Online-Streitbeilegungs-Plattformen: Gut gemeint, aber schlecht umgesetzt?
Mit der im Januar 2016 in Kraft getretenen Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten wollte die EU ein Instrument für Streitschlichtungen zwischen Verbrauchern und Online-Händlern (z.T. auch zwischen Online-Händlern untereinander) schaffen. Die sog. OS-Plattform sollte als zentrale Plattform auf EU-Ebene die Streitschlichtung erleichtern und beschleunigen. Dieses zwar gut gemeinte, aber teilweise schlecht umgesetzte Projekt erfährt in der Praxis zunehmend negative Rezeption und wird als zu kompliziert und ineffizient eingeordnet. Fehlende oder fehlerhafte Links zur Plattform führten in der Vergangenheit oft zur Abmahnung von Online-Händlern.
Ziel ist es eine grenzüberschreitende und außergerichtliche Streitschlichtungsstelle für den Online-Verkauf von Waren und die Online-Erbringung von Dienstleistungen zu schaffen. Die hierfür geschaffene OS-Plattform auf EU-Ebene ist zudem mit den nationalen Stellen für außergerichtliche Streitbelegung verknüpft. Zudem werden auf der OS-Plattform Beschwerdeformulare bereitgestellt, die Streitgegner über die Beschwerde informiert und das Verfahren in Zusammenarbeit mit der jeweils zuständigen nationalen Stelle für außergerichtliche Streitbeilegung geführt. Um diese Zwecke zu erreichen, müssen Online-Händler auf ihren Websites Verlinkungen zur OS-Plattformen anbieten.
Wie fällt die Nutzung in der Praxis aus?
Dabei ergab eine Erhebung der EU-Kommission, dass mehr als ein Jahr nach Einführung der Verordnung nur 28 % der untersuchten Websites entsprechende Links anboten und Verbraucher davon zudem nur selten Gebrauch machten (https://ec.europa.eu/germany/news/20171214-streitbeilegungsplattform_de). Auch standen immer wieder technische Probleme einer effizienten Nutzung der OS-Plattform entgegen. Da deutsche Händler die Verfahrensgebühren selbst tragen müssen, erklärte sich eine deutliche Mehrheit nicht bereit, einer außergerichtlichen Streitbeilegung zuzustimmen. Die gesetzliche Verpflichtung einen Link zur OS-Plattform anzubieten, erscheint daher als Farce.
Zudem bietet die OS-Plattform lediglich eine Liste nationaler Streitbeilegungsstellen an, auf die sich die Parteien sodann in einem zweiten Schritt einigen müssen. Hieran scheitert die Nutzung der OS-Plattform in der Praxis häufig. Die Verpflichtung der Streitbeilegungsstellen zu Transparenz und Unparteilichkeit und die im Vergleich zu einem Gerichtsverfahren niedrigeren Kosten konnten hieran bisher nichts ändern. Einer umfassenden Nutzung der OS-Plattformen steht schließlich die fehlende Einheitlichkeit der „Bindungswirkung“ der Entscheidungen einzelner Streitbeilegungsstellen entgegen. Verbraucher wie auch Händler sind sich oftmals nicht im Klaren darüber, welche genauen Folgen aus einer Streitbeilegung entstehen.
So erklärt es sich, dass von den eingereichten 24.000 Beschwerden nur 480, also 2 %, bei nationalen Streitbeilegungsstellen landeten (https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/first_report_on_the_functioning_of_the_odr_platform.pdf). Von diesen Fällen wurde die Hälfte wegen Unzuständigkeit der nationalen Schlichtungsstelle zurückgewiesen. Die OS-Plattform kann damit als nahezu gescheitert angesehen werden, da es ihre Hauptaufgabe war, die Beschwerde der richtigen nationalen Schlichtungsstelle zuzuweisen. Ein Grund hierfür ist die geringe Anzahl nationaler Schlichtungsstellen. Die meisten Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Händlern werden immer noch durch direkten Kontakt zwischen beiden in Angriff genommen.
Weshalb wurde abgemahnt?
Einige nationale Gerichte sahen in fehlenden oder fehlerhaften Links wettbewerbsrechtliche Verstöße gemäß § 3a UWG iVm mit der OS-Verordnung an, da Verbraucher nicht mehr rechtssicher auf die Streitbeilegungsplattform gelangen könnten. Dagegen monierten zahlreiche Online-Händler die fehlende Transparenz der EU-Kommission bei der Einrichtung und Änderung der Links, die zur OS-Plattform führen sollten, und fühlten sich daher zu Unrecht abgemahnt.
Welche technischen Probleme wurden deutlich?
Nachdem die OS-Plattform zunächst über eine http-Adresse erreichbar war, wurde das Übertragungsprotokoll im Februar 2017 zu einer sichereren „https-Adresse (https://ec.europa.eu/consumers/odr) geändert. Online-Händler, die in ihrem Impressum die URL der OS-Plattform nicht aktualisierten, liefen damit Gefahr, abgemahnt zu werden. Häufig bestätigten Gerichte Abmahnungen auch bei fehlender Verlinkung, selbst wenn die OS-Plattform erst einige Tage nach dem Datum, auf das sich die Abmahnung bezieht, technisch fertig gestellt werden sollte (vgl. etwa LG Bochum, Urteil vom 31.03.2016, Az. 14 O 21/16). Diese und ähnliche Entscheidungen erschienen für viele Händler schwer nachvollziehbar, zumal die Informationen über die Aktualisierung des Links, die technische Fertigstellung der OS-Plattform usw. nicht immer leicht erkennbar und verfügbar waren. Zudem verliefen auch nach Umstellung der URL zahlreiche Klicks auf den Link nicht zur OS-Plattform, sondern zu anderen Seiten der EU-Kommission. Der Zweck mit nur einem Klick eine sichere und leicht erreichbare Streitbeilegung einleiten zu können, konnte damit in vielen Fällen von Anfang an nicht erreicht werden. Die Abmahnung der Händler scheint oftmals nicht gerechtfertigt zu sein.
Fazit und Handlungsempfehlung für Unternehmen
Aktuell ist kaum erkennbar, dass die OS-Plattform zu einer Entlastung der Gerichte oder zu effizienter Streitbeilegung beiträgt. Die technischen Probleme sowie die Intransparenz stellen hierbei die größten Problemfelder dar. Unternehmen ist jedoch dringend dazu zu raten, in ihrem Impressum weiterhin auf die Plattform zu verweisen und die Aktualität und Genauigkeit etwaiger Links regelmäßig zu überprüfen, da andernfalls Abmahnungen drohen.Weitere Infos zu dieser Pressemeldung:
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Datum: 16.03.2018 - 10:01 Uhr
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