Bundesgerichtshof legt Gebrauchtsoftware-Fall dem Europäischen Gerichtshof vor
Der BGH hat die Frage, ob der Handel mit „gebrauchten“ Softwarelizenzen bzw. der Weiterverkauf von Softwarelizenzen an Dritte rechtswidrig ist, dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Entscheidung vorgelegt (Beschluss vom 3. Februar 2011, Az. I ZR 129/08).
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein bekannter Gebrauchtsoftwarehersteller erwirbt „gebrauchte“ Softwarelizenzen, also urheberrechtliche Nutzungsrechte, vom ursprünglichen Lizenznehmer, der die Lizenzen nicht mehr benötigt, beispielsweise weil er Arbeitsplätze abgebaut hat, und verkauft diese mit Gewinn an Dritte weiter. Das Oberlandesgericht München hatte mit Urteil vom 3. Juli 2008 (Az. 6 U 2759/07) entschieden, dass dieser Lizenzhandel eine Verletzung der Urheberrechte eines bekannten US-Softwareherstellers darstellt und damit ein Urteil des Landgerichts München I vom 15. März 2007 (Az. 7 O 7061/06) bestätigt.
Der Gebrauchtsoftwarehändler hatte sein Geschäftsmodell auf ein Urteil des BGH vom 6. Juli 2000 (Az. I ZR 244/97) gestützt. Der BGH hatte damals entschieden, dass Microsoft einem Händler nicht verbieten kann, als „OEM-Version“ gekennzeichnete, unbenutzte, in Folie eingeschweißte Originaldatenträger ohne einen neuen PC weiterzuverkaufen. Ob und wenn ja in welchem Umfang und zu welchen Bedingungen der Käufer dieser Originaldatenträger berechtigt ist, die Software zu installieren und zu nutzen, entschied der BGH damals nicht.
Kunden des Gebrauchtsoftwarehändlers erhalten jedoch regelmäßig keine Originaldatenträger, und der Gebrauchtsoftwarehändler lässt sich von den ursprünglichen Lizenznehmern regelmäßig keine Originaldatenträger übergeben. Heutzutage wäre in vielen Fällen eine Übergabe eines Originaldatenträgers zudem schon deshalb nicht möglich, weil viele Lizenznehmer sich die Software über das Internet herunterladen – so auch in dem aktuellen BGH-Fall. Der ursprüngliche Lizenznehmer übergibt dem Gebrauchtsoftwarehändler lediglich ein Schriftstück, in dem er ohne irgendeinen Nachweis behauptet, rechtmäßiger Inhaber der Softwarelizenzen zu sein, diese jedoch nicht weiter zu verwenden. Der Gebrauchtsoftwarehändler gibt dieses Schriftstück aber nicht an die Kunden weiter, sondern legt es einem Notar vor, der sodann ohne Nennung des Namens des ursprünglichen Lizenznehmers schriftlich bestätigt, dass ihm dieses Schriftstück vorgelegen habe. Die Kunden des Gebrauchtsoftwarehändlers erhalten lediglich diese notarielle Bestätigung sowie eine selbstgedruckte Lizenzurkunde. Die Software selbst erhalten sie regelmäßig nicht vom Gebrauchtsoftwarehändler, sondern sie müssen sich die Software anderweitig beschaffen, also kopieren. Die Kunden können daher anhand der Unterlagen, die sie vom Gebrauchtsoftwarehändler erhalten, nicht nachweisen, dass die Lizenzen ursprünglich ordnungsgemäß erworben wurden, wer ursprünglicher Lizenznehmer war, und dass dieser die Lizenzen tatsächlich nicht mehr nutzt.
Dieses Geschäftsmodell unterscheidet sich grundlegend von dem Fall, den der BGH im Jahr 2000 zu entscheiden hatte. Der betreffende Gebrauchtsoftwarehändler vertreibt keine unbenutzten Originaldatenträger, sondern bloße Nutzungsrechte. Nutzungsrechte dürfen gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 Urheberrechtsgesetz nur mit Zustimmung des Rechtsinhabers, also des Softwareherstellers, übertragen werden. An dieser Zustimmung fehlt es, wenn der Lizenzvertrag wie in dem aktuellen BGH-Fall vorsieht, dass nur nicht übertragbare Nutzungsrechte eingeräumt werden. Ob sich aus dem so genannten Erschöpfungsgrundsatz, der in diesem Zusammenhang vielfach zitiert wird, etwas anderes ergibt, wird nunmehr der EuGH entscheiden. Nach dem Gesetzeswortlaut rechtfertigt der Erschöpfungsgrundsatz nur die Weitergabe von Originaldatenträgern, nicht aber die Weitergabe des Rechts zur Installation der Software auf der Festplatte eines Rechners und des Rechts zur Benutzung der Software.
Die Gerichte letzter Instanz der EU-Mitgliedstaaten, also auch der BGH, sind gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV verpflichtet, Fragen über die Auslegung des Europäischen Rechts dem EuGH vorzulegen. Das Bundesverfassungsgericht hat kürzlich entschieden, dass eine Verletzung der Vorlagepflicht an den EuGH gegen die Garantie des gesetzlichen Richters aus Art. 101 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz verstößt und daher mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden kann (Beschluss vom 30. August 2010, Az. 1 BvR 1631/08). „Diese Entscheidung betraf den I. Zivilsenat des BGH und dürfte der Grund dafür sein, dass der Senat nicht ohne EuGH-Vorlage entscheiden wollte“, erläutert die Vertreterin des Softwareherstellers, Rechtsanwältin Dr. Truiken Heydn, und ergänzt: „Der Senatsvorsitzende Prof. Dr. Bornkamm machte im Verkündungstermin deutlich, dass der Senat im Ergebnis zugunsten des Softwareherstellers entschieden hätte, wenn die Vorlageverpflichtung nicht bestünde.“
Bis zur Entscheidung des EuGH sind die bisherigen Entscheidungen der Oberlandesgerichte weiterhin maßgebend, nämlich das Urteil des OLG München vom 3. Juli 2008 (Az. 6 U 2759/07) sowie die Entscheidungen des OLG Frankfurt/Main vom 12. Mai 2009 (Az. 11 W 15/09) und vom 22. Juni 2010 (Az. 11 U 13/10) und des OLG Düsseldorf vom 29. Juni 2009 (Az. I-20 U 247/08), die sich der Auffassung des OLG München in vollem Umfang anschlossen.
Nach dieser Rechtsprechung ist der Handel mit ‚gebrauchten‘ Softwarelizenzen, mit Lizenz-Keys oder mit rechtmäßig selbst hergestellten Sicherungskopien auf Datenträgern rechtswidrig. Bislang hat sich kein Oberlandesgericht für eine Zulassung des Handels mit ‚gebrauchten‘ Softwarelizenzen ohne Zustimmung des Softwareherstellers ausgesprochen.
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Datum: 03.02.2011 - 16:31 Uhr
Sprache: Deutsch
News-ID 341698
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Kontakt-Informationen:
Ansprechpartner: Dr. Truiken Heydn
Stadt:
München
Telefon: 089 13957660
Kategorie:
Internet
Meldungsart: Erfolgsprojekt
Versandart: Veröffentlichung
Freigabedatum: 03.02.2011
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