehr war sie nicht für unser Land.
(Beifall bei der FDP)
Es waren in Wahrheit vier verlorene Jahre. Sie haben Deutschland der Zukunft nicht näher gebracht. Sie haben Krisen verwaltet und vollständig darauf verzichtet, die Zukunft zu gestalten.
Frau Bundeskanzlerin, Sie haben hier gesagt, Deutschland sei 2009 stärker als 2005. Das ist eine interessante Sichtweise. Sie sind stärker verschuldet als 2005, so stark wie nie zuvor.
(Beifall bei der FDP)
Sie haben die Steuern so stark erhöht wie nie zuvor. Wir sind in der Gesundheitspolitik in der Planwirtschaft so stark wie noch nie zuvor. Sie haben mit dieser Regierung Deutschland nicht gestärkt. Es waren vier verlorene Jahre. Sie haben unser Land geschwächt. Sie haben es nicht in Ihrer eigenen Richtung vorangebracht.
(Beifall bei der FDP Hubertus Heil (SPD): Und mit denen wollen Sie koalieren?)
Aber auch bei dem Bereich, den Sie hier für sich reklamiert haben, gilt: Sie haben gar nicht mehr den Anspruch erhoben, wirklich perspektivisch Politik für unser Volk anzugehen.
(Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Das hat Frau Merkel nie gemacht!)
Sie haben als Regierungskoalition gar nicht mehr den Anspruch erhoben, zu sagen, wo unser Land in 10, 15, 20 Jahren stehen soll. Eigentlich befasst sich mittlerweile jede Regierungserklärung und jede Rede, die aus den Reihen der Regierung gehalten wird, nur mit der Tagespolitik.
Aber auch da, wo Sie meinen, Sie hätten besonders gut gewirkt, haben Sie in Wahrheit die meiste Zeit versagt. Ich denke insbesondere an die Bankenaufsicht. Die Bundeskanzlerin hat hier von dieser Stelle aus nach Ausbruch der Finanzkrise in einer Regierungserklärung angekündigt unter dem Beifall übrigens auch der Fraktion der CDU/CSU , dass die Bankenaufsicht in Deutschland neu und schlagkräftiger sortiert werden muss, weil die Zersplitterung bei dieser wichtigen Hoheitsaufgabe Lähmung bedeutet. Neun Monate ist diese Bankenkrise in Deutschland mittlerweile alt, und wir haben auch im Deutschen Bundestag die gesamte Zeit darüber diskutiert. Aber bis zur Stunde haben Sie in der Bankenaufsicht nichts zustande gebracht. Wir haben dieselbe verkorkste, zersplitterte Bankenaufsicht wie vor der Krise. Nicht einmal die Krise haben Sie richtig bewältigt und notwendige strukturelle Reformen eingeleitet.
(Beifall bei der FDP)
Wir brauchen eine Politik, die die Mittelschicht in unserem Land wieder stärkt. Der Rückgang der Mittelschicht ist aus unserer Sicht die gefährlichste Entwicklung, übrigens nicht nur der letzten vier Jahre, sondern der letzten zehn Jahre. Vor zehn Jahren hatte die Mittelschicht in unserer Gesellschaft einen Anteil von ungefähr zwei Dritteln. Heute muss man feststellen, dass die Mittelschicht in unserem Land nur noch etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmacht. Das heißt, die Mittelschicht schrumpft. Das ist in Wahrheit die Herausforderung für die Gesellschaftspolitik in unserem Land. Denn wir wollen keine Gesellschaft, die nur noch aus Arm und Reich besteht. Vielmehr brauchen wir eine starke Mittelschicht, die in unserer Gesellschaft gewissermaßen als Klammer dient. Wenn die Mittelschicht schrumpft, dann wachsen Spaltung und Ungerechtigkeit in unserem Land.
Aus diesem Grund brauchen wir einen Neuanfang mit einem fairen Steuersystem in Deutschland.
