Kirsten Boie: "Zeigefinger-Literatur funktioniert bei Kindern nicht"

Kirsten Boie: "Zeigefinger-Literatur funktioniert bei Kindern nicht"

ID: 288051
(ots) - Erfolgsautorin verrät, wie man Kinder und
Jugendliche für Zukunftsthemen begeistert - Lesung am 9.11. in der
DBU

Kirsten Boie (60) gehört für Fachleute zu den renommiertesten
deutschen Autorinnen des modernen Kinder- und Jugendromans. Außerdem
engagiert sich die gebürtige Hamburgerin unter anderem als Patin bei
der entwicklungspolitischen Organisation HelpAge Deutschland, deren
Projekt "Kartoffelspuren - Von Peru nach Osnabrück" von der Deutschen
Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördert wird. In diesem Rahmen wird
Boie am Dienstag, 9. November, 18 Uhr, auf Einladung von DBU und
HelpAge Deutschland aus ihrem historischen Abenteuerroman "Alhambra"
im Zentrum für Umweltkommunikation (ZUK) der DBU in Osnabrück lesen.
Wie kann man Kinder und Jugendliche für drängende Zukunftsthemen
interessieren? Die DBU hat im Vorfeld der Lesung mit der Autorin über
Jugend, Alter und Wissensvermittlung gesprochen.

DBU: Frau Boie, Sie sind Kinder- und Jugendbuchautorin, setzen
sich aber bei der Hilfsorganisation HelpAge für die Rechte älterer
Menschen ein. Wie passt das zusammen?

Boie: Da gibt es einen engen Zusammenhang - für Kinder sind zum
Beispiel die Großeltern ganz, ganz wichtige Ansprechpartner. Sie
stehen ihnen emotional sehr oft ebenso nah wie die Eltern, begleiten
das Aufwachsen der Enkel meistens aber mit sehr viel mehr
Gelassenheit. Großeltern können daher vor allem in Krisensituationen
wichtige Stützen sein. Entscheidend für mein persönliches Engagement
war aber eher die Situation alter Menschen in ärmeren Ländern.
Vielfach sind dort die traditionellen Familienstrukturen weggebrochen
- anstatt wie früher von ihren Kindern unterstützt zu werden, sind es
jetzt die Alten, die immer mehr Aufgaben übernehmen müssen. Denken
Sie etwa an die millionenfache Zahl der Großmütter, die ihre


Enkelkinder aufziehen, weil die Eltern an AIDS gestorben sind - das
habe ich in Afrika selbst erlebt und finde es schwer auszuhalten.

DBU: Viele Studien kommen zu dem Schluss, dass Kinder und
Jugendliche in Deutschland - wie viele Erwachsene auch - nur sehr
wenig über die Herkunft und Produktion ihrer Nahrungsmittel wissen.
Ein Grund zur Sorge oder ist dieses Wissen heutzutage nicht mehr
notwendig?

Boie: Natürlich sollten Kinder darüber etwas wissen! Nur wenn sie
wissen, dass die Wurst nicht in der Plastikfolie wächst und die Milch
nicht im Tetrapack bekommen ja auch Fragen nach der Art der
Tierhaltung, der Gabe von Antibiotika, konventioneller oder
biologischer Landwirtschaft, Massentierhaltung, et cetera einen ganz
persönlichen Bezug. Zum Verständnis ihrer Welt und der Möglichkeit,
sich aktiv mit ihr auseinanderzusetzen, gehört auch ein Verständnis
all dieser Zusammenhänge - natürlich immer in dem Maß, in dem es
Kindern der jeweiligen Altersgruppe zugänglich ist.

DBU: Klimawandel, Artenvielfalt und Nachhaltigkeit sind recht
komplexe Sachverhalte. Wie kann man Kinder und Jugendliche für solch
schwierige Themen interessieren?

Boie: Eigentlich glaube ich, dass gerade Kinder und Jugendliche da
sehr offen sind. Wir müssen in unseren Informationen nur möglichst
konkret und anschaulich bleiben. Abstraktes interessiert Kinder ja
nicht so, auch nicht, was in der fernen Zukunft passiert. Auch wenn
das natürlich ihre Zukunft sein wird - aber Kinder leben ja mehr als
wir Erwachsenen nur im Hier und Jetzt. Trotzdem, alles, was man an
Beispielen deutlich machen kann, hat bei ihnen eine gute Chance.
Darin liegen auch die Möglichkeiten von Literatur und Film.

DBU: Müssten sich zeitgenössische Kinder- und Jugendbücher nicht
noch viel mehr mit diesen wichtigen Themen beschäftigen?

Boie: Ich glaube, Zeigefinger-Literatur funktioniert bei Kindern
nicht. Nur wenn ein Thema auch für den Autor ein ernsthaftes Anliegen
ist und darum in seinem Kopf eine Geschichte entsteht, wird sie auch
den Leser anrühren können - zumindest ist das mein Eindruck. Aber es
gibt auf diesem Gebiet ja auch schon eine ganze Menge.

