NIEBEL-Interview für die ?Fuldaer Zeitung?
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NIEBEL-Interview für die "Fuldaer Zeitung"
Frage: Auf der Zielgeraden zur Bundestagswahl schwindet in den Umfragen die Mehrheit für Schwarz-Gelb. Wie sehr fürchten Sie, dass eine Regierungsbeteiligung der FDP ? wie vor vier Jahren ? scheitert?
NIEBEL: Die FDP liegt stabil zwischen 13 und 15 Prozent, bei den Landtagswahlen haben wir unser Ergebnis in allen drei Ländern praktisch verdoppelt. Doch es ist völlig klar: Das Rennen ist noch nicht gelaufen. Und wir wollen nicht, dass es die Union erneut vergeigt. Die Alternative zu einer Regierung aus CDU und FDP ist die Fortsetzung der lähmenden großen Koalition oder eine rot-rot-grüne Zukunft. Das ist keine Rote-Socken-Kampagne und kein Schreckgespenst, sondern die Realität.
Frage: SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier hat doch gerade erst wieder beim TV-Duell eine Koalition mit der Linken ausgeschlossen.
NIEBEL: Fulda liegt doch in Hessen. Da weiß man sehr genau, wie das bei Andrea Ypsilanti gelaufen ist. Ich bin überzeugt, dass die SPD bei entsprechender Mehrheit eine rot-rot-grüne Koalition organisieren würde. Vielleicht nach einer Schamfrist.
Frage: Die FDP könnte womöglich ein solches Linksbündnis verhindern, wenn sie eine Ampelkoalition mit SPD und Grünen bilden würde.
NIEBEL: Ganz ausdrücklich: Wir wollen regieren. Aber nicht um jeden Preis. Auch eine Ampel wäre nur auf Durchmarsch zur Linkskoalition geschaltet. Wenn es also nicht für Schwarz-Gelb reicht, werden wir in der Opposition weiter wachsen.
Frage: Sie würden also lieber Rot-Rot-Grün an die Macht lassen, als eine Ampelkoalition einzugehen? Wo bleibt denn da die staatsbürgerliche Verantwortung?
NIEBEL: Warum sollten wir denn so dämlich sein, in eine Regierung mit SPD und Grünen zu gehen? Wir würden unsere Inhalte kaum durchsetzen können, die Glaubwürdigkeit komplett verlieren und jeden Tag vor die Tür gesetzt werden können.
Frage: Auch im Verhältnis zwischen FDP und Union ist nicht alles in Butter. Sehen Sie Tendenzen in der Union, die große Koalition fortzuführen?
NIEBEL: Eindeutig ja. Teile der Union sind langfristig sozialdemokratisiert. Die Union regiert in drei Ländern sowie auf Bundesebene mit der SPD und in Hamburg mit den Grünen - da kann man nicht sicher sein, dass eine Stimme für die Union auch wirklich zu einer schwarz-gelben Mehrheit führt. Wenn die Kanzlerin erklärt, dass der Murks der Gesundheitsreform von Ulla Schmidt weitergeführt werden soll, kann man das auch als Aussage für die Weiterführung der großen Koalition verstehen. Darüber vergisst die Union zusehends, dass der politische Gegner links von der Mitte steht.
Frage: Die CSU hat das wohl noch nicht begriffen und attackiert Ihre Partei seit Wochen. Da hieß es etwa, die FDP sei "die Partei der sozialen Kälte". Warum, denken Sie, passiert das?
NIEBEL: Lassen Sie es mich mal so sagen: Es gibt ja erst seit einem Jahr Demokratie in Bayern. Da muss sich die CSU erst einmal eingewöhnen und zugleich die tiefen innerparteilichen Gräben der Nach-Stoiber-Ära zuschütten. Da ist ein äußerer Gegner willkommen. Aber die CSU muss das Wort Koalition schreiben lernen. Und ihr Chef Horst Seehofer muss lernen, seine Meinung nicht mehrmals täglich zu ändern.
Frage: Der Großteil der Experten hält flächendeckende Steuersenkungen in der derzeitigen Krise für völlig unrealistisch. Genau das versprechen Sie aber in Ihrem Wahlprogramm. Kann die FDP nicht rechnen?
NIEBEL: Dazu nur ein einziges Beispiel: Durch unsere Pläne für ein einfaches, niedriges und gerechtes Steuersystem wird der riesige Bereich der Schattenwirtschaft schrumpfen, weil die Anreize für illegale Beschäftigung geringer werden. Die Experten setzen den Umfang der Schwarzarbeit auf etwa 350 Milliarden Euro pro Jahr an. Also würden zehn Prozent reichen, wenn sie zurückkommen in die legale Wirtschaft und den Fiskus stärken, um unser Konzept komplett zu finanzieren.
