Nichtstun mit System: Bund und Länder vernachlässigen die Kontrolle von Klimaschutzgesetzen
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Klimaschutzgesetze werden vielfach nicht oder mangelhaft
umgesetzt, eine Kontrolle durch den Staat findet nur in
Ausnahmefällen statt - Umfrage der Deutschen Umwelthilfe in
Bundesländern stellt massive Vollzugsdefizite und ein Desinteresse an
der Umsetzung von Klimaschutzgesetzen fest - Nichtstun verursacht
Millionen Tonnen Klimagasemissionen, die nicht in der Statistik
auftauchen - DUH-Geschäftsführer Resch: "Staatliches Nichtstun
gefährdet akut den Klimaschutz"
Eine erschreckende Vernachlässigung der Umsetzung und Kontrolle
von Klimaschutzgesetzen hat die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) bei
einer Umfrage in den Bundesländern festgestellt. Entscheidende
gesetzliche Vorgaben z.B. für den Klimaschutz im Gebäudebereich
werden in den Bundesländern zum Teil entweder gar nicht umgesetzt
oder aber ihre Einhaltung wird so gut wie nicht überwacht. So sind
für das seit anderthalb Jahren geltende Gesetz zur Förderung
Erneuerbarer Energien im Wärmebereich (EEWärmG) vielfach noch immer
keine Vollzugsbehörden benannt worden. Und die Einhaltung der
Vorgaben der Energieeinsparverordnung (EnEV) wird nicht einmal
stichprobenhaft kontrolliert, obwohl bekannt ist, dass diese Vorgaben
in der Praxis häufig umgangen werden. Unbeirrt misst jedoch die
Bundesregierung beiden Gesetzen eine maßgebliche Bedeutung für die
Erreichung der deutschen Klimaschutzziele bei.
"Die mangelnde Kontrolle hat System und dieses System trägt
maßgeblich dazu bei, dass Deutschland seine Klimaschutzziele nicht
erreichen wird", sagte Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.
"Der Staat kümmert sich nicht um die Einhaltung der
Klimaschutzgesetze und schafft so den Freiraum für Betrug,
Schlamperei und Schlendrian, den Teile von Industrie und Gesellschaft
nutzen, um Klima- und Umweltschutz auszuhebeln. Jedes Jahr kommen so
viele Millionen Tonnen zusätzlicher Klimagasemissionen hinzu, die in
keiner Statistik auftauchen," sagte Resch. Der Personalabbau in den
unteren Vollzugsbehörden habe daher einen hohen Preis, da die Folgen
des Klimawandels deutlich teurer seien. "Wenn am Fuße der staatlichen
Hierarchieleiter keine Menschen mehr arbeiten, die die Gesetze in die
Praxis umsetzen, dann können Regierung und Parlament sich lange mit
wohlfeilen Gesetzestexten rühmen, sich für Klima und Umwelt
einzusetzen", sagte Resch.
Um eine globale Erwärmung von mehr als zwei Grad Celsius noch zu
verhindern, müssen die Industrienationen ihre Treibhausgasemissionen
um 80 bis 95 Prozent bis 2050 reduzieren. Die Koalition aus CDU/CSU
und FDP hat sich dementsprechend im Koalitionsvertrag zu einer
Minderung der deutschen Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent
und bis 2050 um mindestens 80 Prozent verpflichtet. "Dieses Ziel wird
mit großer Wahrscheinlichkeit auch und gerade wegen bestehender
Vollzugsdefizite im Bereich des Klimaschutzrechts deutlich verfehlt
werden", sagte Dr. Cornelia Ziehm, Leiterin Klimaschutz und
Energiewende der DUH. "In den Ländern sind vielfach massive
Vollzugsdefizite und ein Desinteresse an der Gewährleistung eines
ordnungsgemäßen Vollzugs zu konstatieren, so dass immense
Energieeinsparpotenziale verschenkt werden. Der Bund schaut dabei zum
Teil seit Jahren tatenlos zu", sagte Ziehm, die die Umfrage zur
Umsetzung von Energieeinspargesetzen im Gebäudebereich in den 16
Bundesländern durchgeführt hat.