DBU: In Osnabrück werden Sie aus Ihrem Roman "Alhambra" vorlesen.
Wieso haben Sie dieses Buch ausgesucht?

Boie: Das hat zunächst einen ganz einfachen thematischen Grund:
Das Projekt in Osnabrück heißt "Kartoffelspuren"; viele Kinder wissen
gar nicht, dass die Kartoffel wie viele andere Lebensmittel erst vor
wenigen Jahrhunderten aus Amerika zu uns gekommen ist. Und in
"Alhambra" geht es eben um die Entdeckung Amerikas, aber auch um das
Zusammenleben der drei großen monotheistischen Religionen in
Andalusien am Ausgang des Mittelalters - und daraus lässt sich meiner
Meinung nach vieles für das Zusammenleben in der globalisierten Welt
der Gegenwart lernen.

DBU: Sie selbst wissen um den Klimawandel, die
Ressourcenverschwendung und Umweltverschmutzung. Haben Sie daraus
Konsequenzen gezogen und Ihre eigenen Konsum- und Lebensgewohnheiten
geändert?

Boie: Sicher nicht genug. Ich benutze öffentliche Verkehrsmittel,
wo das nur geht, kaufe, wann immer das möglich ist, biologisch
angebaute Lebensmittel, und jetzt im Herbst und Winter ziehe ich mich
im Haus wärmer an, statt zu heizen wie verrückt. Ich versuche
überhaupt Energie zu sparen - das mal so als Beispiel. Aber ich sehe
gleichzeitig, wie vor allem ein ständig zunehmender Zeitdruck eben
auch dazu führt, dass man diese Dinge vernachlässigt. Wenn die Zeit
fehlt, fährt man eben mittellange Strecken mit dem Auto, statt mit
dem Fahrrad; kauft im Supermarkt um die Ecke ein, statt im weiter
entfernten Biomarkt. Vor allem im Zusammenhang mit den
Verfilmungsprojekten der letzten Jahre bin ich sehr viel auch
innerhalb Deutschlands geflogen - ich glaube, dass eine bestimmte
Konferenzkultur überhaupt darauf beruht, dass es möglich ist, morgens
von Nord nach Süd zu fliegen und nachmittags dann wieder zurück. Das
ist inhaltlich oft ein riesengroßer Gewinn - für die Umwelt aber
natürlich eine Katastrophe. Zwischen Zeitmangel und Vernachlässigung
der Umwelt besteht wahrscheinlich bei vielen Menschen ein gewaltiger
Zusammenhang.

DBU: Sie wirken immer sehr gut gelaunt und aufgeräumt. Mit Blick
auf die Probleme dieser Erde - gibt es auch etwas, das Sie richtig
wütend macht? Boie: Wirke ich gut gelaunt?

Das ist toll. Das hängt dann vielleicht eher mit meinem
Privatleben zusammen als mit gesellschaftlichen Fragen. Denn da macht
mich so unglaublich vieles wütend, dass ich mit der Aufzählerei gar
nicht aufhören könnte, wenn ich erst einmal anfinge!

DBU: Hand aufs Herz: Haben Sie ein kleines unweltschädliches
Laster?

Boie: Na, reichlich. Davon habe ich vorhin ja schon gesprochen.
Ich glaube, eins unserer gegenwärtigen Probleme ist ja, dass sich
beides - ein aktives, auch engagiertes Leben und die dauerhafte
Berücksichtigung von Fragen der Umwelt - eben heute kaum noch
zufriedenstellend unter einen Hut bringen lassen. Aber ganz
ernsthaft: Ich arbeite daran!

Interview: Johannes Graupner, DBU

Informationen zur Lesung:

Der Eintritt zur Lesung am 9. November um 18 Uhr samt
anschließender Führung durch die DBU-Ausstellung "Klimawerkstatt -
Umweltexperimente für Zukunftsforscher" ist frei. Es steht jedoch nur
eine begrenzte Anzahl an Plätzen zur Verfügung. Wir bitten daher um
Reservierungen unter 0541-5805404 oder per E-Mail an
hethey@helpage.de.



Pressekontakt:
Ansprechpartner
Franz-Georg Elpers
Johannes Graupner
- Pressesprecher -
Anneliese Grabara

Kontakt DBU:
An der Bornau 2
49090 Osnabrück
Telefon:0541|9633521
Telefax:0541|9633198
presse@dbu.de
www.dbu.de

Ansprechpartner für Fragen zum Projekt:
HelpAge Deutschland
Lutz Hethey
Telefon:0541-5805404
Email:
hethey@helpage.de

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Datum: 03.11.2010 - 10:39 Uhr
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Osnabrück



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