Neue Studie zeigt: Europas Agrarpolitik verschwendet Steuergeld, schafft Abhängigkeit bei Landwirten und stoppt Artenschwund nicht
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Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), ist hochgradig ineffizient und
überwiegend umweltschädlich. Zu diesem Ergebnis kommt eine am
heutigen Dienstag in Brüssel vorgestellte internationale Studie.
Darin unterzogen Ökonomen, Soziologen und Ökologen die
EU-Agrarpolitik einem so genannten "Fitness Check". Erstmals in der
über 50-jährigen Geschichte der GAP liegen damit überhaupt
Erkenntnisse zu ihrer Wirtschaftlichkeit, Wirksamkeit und Erfüllung
der globalen Nachhaltigkeitsziele vor. Die Agrarpolitik macht derzeit
fast 40 Prozent des EU-Haushalts aus.
Bislang hatten sowohl die EU-Kommission als auch die Mehrheit der
Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, eine solche Überprüfung stets
abgelehnt. Aus diesem Grund gaben der NABU, das Europäische
Umweltbüro (EEB) und BirdLife Europe die Prüfung in Auftrag, eng
angelehnt an die offiziellen Kriterien, die sich die EU selbst für
"gute Gesetzgebung" verordnet hat. Über die künftige Ausrichtung der
EU-Agrarpolitik hatten bis zuletzt auch CDU, CSU, FDP und Grüne in
ihren Sondierungen gestritten.
Die Studienautoren untersuchten dazu mehr als 450
wissenschaftliche Veröffentlichungen. Sie kommen zu dem Schluss, dass
insbesondere die pauschalen Flächenprämien der sogenannten Ersten
Säule die Einnahmen von Betrieben zwar erhöhen. Doch angesichts der
aufgewendeten rund 44 Milliarden Euro jährlich tragen sie eklatant
wenig zu einem angemessenen Lebensstandard der Landwirte und dem
Abbau von Ungleichheiten im ländlichen Raum bei. Beides sind jedoch
wesentliche Ziele der GAP. Zudem befeuern die Direktzahlungen massiv
die Abhängigkeit der Landwirte von Subventionen, beeinflussen
Produktionsentscheidungen und verringern die Effizienz der Betriebe.
Generell bemängeln die Autoren fehlende logische Zusammenhänge
zwischen Budgetaufteilung, Zielen und Instrumenten.
Noch schlechter fällt das Fazit der Autoren hinsichtlich der
Erreichung von Umweltzielen aus: Die wirksamsten Instrumente der GAP,
die gezielten Agrarumweltmaßnahmen, erhalten nur einen Bruchteil der
Finanzierung, die in das hochbürokratische und ökologisch kaum
wirksame "Greening" fließt. Zudem sei das aktuelle System nicht in
der Lage, den Verlust der Artenvielfalt zu stoppen. Gleiches gelte
für die Vermeidung von Umweltschäden wie die zu hohe Nitratbelastung
des Grundwassers.
"Wer diese ineffiziente und umweltschädliche Politik als
alternativlos verteidigt, betreibt Betrug an Steuerzahlern und
Landwirten. Europas Bürger sind immer weniger dazu bereit, Milliarden
an Steuergeldern in eine immer intensivere Landwirtschaft zu stecken
und am Ende nochmals zur Kasse gebeten zu werden für die daraus
resultierenden Umweltschäden. Längst ist klar: Die Landwirtschaft
muss sich ändern und naturverträglicher werden - die EU muss dazu nun
die richtigen Entscheidungen treffen", sagte NABU-Präsident Olaf
Tschimpke.
Der NABU sieht sich durch die Studie in seiner Forderung nach
einer grundlegenden Änderung der EU-Agrarpolitik bestätigt. Da Gelder
künftig, etwa durch den Brexit, knapper werden, fordert der NABU, das
Fördersystems ab 2020 umzubauen. Landwirte muss es in die Lage
versetzen, umweltfreundlicher zu produzieren und zugleich höhere
Einkommen zu erzielen. Dazu müssen die Pauschalsubventionen mit dem
Gießkannenprinzip ersetzt werden durch Investitionen in bessere
Tierhaltung und Ackerbau. Ein neuer EU-Naturschutzfonds in Höhe von
jährlich 15 Milliarden Euro könnte Landwirten zudem ein attraktives
Zusatzeinkommen für Naturschutzleistungen bieten - als
Gesellschaftsvertrag mit dem Steuerzahler.
Die Studie erscheint rund eine Woche bevor EU-Agrarkommissar Phil
Hogan seine Pläne für die künftige EU-Agrarpolitik vorstellt. Allem
Anschein nach will er auch nach 2020 an den ineffizienten pauschalen
Direktzahlungen festhalten - und das, obwohl sich Anfang 2017 in
einer EU-Konsultation 80 Prozent der teilnehmenden EU-Bürger für eine
grundlegende Reform ausgesprochen hatten. Sollte Hogan bei seinem
Kurs bleiben, drohen bis Ende des nächsten Jahrzehnts weitere
Ineffizienz und ökologische Schäden.
Sebastian Lakner, Autor der Studie: "Unsere Literaturstudie zeigt,
dass die GAP in ihrer jetzigen Form die selbst gesteckten Ziele nicht
erfüllt. Vor allem die Direktzahlungen der Ersten Säule erzeugen eine
Reihe von Problemen und haben 25 Jahre nach der MacSharry-Reform
keine sinnvolle Begründung. Die EU sollte sich auf die Frage
besinnen, welche Ziele die GAP tatsächlich erfüllen soll. Meiner
Ansicht nach sollten drei wichtige Ziele angegangen werden: Die
landwirtschaftliche Produktion muss nachhaltiger werden, der Verlust
der Artenvielfalt gestoppt und der Kampf gegen den Klimawandel auch
im Agrarbereich angegangen werden. Dazu sollte die EU-Kommission nun
einen ambitionierten Reformvorschlag vorlegen."
Die Studie "Is the CAP Fit for purpose?" ist eng angelehnt an das
Instrument des EU-"Fitness Checks". Dieses nutzt die EU-Kommission
selbst, um ihre Rechtsakte zu durchleuchten. Überprüft wurden die
Kriterien Effektivität, Effizienz, Kohärenz, Relevanz und
europäischer Mehrwert, jeweils nach sozio-ökonomischen und
ökologischen Aspekten. Zusätzlich wurde die mögliche Erfüllung der
globalen Nachhaltigkeitsziele (SDGs) untersucht.
Die ausführliche Studie sowie eine Zusammenfassung finden Sie
unter: www.NABU.de/CAPcheck
Kostenfreie Pressebilder zur Landwirtschaft:
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Pressekontakt:
Trees Robijns, NABU-Expertin für EU-Agrarpolitik, mobil: +49
(0)173-4726122, E-Mail: trees.robijns@NABU.de
Konstantin Kreiser, NABU-Leiter EU-Naturschutzpolitik, mobil: +49
(0)172-4179730, E-Mail: konstantin.kreiser@NABU.de
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Datum: 21.11.2017 - 11:20 Uhr
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