(Beifall bei der FDP)
Nun heißt es, dass eine Politik der fairen Steuern nicht finanzierbar sei. Es heißt, dass die Vorschläge für ein faires Steuersystem, die wir vorgelegt haben, nicht umsetzbar seien. Das bestreite ich mit Nachdruck. Ich lasse mich auch nicht durch die angeblich amtlichen Berechnungen des Bundesfinanzministers bezüglich der Horrorkosten eines fairen Steuersystems irritieren.
Herr Minister Steinbrück, Sie werden ja in dieser Debatte noch reden.
(Volker Kauder (CDU/CSU): Was?)
Sie sind der Mann, der so viel Schulden gemacht hat wie kein Finanzminister zuvor.
(Beifall bei der FDP)
Sie haben in der gesamten Zeit in Bezug auf die Finanzpolitik immer falsch gelegen. Hören Sie doch wenigstens jetzt auf, den Leuten etwas Falsches vorzumachen! Sie sagen, Sie können kein faires Steuersystem in Deutschland durchsetzen. Dann gehen Sie; wir machen es, wir können es nämlich!
(Beifall bei der FDP - Hubertus Heil (SPD): Jetzt kommt das Plakat!)
Das kommt jetzt, Herr Heil. Sie freuen sich doch schon die ganze Zeit darauf.
(Hubertus Heil (SPD): Ich habe Herrn Kubicki gehört!)
Ich möchte nur kurz auf Folgendes aufmerksam machen: Ungefähr so viele SPD-Abgeordnete, wie jetzt hier sitzen, wären in Ihrer Fraktion, wenn Sie vor der letzten Bundestagswahl die Leute bezüglich der Mehrwertsteuer nicht betrogen hätten.
(Beifall bei der FDP Der Redner hält ein Plakat hoch)
Sie haben vor der Wahl überall auf dem Plakat heilige Eide geschworen, Sie würden die Bürger entlasten; eine Mehrwertsteuererhöhung gebe es nicht. Jeder von Ihnen, der hier sitzt, hat in Sachen Mehrwertsteuer die eigenen Wähler belogen, nur um an die Regierung zu kommen. Sie haben in Wahrheit unglaubwürdige Politik gemacht.
(Beifall bei der FDP - Hubertus Heil (SPD): Immer eine Spur zu laut, Herr Westerwelle! Sie waren doch vorhin so staatstragend! Was ist mit Ihnen los?)
Wir brauchen ein faires Steuersystem, das Arbeit und Anstrengung belohnt. Das ist möglich, und es ist auch dringend nötig. Damit müssen wir bei den Familien beginnen, indem wir die Familien entlasten. Nach dem Steuermodell, das Deutschland braucht, wäre eine vierköpfige Familie erst ab 40 000 Euro überhaupt steuerpflichtig. Das ist eine familienfreundliche Politik; das ist sozial.
Dass gewisse Gewerkschaftsfunktionäre mittlerweile dazu aufrufen, ausgerechnet die Partei, nämlich die SPD, zu wählen, die mit der Mehrwertsteuererhöhung um 3 Prozentpunkte die unsozialste Politik gegen Arbeitnehmer gemacht hat, die man machen konnte, finde ich ganz schön scheinheilig.
(Beifall bei der FDP Hubertus Heil (SPD): Sie sind scheinheilig!)
Ich habe nicht die Absicht, das in dieser Generaldebatte zu verschweigen.
Meine Damen und Herren, wir haben in den vergangenen vier Jahren jedes Jahr Vorschläge gemacht, wie der Staat Geld sparen kann.
(Christian Carstensen (SPD): Überall Studiengebühren eingeführt!)
Kein einziges Mal sind Sie darauf eingegangen. Stattdessen fangen Sie wieder an im Augenblick mit einer Schwarz-gelben-Socken-Kampagne , den Menschen in Deutschland Angst davor zu machen, dass Union und FDP die Mehrheit erlangen und in der nächsten Legislaturperiode an die Regierung kommen.
(Hubertus Heil (SPD): Kommen jetzt die Schuhsohlen?)
