2.Ökonomen-Umfrage der FTD in Zusammenarbeit mit dem Verein für Socialpolitik: Mehrheit der Wirtschaftswissenschaftler hält Schuldenbremse zum Schuldenabbau nur für bedingt geeignet
ID: 216315
Hauptgrund für hohe Staatsschulden / Abbau der Staatsschulden ohne
Wirtschaftswachstum kaum möglich / Finanzkrise spiegelt in erster
Linie Versagen der Märkte / Kritik an den Ökonomen hält fast jeder
zweite Wirtschaftswissenschaftler für berechtigt
Die Verankerung der Schuldenbremse im Grundgesetz halten lediglich
15,8 Prozent der deutschen Wirtschaftswissenschaftler für das absolut
geeignete Instrument. Eine klare Mehrheit (55,9 Prozent) meint, die
Schuldenbremse sei nur eine bedingt geeignete Maßnahme. Jeder vierte
Wirtschaftswissenschaftler (25,4 Prozent) findet sie sogar
uneingeschränkt ungeeignet. Dies ergab eine Umfrage der 'Financial
Times Deutschland' (FTD) in Zusammenarbeit mit dem Verein für
Socialpolitik (VfS) unter 1.158 Ökonomen, die zugleich Mitglieder des
VfS sind.
Den Hauptgrund für die hohen Staatsschulden sehen 58,1 Prozent der
deutschen Wirtschaftswissenschaftler im fehlenden
Konsolidierungswillen der Politiker, weitere 14,3 Prozent in der
ineffizienten Strategie zum Abbau der Schulden. Ähnlich viele
Befragte konstatieren zwar Erfolge beim Schuldenabbau, doch seien
diese wiederholt durch besondere Ereignisse wie die Einheit oder die
Finanzkrise konterkariert worden.
In der Diskussion um den richtigen Weg zum dauerhaften Abbau von
Staatsschulden in der Krise haben die Ökonomen mehrheitlich einen
klaren Standpunkt: Für 61,4 Prozent ist der nachhaltige Schuldenabbau
nicht ohne Wirtschaftswachstum möglich. Lediglich knapp 30 Prozent
halten dies auch ohne Wirtschaftswachstum für möglich. "Dieses
Ergebnis bestärkt jene Entscheider, die davor warnen, in Krisen zu
konsolidieren oder mit dem Schuldenabbau zu früh im Aufschwung
anzufangen", erklärt der Chef-Ökonom der FTD Thomas Fricke. Bei der
Frage nach den Hauptschuldigen an der Finanzkrise teilen sich die
Ökonomen in zwei Lager: Während für 47,4 Prozent die Finanzkrise in
erster Linie das Versagen der (Finanz-)Märkte spiegelt, ist für 42,6
Prozent die Finanzkrise vor allem ein Zeichen des Scheiterns der
Politik. Das besonders stark exportorientierte Wachstumsmodell
Deutschlands ist für fast jeden Vierten (24,3 Prozent) trotzdem nach
wie vor das richtige, 38,3 Prozent empfehlen eine leichte Korrektur
in Bezug auf eine graduelle Erhöhung des Anteils der Binnenwirtschaft
am Wachstum.
Als Erkenntnis aus der Finanzkrise für die Zukunft zieht eine
große Mehrheit von über 80 Prozent den Schluss, dass ökonomische
Modelle in den vergangenen Jahren zu stark auf der Annahme rationalen
Verhaltens aufbauten. Weiterhin plädiert gut jeder fünfte Ökonom
(22,5 Prozent) dafür, dass Notenbanken künftig mit ihrer Zinspolitik
gegen Vermögensblasen angehen sollten. 38,7 Prozent wollen solche
Blasen eher durch eine eigene Regulierungsbehörde kontrolliert sehen.
Die häufig in der Öffentlichkeit geäußerte Kritik, die
Wirtschaftswissenschaftler hätten die Finanzkrise nicht vorhergesagt,
trifft in deren Reihen nur auf bedingtes Verständnis. Allerdings
räumen 45 Prozent der Ökonomen ein, dass diese Kritik berechtigt ist.
Etwas mehr als die Hälfte (52,4 Prozent) halten sie aber für
unberechtigt. Gestaltungswillen und die Bereitschaft, Verantwortung
zu übernehmen, beweist aber mit 70,4 Prozent der Großteil der
Befragten, die bekundeten, ein wirtschaftspolitisches Amt übernehmen
würden. Deshalb würde es auch eine klare Mehrheit (90,9 Prozent)
begrüßen, wenn die Grenzen zwischen Politik und Wissenschaft ähnlich
wie in den USA offener wären. "Das Ergebnis zeigt, dass wir beim
Austausch zwischen Politik und Wissenschaft noch Nachholbedarf haben.
Davon könnten beide Seiten - praxisrelevante Forschung wie effektives
Regierungshandeln - erheblich profitieren", resümiert Prof.
Lars-Hendrik Röller, Vorsitzender des Vereins für Socialpolitik und
Präsident der ESMT European School of Management and Technology in
Berlin.
Pressekontakt:
Joachim Haack, Sprecher G+J Wirtschaftsmedien c/o PubliKom
Kommunikationsberatung GmbH, Tel. 040/39 92 72-0, E-Mail:
jhaack@publikom.com
oder
Daniel Jung, Geschäftsführer Verein für Socialpolitik, Gesellschaft
für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Geschäftsstelle Frankfurt,
Tel. 069/ 568076-12, E-Mail: daniel.jung@socialpolitik.org
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Datum: 24.06.2010 - 12:11 Uhr
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