Verfassungsbeschwerde wegen überlanger Verfahrensdauer einer sozialrechtlichen Klage erfolgreich
ID: 125562
Verfassungsbeschwerde wegen überlanger Verfahrensdauer einer sozialrechtlichen Klage erfolgreich
Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung angenommen und ihr stattgegeben, denn die Untätigkeit des Sozialgerichts in diesem Verfahren verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG). Nach Abwägung der konkreten Umstände des vorliegenden Verfahrens ist es verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbar, dass über den Abschluss des durch den Schriftsatz vom 2. April 2000 eingeleiteten erstinstanzlichen Verfahrens nach inzwischen über neun Jahren noch keine Klarheit besteht.
Die Sachmaterie weist im Vergleich zu den anderen von der Beschwerdeführerin betriebenen und bereits 2004 in erster Instanz abgeschlossenen Klageverfahren keine besonderen Schwierigkeiten auf, die die neunjährige Verfahrensdauer rechtfertigen. Obwohl die Beschwerdeführerin das Sozialgericht verschiedentlich auf eine noch ausstehende Entscheidung hinsichtlich der Honorarbescheide für die fraglichen Quartale hingewiesen hat, hat das Sozialgericht das Verfahren seit September 2004 nicht mehr gefördert. Selbst wenn man berücksichtigt, dass der Verfahrensfortgang anfangs nicht unerheblich durch in der Sphäre der Beschwerdeführerin liegende Gründe behindert wurde, lässt sich auch dadurch die erhebliche Verfahrensverzögerung verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen.
Die Einlegung der Rechtsmittel wegen der fehlenden Entscheidung über die fraglichen Honorarbescheide durch die Beschwerdeführerin führt ebenfalls nicht zu einer anderen Beurteilung. Für die verfassungsrechtliche Bewertung ist ausschlaggebend, dass das Verfahren vor dem Landessozialgericht von der Einlegung der Berufung im Oktober 2004 bis zur Zustellung des die Berufung verwerfenden Urteils im April 2008 seinerseits knapp dreieinhalb Jahre gedauert hat, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund ersichtlich ist. Ein weiteres Jahr verging, bis im April 2009 die Entscheidung über den Antrag auf Urteilsergänzung zugestellt und der Beschluss über den Antrag auf Urteilsberichtigung getroffen wurden. Das ist in Anbetracht der bereits im Februar 2006 zum Ausdruck gebrachten Auffassung des Landessozialgerichts, die Berufung sei hinsichtlich der noch nicht vom Sozialgericht entschiedenen Klageerweiterung unzulässig, mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht zu vereinbaren. Das Landesso¬zialgericht hätte spätestens ab diesem Zeitpunkt alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Verfahrensbeschleunigung nutzen müssen, um angesichts des damals immerhin schon rund sechs Jahre dauernden Verfahrens jede weitere Verzögerung der seiner Auffassung nach noch ausstehenden sozialgerichtlichen Entscheidung zu vermeiden.
Nicht anderes gilt im Ergebnis, wenn das Sozialgericht davon ausgegangen sein sollte, dass die Rechtshängigkeit der unter dem 2. April 2000 erhobenen Klage bereits im Jahr 2004 entfallen ist. In diesem Fall entspricht es in Anbetracht aller Umstände, namentlich der unklaren prozessualen Lage, ebenfalls nicht dem Gebot effektiven Rechtsschutzes, wenn ein Beteiligter eines wirksam anhängig gemachten gerichtlichen Verfahrens trotz verschiedener Erinnerungen an eine Sachentscheidung vom dem Gericht, bei dem sein Verfahren möglicherweise noch anhängig ist, über Jahre im Ungewissen darüber gelassen wird, dass das Gericht das Verfahren bereits für abgeschlossen hält.
Die weitere Verfassungsbeschwerde, mit der die Beschwerdeführerin ebenfalls die Untätigkeit des Sozialgerichts in einem seit 2008 anhängigen Verfahren gerügt hatte, wurde nicht zur Entscheidung angenommen.
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Datum: 08.10.2009 - 23:48 Uhr
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