Dazu möchte ich Ihnen zunächst einmal sagen, dass es in Deutschland natürlich längst ganz anders läuft, als Sie glauben. Nach den letzten Landtagswahlen werden mit Sachsen die sechs größten Bundesländer von Union und FDP regiert. Das heißt, von etwas mehr als 80 Millionen Deutschen leben drei Viertel, nämlich 60 Millionen, mittlerweile in Ländern, die schwarz-gelbe Regierungen haben. In diesen Ländern kann jeder erkennen, dass soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Vernunft keine Gegensätze sind, sondern einander bedingen. Das werden wir auch auf Bundesebene durchsetzen.
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Monika Grütters (CDU/CSU))
Lassen Sie bitte Ihre seltsamen Entgleisungen sein, mit denen Sie in unsere Richtung zielen! Da sind zunächst einmal die Plakate, die Sie vor der letzten nationalen Wahl, der Europawahl, gedruckt haben; wir haben sie alle gesehen. Es ist schon eine Kunst - dafür haben Sie bei der Wahl die entsprechende Quittung kassiert -, dass die SPD auf jedem dritten Plakat vor den Haien der FDP gewarnt hat. Das ist deswegen drollig, weil Sie wissen, wie die Sache ausgegangen ist. Aber auch für uns liegt darin eine gewisse Ironie: Sie haben mehr Plakate gegen die FDP geklebt, als wir Plakate für uns kleben konnten.
(Beifall des Abg. Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) - Hubertus Heil (SPD): Oh!)
Das ist bemerkenswert, weil es nach hinten losgegangen ist.
Jetzt haben Sie sich etwas Neues ausgedacht. Weil ich in der letzten Woche eine, wie ich finde, Selbstverständlichkeit ausgesprochen habe, nämlich dass der Sozialstaat für die Bedürftigen und nicht für die Findigen da ist, höre ich beispielsweise von Ihrer Vizechefin, Frau Nahles:
(Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP): Wo ist sie denn überhaupt? Gegenruf des Abg. Hubertus Heil (SPD): Sie muss sich nicht jeden Unsinn von Ihnen anhören!)
Selten wurde in solcher Klarheit zum Ausdruck gebracht, dass liberale Politik zulasten der Schwächsten geht.
Ich möchte Ihnen einen Auszug aus einem bemerkenswerten Interview vortragen, das Gerhard Schröder, der immer noch der SPD angehört, einmal gegeben hat. Er hat als Bundeskanzler fast wörtlich das gesagt, wofür Sie mich jetzt im Augenblick kritisieren. Er hat nämlich gesagt: Wer arbeiten kann, aber nicht will, der kann nicht mit Solidarität rechnen. Es gibt kein Recht auf Faulheit in unserer Gesellschaft. - Ich habe das fast wortgleich gesagt.
(Hubertus Heil (SPD): Nehmen Sie sich nicht so wichtig, Herr Westerwelle!)
Es ist richtig: Früher hätte sich jeder anständige Sozialdemokrat hinter den anständigen, fleißigen Leuten versammelt und genau dasselbe gesagt. So weit sind Sie heute mit Ihrer linken Gehirnwäsche gekommen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Zurufe von der SPD: Oh! - Hubertus Heil (SPD): Sie nehmen sich zu wichtig, Herr Westerwelle! Sie können sich nicht mit Schröder messen! Joachim Poß (SPD): Jetzt entgleist er!)
Arbeit muss sich wieder lohnen. Deswegen war es falsch, dass die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung und insbesondere dieser Koalition in Wahrheit nur noch auf die ganz Großen und auf die ganz Kleinen gesetzt hat.
(Hubertus Heil (SPD): Ein Wichtigtuer! Joachim Poß (SPD): Das ist mit Daten und Fakten nicht zu belegen! Reine Erfindungen!)
Tatsächlich war es die Haushaltsvorlage mit Rekordverschuldung, warum wir diese Debatte heute angesetzt haben. Ich möchte darauf eingehen, weil es wichtig ist, darüber zu reden, wofür das Geld der Deutschen ausgegeben worden ist.
(Zuruf des Abg. Thomas Oppermann (SPD) - Joachim Poß (SPD): Ideologische Kopfgeburt!)
- Es mag ja sein, dass Sie es mit Ihrem Einfluss schaffen, zu verhindern, dass die Opposition Sie in den wichtigsten Fernsehsendungen stellen kann.
