Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Flüchtlinge
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Angesichts des Leids, mit dem Japan nach Erdbeben, Tsunami und
Atomkatastrophe derzeit erleben muss, ist der Hilferuf aus Rom an die
Europäische Union wegen des Flüchtlingsstromes übertrieben. Der
italienische Ministerpräsident warnt vor einem menschlichen Tsunami.
Ausgerechnet Berlusconi, der sich kürzlich noch als einer der engsten
Freunde des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi brüstete, versucht
sich innenpolitisch Luft zu verschaffen, indem er sich als Mann der
schnellen Abschiebungen darstellt. Italien macht sich kleiner als es
tatsächlich ist. Rom benutzt die winzige Mittelmeerinsel Lampedusa,
um eine angebliche Überforderung mit Flüchtlingen zu beklagen. Mehr
als 25 000 Menschen haben seit Anfang 2011 Italien erreicht. Das hört
sich nur auf den ersten Blick viel an. Allein Deutschland hatte zu
Zeiten des Balkankrieges weit mehr als 100 000 Flüchtlingen Schutz
geboten. Das selbst vor gewaltigen Herausforderungen stehende
Tunesien hat in drei Monaten mehr als 200 000 Menschen aufgenommen.
Die meisten sind vor den Gewaltexzessen in Libyen geflohen. Wenn
jemand Grund hätte, auf die Hilfe der Gemeinschaft zu setzen, ist es
Tunesien, nicht Italien. Ohne Solidarität kann die EU nicht
funktionieren. Bei genauem Hinsehen zeigt sich, dass Italien noch
längst nicht seine Aufnahmefähigkeit erreicht hat. Die meisten
Asylbewerber pro Million Einwohner hat im vergangenen Jahr übrigens
Zypern aufgenommen (3580). Italien hat mit 165 noch viel Luft nach
oben. Deutschland kommt auf einen Wert von 595. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass Italien ebenso wie Griechenland kaum Asylgründe
anerkennt. Entweder werden die Flüchtlinge aus Italien umgehend
wieder nach Nordafrika gebracht oder sie schlagen sich durch nach
Frankreich oder Großbritannien. Die wenigsten wollen in den
Bayerischen Wald oder in den Hochtaunus. Deshalb geht die Drohung aus
Bayern und Hessen nach der Wiedereinführung von Grenzkontrollen an
der Wirklichkeit vorbei. Gerade die Tunesier gelten als gut
ausgebildet. Nur haben sie bisher in ihrer Heimat keine Zukunft
gesehen. Der deutsche Arbeitsmarkt ist in der Lage, einige Tausend
aufzunehmen. Noch weigern sich die EU-Staaten, ein einheitliches
rechtsstaatliches Asylverfahren einzuführen, fordern aber
gleichzeitig Hilfe von der EU. Wir sitzen in einem Boot. Deshalb ist
die Gemeinschaft gezwungen, in der Asylfrage und bei der Aufnahme von
Flüchtlingen zu gleichen Standards zu kommen. Die EU muss den Druck
vom Kessel nehmen. Die Lebensbedingungen in den Herkunftsländern
müssen verbessert werden. Eine geordnete Zuwanderung ist der zweite
Schritt. Mit der Flucht aus der Verantwortung, wie sie in Italien zu
beobachten ist, ist keinem gedient.
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Andreas Kolesch
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Datum: 11.04.2011 - 21:30 Uhr
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