Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Begrenzung der Flüchtlingszahlen
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irgendein bayerischer Landrat oder frustrierter Provinzpolitiker. Die
Häufigkeit, mit der Joachim Gauck in seiner Rede beim
Weltwirtschaftsforum in Davos ein Wort in den Mund genommen hat, das
Angela Merkel mit Vehemenz vermeidet, muss aufhorchen lassen:
Begrenzung. Begrenzung sei notwendig, so der Bundespräsident, um
nationale Identität zu bewahren und Akzeptanz zu erhalten. Gauck
ermahnt damit fast schon direkt die Kanzlerin - und fordert ihre
Einsicht ein. Nun hat Österreich eine Obergrenze bei der Aufnahme
der Flüchtlinge beschlossen - Merkel wirkt in dieser Frage inzwischen
allein im europäischen Haus. Und in Kreuth bekam sie von der CSU noch
einmal Druck. Die Kanzlerin ist ja nicht naiv, sie weiß selbst und
sagt, dass die Flüchtlingszahlen deutlich gesenkt werden müssen. Und
nur wer gehässig ist, wird Merkel unterstellen, daran nicht intensiv
zu arbeiten. Aber sie macht dies auf ihre Weise. Was jedoch immer
mehr Menschen zu wenig zu sein scheint. Anscheinend auch Gauck. Er
hat zwar das Wort »Obergrenze« gemieden und die Flüchtlingspolitik
zu Beginn der Krise gelobt und verteidigt. Seine Rede offenbart
dennoch eine Kluft zwischen ihm und der Kanzlerin. Schon im
vergangenen Jahr hat Gauck früh von Grenzen der Aufnahmefähigkeit
gesprochen und damit Merkel gewarnt. Gestern betonte er: Wer als
Demokrat nicht über Begrenzung rede, überlasse Rechtspopulisten und
Fremdenfeinden das Feld. Ein starker Hinweis, der sich freilich durch
den momentanen Aufschwung der AfD durchaus belegen lässt. Für Gauck
gibt es augenscheinlich einen Unterschied, ob man »begrenzen« oder
wie Merkel bloß »reduzieren« will. Und er hat Recht. Wer begrenzen
will, nimmt das Heft politisch klar in die Hand, wer reduzieren will,
lässt sich auch durch andere treiben. Dazu passt die Anmerkung des
Bundespräsidenten, dass eine Begrenzungsstrategie nicht eine
reflexartige Abwehr bedeute, sondern ein »Element
verantwortungsbewussten Regierungshandelns« sei. Unverhohlener kann
man die Kanzlerin eigentlich nicht auffordern, ihre eigene Strategie
zu überdenken. Treffsicher und schonungslos sind aber auch Gaucks
Zustandsbeschreibungen Europas. An dieser Stelle stärkt er Merkel
eindeutig den Rücken, die ihr Wohl und Wehe bei der Lösung der
Flüchtlingskrise bisher mit Europa verbunden hat. Doch da tut sich
wenig bis nichts. Der Ärger des Präsidenten ist mehr als berechtigt.
Europäische Solidarität müsse endlich her, so Gauck.
Re-Nationalisierung könne keine Lösung in der globalisierten Welt
sein. Er verstehe auch nicht, dass ausgerechnet Länder Verfolgten
ihre Solidarität entzögen, »deren Bürger als Verfolgte einst selbst
Solidarität erfahren haben«. Ein Satz, den man in Warschau, Budapest
und Prag an die Regierungstüren nageln sollte.
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Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261
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Datum: 20.01.2016 - 21:30 Uhr
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