(Hubertus Heil (SPD): Das ist eine Verschwörungstheorie! Der arme Guido!)
Hier müssen Sie es aber ertragen, zu hören, was wir zu sagen haben.
(Beifall bei der FDP Hubertus Heil (SPD): Er ist wehleidig!)
Ich will darauf eingehen, wofür das Geld der Bürgerinnen und Bürger in Wahrheit ausgegeben worden ist. Da ist beispielsweise die Abwrackprämie, die jetzt ausläuft. 5 Milliarden Euro haben Sie sozusagen über Nacht für die Abwrackprämie gefunden. Das heißt, für alte Autos hatten wir in Deutschland mal eben 5 Milliarden Euro übrig. Gleichzeitig sagen Sie: Bei Bildung und Ausbildung geht es leider nicht; dafür haben wir zu wenig Geld in den Staatskassen.
Jetzt, wo die Abwrackprämie ausgelaufen ist, weiß jeder, was passiert. Wir wissen nämlich genau, dass die Menschen, die dieses Jahr ein Auto gekauft haben, dies im nächsten Jahr nicht noch einmal tun werden, weil es dieses Jahr so schön war. Das kostet natürlich Arbeitsplätze. Aber dieser Abbau findet nach der Bundestagswahl statt. Darum kann sich ja dann die nächste Bundesregierung, also wir, kümmern.
(Beifall bei der FDP - Zurufe von der SPD: Oh! Thomas Oppermann (SPD): Nicht so überheblich! Hochmut kommt vor dem Fall!)
Diese Art und Weise halte ich für völlig inakzeptabel. Die Reparaturwerkstätten und der Gebrauchtwagenhandel leiden darunter und sind zum Teil pleitegegangen. Sie haben nicht auf die Mittelständler geschaut, die aufgrund der Abwrackprämie pleitegegangen sind. Eine Regierung, die mal eben 5 Milliarden Euro für alte Autos übrig hat, soll nie wieder sagen, für faire Steuern und für bessere Bildung sei in Deutschland kein Geld vorhanden. Wir zeigen Ihnen, dass es besser geht.
(Beifall bei der FDP)
Wenn es eine Sache gibt außer dass die Mittelschicht geschrumpft ist, dass Sie dafür gesorgt haben, dass die Schulden immer höher werden, und dass von Ihnen immer höhere Steuern durchgesetzt worden sind; ich erinnere an den Wortbruch ,
(Joachim Poß (SPD): Das stimmt doch nicht! Es stimmt kein Satz! Der weiß gar nicht, worüber er redet!)
die unser Land in wirklich große Schwierigkeiten bringt, dann ist es insbesondere die Tatsache, dass Bildung als Bürgerrecht in Deutschland immer mehr infrage gestellt wird.
(Hubertus Heil (SPD): Die FDP führt Studiengebühren ein!)
Ich nenne Ihnen ein Beispiel ich rechne das einmal um, weil ein entsprechender Zuruf gemacht wurde : Die Mittel für die Abwrackprämie betrugen 5 Milliarden Euro. Mit diesen Mitteln könnte man ein perfektes Stipendienprogramm für Studenten elternunabhängig 25 Jahre lang zahlen.
(Hubertus Heil (SPD): Und Sie führen Studiengebühren ein! Schaffen Sie doch die Studiengebühren ab!)
Das Geld gehört in helle Köpfe
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
und nicht in alte Autos. Sie verstehen es nicht.
Im Zusammenhang mit der Bildung müssen wir festhalten, dass uns die OECD in diesem Jahr bescheinigt hat, dass in keinem vergleichbaren entwickelten Land der Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und den Bildungschancen eines Kindes so unerfreulich ist wie hier in Deutschland.
(Hubertus Heil (SPD): Deshalb führen Sie Studiengebühren ein! Super Idee!)