Einen mangelhaften Vollzug von Gesetzen zum Klimaschutz stellt die
DUH ebenfalls seit Jahren bei stichprobenartigen Kontrollen der
Effizienzkennzeichnung von Pkw und bei Haushaltsgeräten wie
Kühlschränken fest. Kühlgeräte werden schlecht oder gar nicht mit dem
gesetzlich vorgeschriebenen Energieverbrauchslabel gekennzeichnet.
Außerdem werden die darin enthaltenen klimaschädlichen FCKW nicht
ordnungsgemäß entsorgt, haben DUH-Recherchen bei den
Umweltministerien der Länder ergeben. Da vier von fünf alten
Kühlgeräten noch immer FCKW enthalten, ist die mangelhafte Entsorgung
der Treibhausgase klimarelevant: Deutschland entlässt dadurch
jährlich 5,9 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente in die Atmosphäre.
"Der Staat darf sich der Überwachung der Einhaltung seiner Gesetze
und Verordnungen nicht entziehen", sagte Ziehm. Unterlassen die
Bundesländer dennoch die Umsetzung, kann und muss der Bund laut
Grundgesetz Art. 84 Abs. 3 Einfluss nehmen. Denn danach übt die
Bundesregierung die Aufsicht darüber aus, dass die Länder die
Bundesgesetze dem geltenden Recht gemäß ausführen. Machen sie das
nicht, eröffnet Art. 84 Abs. 4 GG dem Bund die Möglichkeit der
Mängelrüge. "Vor diesem Hintergrund ist der seitens des Bundes gerne
wiederholte Hinweis auf die Verwaltungshoheit der Länder zwar
richtig, entschuldigt aber eine Tatenlosigkeit des Bundes spätestens
dann nicht mehr, wenn Bundesgesetze in den Ländern jahrelang nicht
vollzogen werden", sagte Ziehm. Auch ein pauschaler Verweis auf die
angespannte Haushaltslage in Bund, Ländern und Kommunen und die damit
verbundenen Personaleinsparungen sei schwerlich zur Rechtfertigung
von Vollzugsdefiziten geeignet. Denn würden die Länder die Einhaltung
von Klimaschutzgesetzen kontrollieren und bei festgestellten
Verstößen Bußgelder verhängen, wäre das mit entsprechenden Einnahmen
für den Staat verbunden, aus denen sich die Kontrolle wie in anderen
Industriestaaten üblich finanzieren ließen.
Ziehm forderte zudem, den Bereich der Energieeffizienz insgesamt
dem BMU zu übertragen. Denn insbesondere das bislang für
Effizienzsteigerung bei Pkw und Haushaltsgeräten zuständige
Bundeswirtschaftsministerium werde dieser Aufgabe seit Jahren nicht
gerecht. So habe Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) erst
kürzlich wieder EU-Vorhaben zur Effizienzsteigerung bei leichten
Nutzfahrzeugen torpediert.
Die Antworten der Bundesländer zum Stand der Umsetzung von EEWärmG
und EnEV, ein Ranking der Länder sowie die DUH-Untersuchung zum
FCKW-Recycling in Deutschland finden Sie unter
http://www.duh.de/pressemitteilung.html?&tx_ttnews[tt_news]=2340
Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer, Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Mobil: 0171 3649170, resch@duh.de
Dr. Cornelia Ziehm, Leiterin Klimaschutz und Energiewende, Deutsche
Umwelthilfe e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030
2400867-0, Mobil: 0160 941 824 96, ziehm@duh.de
Ulrike Fokken, Sprecherin Politik & Presse, Deutsche Umwelthilfe
e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867- 86, Mobil:
0151 55017009, fokken@duh.de
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Datum: 05.07.2010 - 10:35 Uhr
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