Frage: CDU-Mann Friedrich Merz warb einst mit der "Steuererklärung auf dem Bierdeckel". Wie einfach wird es mit der FDP-Reform und wann könnten die Bürger damit rechnen, dass es soweit ist?
NIEBEL: Die Idee hat Herr Merz übrigens von uns entlehnt. Nach unserer Reform könnte jeder seine Steuererklärung auf zwei DIN-A4-Seiten machen. Eine so tief greifende Veränderung lässt sich aber nicht von jetzt auf gleich umsetzen. Für die komplette Reform würden wir sicherlich die ganze Legislaturperiode brauchen. Familien könnten aber etwa ab dem 1. Januar entlastet werden.
Frage: Der Staat macht derzeit Rekordschulden, wo sehen Sie da Einsparpotenzial, um die Entlastungen zu finanzieren?
NIEBEL: Einer der Schlüssel dazu ist Ausgabendisziplin: SPD-Finanzminister Steinbrück hat Deutschland viel zu sehr verschuldet, schon als die Steuereinnahmen noch sprudelten. Das ist wie mit dem Hallodri, der seinen Lohn auf dem Heimweg versäuft und zu Hause über zu wenig Geld jammert. Zudem brauchen wir nur ein Gesetz zum Abbau von Investitionshemmnissen, um milliardenschwere private Infrastruktur-Projekte anzustoßen - ohne einen Cent Steuergeld. In viele regionale Flugplätze wurde lange nicht investiert, weil Betreiber und Fluglinien auf einen klaren politischen Kurs warten. Genauso sieht es im Kraftwerksbau aus.
Frage: Apropos Kraftwerksbau: Ist der von der FDP propagierte Ausstieg aus dem Atomausstieg angesichts der wieder aufgeflammten Debatte über die Endlagerung nicht unverantwortlich?
NIEBEL: Energie ist kein Luxusgut, sondern so was wie ein Lebensmittel. Jeder weiß, dass wir regenerative Energien fördern wollen. Sie sind aber einfach noch nicht weit genug: Die Wirkungsgrade sind noch zu niedrig, Speicher- und Transportfragen sind noch nicht gelöst. Unsere Kernkraftwerke sind die sichersten der Welt. Sie müssen für eine Übergangszeit auch deshalb weiter laufen, damit Strom nicht noch teurer wird.
Frage: Magna hat den Zuschlag für Opel erhalten. Glauben Sie, dass der Autobauer damit gerettet ist?
NIEBEL: Noch ist kein einziger Arbeitsplatz gesichert, weil vertraglich noch nichts klar ist. Wir haben von Anfang an kritisiert, dass sich die Regierung von vornherein auf Magna festgelegt hat. So beschädigt man die eigene Vernadlungsposition. Auch kann das Ziel des Staates nicht lauten: Retten auf Teufel komm raus. Es wird immer deutlicher, dass der Termin für die Entscheidung pro Magna ein politischer Termin war, der bei den Wahlkampfstrategen von Union und SPD seit einigen Tagen im Kalender stand.
Frage: Grundsätzlich halten Sie den Einsatz von Steuergeldern für Opel aber für legitim?
NIEBEL: Natürlich, als Teil der hessischen Landesregierung haben wir ja mit für eine Übergangsfinanzierung gesorgt, um Zeit zu gewinnen. Jeder Einsatz von Steuergeldern muss wirtschaftlich sein. Doch der Staat ist garantiert nicht der bessere Autobauer.
Frage: Welche Lehren sind aus dem umstrittenen Bombardement der entführten Tanklastwagen, bei dem auch Zivilisten starben, für die Afghanistan-Politik zu ziehen?
NIEBEL: Der Vorfall hat gezeigt, dass der Einsatz natürlich ein Kampfeinsatz ist. Damit ist die Verschleierungsrhetorik der Regierung enttarnt. Ob die Entscheidung von Oberst Georg Klein richtig war, vermag ich nicht zu beurteilen. Doch ich kenne ihn als bedächtig und vernünftig; er ist mit Sicherheit kein Rambo. Eine Katastrophe ist die Informationspolitik des Verteidigungs- und des Außenministers. Der Afghanistan-Einsatz ist im Grundsatz richtig. Zwar wird Afghanistan nie eine perfekte Demokratie werden, denn alte Clan-Strukturen werden bleiben. Aber es ist schon viel erreicht: Die Afghanen können heute ohne Lebensgefahr Fußball spielen oder Musik hören und die Mädchen zur Schule gehen.
Frage: Die SPD will in der nächsten Legislaturperiode die Weichen für einen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan stellen. Wann sieht die FDP die Zeit für einen Rückzug gekommen?
NIEBEL: Einen Zeithorizont für den Abzug der Truppen zu nennen, wäre unklug. Das würde nur den Taliban signalisieren, wie lange sie noch durchhalten müssen.
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Datum: 15.09.2009 - 21:34 Uhr
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