Sie können nicht so tun, als seien daran andere schuld. Sie meinen immer, für Krisen und Missstände sei die Opposition verantwortlich. Ich darf darauf aufmerksam machen: Sie regieren seit elf Jahren
(Hubertus Heil (SPD): Sie regieren mit den Ländern! Sie machen Studiengebühren! Niedersachsen, Baden-Württemberg, NRW!)
erst mit dem Finanzminister Lafontaine, dann mit dem Finanzminister Eichel und jetzt mit dem Finanzminister Steinbrück. Für die Prioritätensetzung, die in der Finanzpolitik falsch gelaufen ist, können Sie nicht die Opposition verantwortlich machen. Dafür sind Sie verantwortlich. Sie hatten die Macht. Sie haben nichts gemacht.
(Beifall bei der FDP)
Ich kann der Koalition insgesamt einen Vorwurf nicht ersparen.
(Volker Kauder (CDU/CSU): Was?)
Sie sagen, es gebe eine zersplitterte Bildungslandschaft. Frau Bundeskanzlerin, Sie sagen, eine Familie müsse auch umziehen können. Da haben Sie Recht; das alles ist richtig. Ich bin übrigens ein Anhänger dafür, dass es eine Kultus- bzw. Bildungshoheit der Länder gibt.
(Zurufe von der SPD: Aha!)
- Das ist für mich überhaupt keine Frage. Nur, eines möchte ich festhalten: Sie sagen, es werde den Menschen wegen der Bildungsunterschiede in Deutschland unmöglich gemacht, umzuziehen, und verschweigen dabei, dass Sie den Bereich Bildung mit Ihrer katastrophalen Föderalismusreform vermasselt haben.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Die Föderalismusreform hat doch die Zersplitterung der Bildungslandschaft befördert. Dafür tragen Sie gemeinsam die Verantwortung.
Meine Damen und Herren, es ist so, dass wir nicht nur beim Thema "Leistungsbereitschaft, Leistungsgerechtigkeit, soziale Verantwortung" und beim Thema Bildung in unserem Land nicht wirklich vorangekommen wären. Es ist auch notwendig, dass wir in dieser letzten Debatte, in der wir über diese vier Jahre der Großen Koalition Bilanz ziehen, über ein Kernanliegen, das gerade von der Bundeskanzlerin wieder verteidigt worden ist die Gesundheitsreform , reden. Diese Gesundheitsreform, die Sie in Kraft gesetzt haben, und der Gesundheitsfonds machen alles teurer, und nichts wird besser.
(Beifall bei der FDP)
Sie wissen das auch. Beitragserhöhungen waren die Folge. Im nächsten Jahr sollen so ist die Finanzplanung der Regierung allein 12 Milliarden Euro an Steuergeldern in das bürokratische Monstrum Gesundheitsfonds gesteckt werden.
Ich will hier in aller Ruhe und in großer Klarheit sagen auch Ihnen, meine Damen und Herren von der Union : Diese Gesundheitspolitik von Ulla Schmidt wird in einer Koalition aus Union und FDP beendet, weil sie zulasten der Bürgerinnen und Bürger in ganz Deutschland geht. Ich sage das, damit das klar ist.
(Beifall bei der FDP Thomas Oppermann (SPD): Klare Ansage!)
Ich freue mich Herr Ramsauer, Sie werden es sicherlich gleich Herrn Seehofer erzählen ,dass ich in ihm einen kräftigen Verbündeten haben werde.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Oder hat Herr Söder das, was er dazu gesagt hat, nicht in Abstimmung mit seiner Partei gesagt?
Meine Damen und Herren, es ist dringend notwendig, dass wir in dieser Richtung vorankommen. Wir haben in diesem Hause in den Generaldebatten über einen Bereich, der meines Erachtens durch eine erhebliche Verschlechterung gekennzeichnet ist, selten diskutiert. Ich will es trotzdem tun. Ich sprach eben von Bildung als Bürgerrecht. Das Thema, wie mit den Bürgerrechten insgesamt in den letzten Jahren umgegangen worden ist, müsste uns hier beschäftigen. Unter Rot-Grün mit Herrn Schily hat es begonnen; unter Schwarz-Rot mit Herr Schäuble wurde es fortgesetzt: Es hat noch nie so wenig Respekt seitens der Mehrheit gegenüber den Bürgerrechten gegeben. Noch nie wurden Entscheidungen einer Regierung vom Verfassungsgericht in Karlsruhe so oft kassiert. Das muss hier erwähnt werden.
