Wasserstoff bei nuklearen Störfällen / Welche Rolle spielt das Gas in Fukushima?
ID: 367883
Kernkraftwerk Fukushima waren gekennzeichnet von mehreren
Wasserstoffexplosionen. Vier Reaktorblöcke sind bisher dadurch schwer
beschädigt worden. Der DWV hält es für wichtig, zur Information
darüber beizutragen, wo dieser Wasserstoff herkam, wo er nicht herkam
und wie es zu den Explosionen kam.
Wasserstoff gehört nicht zu den Betriebsmitteln einer
kerntechnischen Anlage. Im normalen Betrieb taucht er in der Nähe der
Brennstäbe nicht in nennenswerten Mengen auf. Die Kühlung des
Reaktors erfolgt mit Wasser. Kleine Mengen Wasserstoff und Sauerstoff
entstehen zwar laufend in der Nähe der Brennstäbe durch Radiolyse von
Wasser (Spaltung durch ionisierende Strahlung). Die Mengen sind aber
nicht gefährlich und werden vielfach unverzüglich durch katalytische
Konverter wieder abgebaut, in denen die Gase ohne eine Flamme zu
Wasser reagieren. Der Wasserstoff stammt auch nicht aus Thermolyse
des Wassers (Spaltung durch hohe Temperaturen). Die dafür notwendigen
Temperaturen von mindestens 2500 °C werden auch im Störfall nicht
erreicht.
Die Quelle des Wasserstoffs ist eine andere: Die Hüllen der
Brennstäbe, die den Kernbrennstoff zusammenhalten, bestehen
hauptsächlich aus dem Metall Zirkonium. Wenn die Brennstäbe im
Störfall nicht mehr ausreichend gekühlt werden, erreichen sie weit
höhere Temperaturen als vorgesehen. Bei etwa 1000 °C beginnt das
Metall an den Oberflächen zu oxidieren. Da es aber rund um den
Reaktorkern keinen freien Sauerstoff gibt, reagiert das Metall mit
dem Wasserdampf und entzieht diesem den Sauerstoff. Nimmt man dem
Wasser den Sauerstoff weg, bleibt Wasserstoff übrig.
Es entsteht zunächst also nur Wasserstoff, kein Knallgas. Unter
letzterem versteht man ein Gemisch aus Wasserstoff und reinem
Sauerstoff im genauen Verhältnis 2:1. Im vorliegenden Fall wird der
Sauerstoff jedoch für die Reaktion verbraucht und nicht freigesetzt.
Radiolyse erzeugt Knallgas, aber nur in kleinen Mengen. Thermolyse
würde ebenfalls Knallgas erzeugen, aber sie liegt hier nicht vor.
Trotz der Anwesenheit des Wasserstoffs besteht am Ort seines
Entstehens, im Reaktordruckbehälter, keine Explosionsgefahr, da kein
Sauerstoff vorhanden ist. Wasserstoff selbst ist nicht explosiv, nur
seine Gemische mit Sauerstoff (reiner Sauerstoff oder Luft) können es
sein. Außerdem muss einem solchen Gemisch noch Zündenergie zugeführt
werden. Durch die im nuklear abgeschalteten Reaktor weiter anfallende
Nachzerfallswärme und die exotherme Oxidation der Metalle durch den
Dampf erhöht sich aber der Gasdruck. Zugleich werden die
druckführenden Strukturen weiter erhitzt, was ihre Festigkeit
vermindert. So droht die Gefahr, die Reaktorumschließung mechanisch
zu überlasten.
Lässt man daher das Wasserdampf/Wasserstoff-Gemisch in die
Umgebung entweichen, um das System zu entlasten, vermischt sich der
Wasserstoff mit Luft, und dann sind explosionsfähige Gemische leicht
möglich. (Knallgas ist auch das nicht, weil zum Gemisch noch andere
Gase außer Wasserstoff und Sauerstoff gehören, vor allem Wasserdampf
und Stickstoff.) Gerade in einem Störfall kommt man auch leicht an
Zündenergie, zumal diese bei den hier zu erwartenden erhöhten
Konzentrationen recht niedrig liegt. Das zündwilligste
Wasserstoff/Luft-Gemisch ist das mit einer Konzentration von 23 %;
die Anwesenheit von Wasserdampf reduziert allerdings die
Zündfähigkeit, bis bei ca. 60% Dampfanteil die Gemische überhaupt
nicht mehr gezündet werden können.
Die Explosionen in Block 1 und 3 in Fukushima haben sich außerhalb
des Sicherheitsbehälters im Gebäude ereignet und haben die Gebäude
schwer beschädigt, die Sicherheitsbehälter dagegen nicht. Daraus kann
man schließen, dass die Dinge so abgelaufen sind wie oben
beschrieben. Bei Block 2 sind allem Anschein nach auch noch
Komponenten im Sicherheitsbehälter beschädigt worden. Die genauen
Umstände dieses Falles können im Moment noch nicht beurteilt werden.
Im Block 4 lief die Wasserstofferzeugung nicht im Reaktor ab, sondern
in einem Wasserbecken, in dem zur Zeit des Erdbebens nicht benutzte
Brennelemente gelagert wurden und das danach unfallbedingt
unzureichend gefüllt war; so befand sich das Gas gleich im Gebäude
statt zunächst im Sicherheitsbehälter.
Pressekontakt:
Dr. Ulrich Schmidtchen
Deutscher Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verband e.V. (DWV)
Post: Tietzenweg 85/87, 12203 Berlin
Tel.: (030) 398 209 946-0, Fax: -9
E-Mail: h2@dwv-info.de
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Datum: 16.03.2011 - 10:59 Uhr
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