Dramatischer Insektenschwund erfordert umfassendes Handeln: Breites Bündnis legt Forderungen an das Aktionsprogramm Insektenschutz der Bundesregierung vor
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Naturschutzring (DNR), dem Bund für Umwelt und Naturschutz
Deutschland (BUND), der Deutschen Umwelthilfe (DUH), dem
Naturschutzbund Deutschland (NABU), WWF Deutschland und der Aurelia
Stiftung
Anlässlich der morgigen Abstimmung im Fachausschuss der
EU-Kommission über ein Verbot von drei besonders insektenschädigenden
Pestiziden hat ein breites Bündnis von Umwelt-, Natur- und
Tierschutzverbänden heute Forderungen an das von der Bundesregierung
im Koalitionsvertrag vereinbarte Aktionsprogramm Insektenschutz
vorgelegt.
"Unsere Bienen sind systemrelevant und damit dem Schutzauftrag
dieser Bundesregierung unterstellt. Sie sind die wichtigsten
Pflanzenbestäuber und dienen zahlreichen anderen Arten als Futter.
Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag richtigerweise
verpflichtet, das Insektensterben zu bekämpfen. Das erfordert rasches
und umfassendes politisches Handeln. Homöopathische Eingriffe wie
Monitoring- oder Blühstreifenprogramme reichen nicht aus, um den
dramatischen Verlust unserer über 30.000 Arten zählenden heimischen
Insektenfauna aufzuhalten", sagt Kai Niebert, Präsident des Deutschen
Naturschutzrings.
Die Verbände haben Kernforderungen erarbeitet, die für den Erfolg
eines Aktionsprogramms entscheidend sind. Hierzu gehört die
Reduzierung von Pestizidanwendungen, die Förderung von
Strukturvielfalt in Agrarlandschaften, die Initiierung einer
Qualitätsoffensive für Schutzgebiete oder die Förderung von
Insektenvielfalt in Siedlungsräumen. Ebenso muss die Überdüngung
landwirtschaftlich genutzter Flächen reduziert werden, da sie einen
wesentlichen Faktor für den Insektenrückgang darstellt.
"Die auch nach der Novelle des Düngerechts viel zu hohen
Stickstoffeinträge sorgen für eine Verarmung der Artenvielfalt in
unseren Agrarlandschaften und damit auch für den Rückgang von
Insekten und Bestäubern. Deshalb brauchen wir vor allem eine
signifikante Verminderung des Gülleeintrages aus der
Massentierhaltung," sagt Sascha Müller-Kraenner,
Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH).
"Wir beobachten einen dramatischen Rückgang von Insekten in
Naturschutzgebieten, unseren Edelsteinen der Natur. Dies liegt unter
anderem daran, dass viele Gebiete zu klein und damit Einflüssen aus
der umliegenden Landschaft ausgesetzt sind. Aus diesem Grund ist es
dringend notwendig, dass in und im Umkreis von Naturschutzgebieten
Pestizide verboten werden. Insekten müssen aber auch in der
Agrarlandschaft geschützt werden, wozu es ein Umsteuern in der
EU-Agrarpolitik braucht, so dass Landwirte für konkrete
Naturschutzleistungen finanziell belohnt werden", so Olaf Tschimpke,
NABU-Präsident.
"Für Umweltschutzmaßnahmen und damit auch für ihren Einsatz gegen
das Insektensterben müssen Landwirte endlich konkret entlohnt werden.
Mit Blick auf die kommende Förderperiode der Gemeinsamen Europäischen
Agrarpolitik muss es daher Ziel sein, Landwirte bestmöglich darin zu
unterstützen, aktiv Maßnahmen für mehr Biodiversität und
Strukturvielfalt in der Agrarlandschaft durchzuführen", sagt Matthias
Meissner, Referent Internationale Agrarpolitik und Welternährung beim
WWF Deutschland.
Bezugnehmend auf die morgen in Brüssel anstehende Entscheidung
fordert das Verbände-Bündnis von der Bundesregierung, sich über ihre
Zustimmung zum Verbot der drei besonders insektenschädlichen
Pestizide Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam hinaus für ein
EU-weites Verbot der gesamten Wirkstoffgruppe einzusetzen oder dem
Beispiel Frankreichs zu folgen und ein nationales Verbot auf den Weg
zu bringen.
Dazu sagt Hubert Weiger, BUND-Vorsitzender: "Nervengifte mit so
fataler Wirkung wie die der Neonikotinoide gehören nicht in unsere
Umwelt. Sie schädigen Nützlinge wie Bienen, Wildbienen, Ameisen und
Wasserorganismen. Dass sie überhaupt zugelassen worden sind, zeigt
das Versagen des Pestizid-Zulassungssystems. Dessen Reform ist
dringend nötig, zukünftig muss die Prüfung von Pestiziden
industrie-unabhängig erfolgen. Auch Langzeitwirkungen und
Kombinationseffekte müssen beachtet werden. Grundsätzlich ist ein
Umlenken in der Agrarpolitik notwendig. Wir benötigen eine
Landwirtschaft, die unsere Lebensgrundlagen erhält. Mit Maßnahmen wie
breiten Fruchtfolgen, Mischkulturen und der Förderung von
Lebensräumen für Nützlinge ist das möglich."
Prof. Dr. Randolf Menzel, Neurobiologe und Autor des Buches "Die
Intelligenz der Bienen" ergänzt: "Es gibt keinen Mangel mehr an
Studien, die beweisen, wie sehr die gezielt zur Vernichtung
sogenannter Schadinsekten ausgebrachten, hochtoxischen Gifte den
Orientierungssinn oder die Fortpflanzung aller anderen in Luft,
Wasser oder Boden lebenden Insektenarten schädigen. Wenn
Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner ihr gegebenes Versprechen
einlösen will, dass alles vom Markt muss, was Bienen schädigt, gibt
es keine Alternative zu einem vollständigen Verbot dieser
Insektizidklasse."
Überdies ist die wirtschaftliche Bedeutung der Bestäuber zu
beachten. "Insekten sind für den Fortbestand unserer Ökosysteme
ebenso unverzichtbar wie für die Sicherung unserer Ernährung. Zwei
Drittel unserer Nahrungspflanzen sind auf die "unentgeltliche und
gemeinnützige" Leistung von Bestäubern angewiesen, deren ökonomischer
Wert weltweit auf 200 bis 500 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt
wird. Wir sind von der Vielfalt der blütenbestäubenden Insekten
existenziell abhängig. Sie sind unersetzbar!", appelliert der
Imkermeister und Vorsitzende der Aurelia-Stiftung Thomas Radetzki.
Informationen:
Die Forderungen der Verbände zum "Aktionsprogramm Insektenschutz"
finden Sie unter: http://ots.de/QZeeU8
Pressekontakt:
Deutscher Naturschutzring (DNR), Ilka Dege, Tel.: 030.6781775-917,
ilka.dege@dnr.de
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Silvia Bender,
Tel.: 030.275 86 511, silvia.bender@bund.net
Deutsche Umwelthilfe (DUH), Ulrich Stöcker, Tel.: 030.24 00 86713,
0160 8950556, stoecker@duh.de
Naturschutzbund Deutschland (NABU), Till Hopf, Tel.: 030.28 49
84-1618, Till.Hopf@NABU.de
WWF Deutschland, Matthias Meissner, Tel.: 030.311 777 220,
matthias.meissner@wwf.de
Aurelia-Stiftung, Thomas Radetzki, Tel.: 030 / 577 00 3969; 0171 /
3366569, thomas.radetzki@aurelia-stiftung.de
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Datum: 26.04.2018 - 11:11 Uhr
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