(Beifall bei der FDP)
Wir halten es für einen wirklichen Fehler, dass man diese Politik weiter fortsetzt. Bürgerrechte sind die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger. Wir setzen darauf, dass sie stärker geschützt und respektiert werden. Gläserner Patient, gläserner Bankkunde, gläserner Steuerzahler, gläserner Autofahrer, Aufhebung des Bankgeheimnisses usw. usf. eine solche Politik darf es nicht länger geben.
Wie oft hört man von den Konservativen: Wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten.
(Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)
Sie rufen: Richtig! Das ist Obrigkeitsdenken.
(Hubertus Heil (SPD): Und mit denen wollen Sie koalieren?)
Jeder selbstbewusste Bürger in dieser Gesellschaft muss sagen: Weil ich nichts zu verbergen habe, verbitte ich es mir, vom Staat wie ein gemeiner Krimineller unter Generalverdacht gestellt und permanent überwacht zu werden. Das müsste in diesem Land unser Anspruch sein. Wir sind die Volksvertreter und damit auch diejenigen, die Bürgerrechte schützen sollen.
(Beifall bei der FDP ? Joachim Poß (SPD): Sie wollen nur die Steuerhinterzieher schützen!)
In der Energie- und Umweltpolitik ging es in Wahrheit nicht um einen rationalen Energiemix, sondern es herrschte Irrationalität. Zwar hat der Umweltminister Knut aus dem Berliner Zoo adoptiert, aber das war wohl das Einzige, das in Erinnerung bleibt.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP)
Eine solche Umweltpolitik ist mit Abstand zu wenig. Das ist in Wahrheit nur Kulisse. Eine vernünftige Umweltpolitik will das Zeitalter der erneuerbaren Energien erreichen. Aber sie weiß auch, dass wir in dieses Zeitalter Brücken brauchen.
(Hubertus Heil (SPD): Atomkraft!)
Es macht keinen Sinn, dass wir in Deutschland die modernsten Energieanlagen der Welt abschalten, um am Tag danach den Strom aus sehr viel unsichereren Kraftwerken, vorzugsweise aus dem Ausland, einzukaufen.
(Ulrich Kelber (SPD): 40 Jahre alte Kraftwerke sind das Modernste, was wir haben?)
Deswegen brauchen wir eine neue, vernünftige, rationale Energiepolitik mit einem rationalen Energiemix.
(Beifall bei der FDP)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist in solchen Generaldebatten üblich, Klartext zu reden. Wir haben eine solche Debatte nicht angesetzt, damit Sie in der Großen Koalition eine Bühne bekommen, um sich gegenseitig auf die Schulter zu klopfen: Nicht wahr, Frank-Walter, es war nicht alles schlecht! Nein, da hast du recht, Angela.
(Heiterkeit und Beifall bei der FDP)
Das ist keine vernünftige Auseinandersetzung in einer parlamentarischen Demokratie. Ich werde mir das Duell am Sonntagabend anschauen.
(Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister: Dann schaut schon mal einer!)
Ja, damit habt ihr wenigstens einen Zuschauer. Es ist überhaupt keine Frage, dass ich mir das anschaue.
(Thomas Oppermann (SPD): Aber du wärst lieber selber dabei!)
In Wahrheit geht es um etwas anderes: Es geht um unser Land. Unser Land braucht eine Politik, die an die Zukunft denkt und nicht nur in der Krise stecken bleibt. Wir brauchen eine Politik der klaren Verhältnisse: Raus aus der Großen Koalition, aber nicht rein in eine Linksregierung! Wir brauchen eine klare bürgerliche Mehrheit der Mitte. Dafür stehen wir.
Ich danke sehr für Ihre freundliche Aufmerksamkeit, liebe Genossinnen und Genossen.
(Anhaltender Beifall bei der FDP)
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Datum: 09.09.2009 - 15:06 Uhr
Sprache: Deutsch
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