BERLINER MORGENPOST: Der Frust der Enttäuschten - Leitartikel
ID: 256056
Causa Steinbach, die Bundeskanzlerin Angela Merkel und der CDU den
Aufbruch aus dem Stimmungstief in bessere Zeiten vermasselt. Dass die
Präsidentin der Vertriebenen nicht gerade zu den Lichtgestalten in
der CDU zählt, hat Frau Steinbach mit ihren kruden Bemerkungen zur
Mobilmachung Polens im März 1939 einmal mehr bewiesen. Ihre
Behauptung, die CDU verliere mehr und mehr ihre konservative
Identität, und deshalb werde sie nicht erneut für einen Sitz im
Parteivorstand kandidieren, müsste deshalb eigentlich nicht besonders
ernst genommen werden. Muss sie aber doch, weil Frau Steinbach die
bislang ziemlich treue CDU-Wählerschaft der Vertriebenen hinter sich
hat. Und noch gravierender: Sie beschreibt mit ihrer Kritik am
inneren Zustand der CDU eine Entwicklung, die immer mehr
Unionsanhänger verbittert. Wie groß die Unzufriedenheit ist, zeigen
die prompt wieder aufflammenden Spekulationen über die Gründung einer
neuen Partei rechts von CDU und CSU. Angela Merkel hat es bislang
nicht geschafft, der CDU ein klares Profil zu geben. So richtig es
ist, dass mit einer reinen Unionslehre keine Wahl mehr zu gewinnen
ist, so falsch ist es auch, eine Partei mit ihren christlich
konservativen Wurzeln immer weiter zur linken Mitte hin zu
positionieren, sie zu "sozialdemokratisieren". Dadurch geht der
Markenkern verloren. Die Partei mäandert durch die politische Agenda,
ohne klare Zielrichtung, ohne eindeutige Werteskala. Wenn eine
Partei, die mit dem Slogan "Leistung muss sich wieder lohnen" in den
Wahlkampf zieht und dieses Versprechen in ihrer Regierungsarbeit dann
verrät, darf sie sich nicht wundern, wenn sie unglaubwürdig wird,
wenn sich die Leistungswilligen im Lande zunehmend ungerecht
behandelt fühlen. Der Frust der Enttäuschten ist mittlerweile so
groß, dass eine neue Partei rechts von CDU und CSU auf ein
Wählerpotenzial bis zu 20 Prozent zählen könnte. So weit hat es
Angela Merkel gebracht. Weil sie weder verstanden noch erfahren hat,
dass eine Volkspartei diesen Namen nur verdient, wenn sie
unterschiedliche Schichten, Werte und Meinungen vertritt und dies
alles zu einem Ganzen integriert. So werden Unionswähler zu
Nichtwählern. Deshalb dümpelt die Union bundesweit nur noch bei 30
Prozent. Und nichts hat sie wirklich getan, um starke
Meinungsvertreter der jeweiligen Flügel neben sich zu dulden. Das
rächt sich insbesondere unter der konservativen Anhängerschaft. Vor
der politischen Katastrophe einer Parteineugründung, wie der SPD mit
der Linkspartei geschehen, bewahrt die Union allein ihr Glück, dass
es an einem überzeugenden Initiator zum Aufbau eines Sammelbeckens
aller Unzufriedenen aus dem konservativen Spektrum fehlt.
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Datum: 11.09.2010 - 19:06 Uhr
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