Deutsche Umwelthilfe kritisiert falsche Schwerpunktsetzung bei Förderung der Elektromobilität
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"Regierungsprogramm Elektromobilität" behindert Einstieg in die
Elektromobilität statt sie zu fördern - DUH fordert Stopp der
Selbstbedienung von Automobilherstellern und Stromkonzernen an
Steuergeldern - Vorrang für Ausbau der Elektrifizierung von Schiene
und öffentlichem Nahverkehr - Kaufanreize für Pkw unter 90 Gramm
CO2/km aufkommensneutral über höhere Steuern für Spritschlucker
finanzieren - Keine Förderung von Elektrofahrzeugen ohne
Effizienzanforderung
Bei der heutigen Anhörung des Verkehrsausschusses des Deutschen
Bundestages hat die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) grundlegende
Änderungen am "Regierungsprogramm Elektromobilität" gefordert.
Andernfalls werde das Programm sein Ziel verfehlen, mit der
Forcierung der Elektromobilität die nationalen CO2-Emissionen zu
reduzieren und zur Verbesserung der Luftqualität insbesondere in den
Innenstädten beizutragen. Der Kardinalfehler des Regierungsprogramms
sei, dass es ausgerechnet die Förderung von Segmenten der
Elektromobilität in den Mittelpunkt stelle, die entweder gar nicht,
ineffektiv oder erst in ferner Zukunft wirken werden, erklärte
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch vor dem Bundestagsausschuss.
So würde mit der Regierungsstrategie die Entwicklung von Pkw und
Nutzfahrzeugen vorangetrieben werden, die aufgrund ihrer
Leistungsbegrenzung auch auf lange Sicht ein Nischenprodukt bleiben
und allenfalls als "Drittwagen" eingesetzt würden. Dagegen solle es
für bereits weit fortgeschrittene oder ausgereifte Technologien keine
Unterstützung zur beschleunigten Markteinführung geben. Dringend
notwendig und kurzfristig wirksam im Sinne von Klimaschutz und
Luftreinhaltung sei beispielsweise die Vollelektrifizierung der
Schieneninfrastruktur in Deutschland und der Ausbau der kommunalen
Elektromobilität in Gestalt von Straßenbahn und Oberleitungsbussen,
sagte Resch. "Das ´Regierungsprogramm Elektromobilität´ behindert den
Einstieg in die Elektromobilität mehr, als dass es sie fördert. Es
zeigt eindrucksvoll, wie große Industrieun¬ternehmen in Deutschland
ungeniert das politische Handeln einer Bundesregierung im eigenen
Firmeninteresse steuern".
Nach Überzeugung der DUH ist die einseitige Ausrichtung auf rein
elektrische Fahrzeuge der falsche Weg, die Elektromobilität
erfolgreich zu fördern, da diese Fahrzeuge nach allen seriösen
Prognosen auch in zehn Jahren noch auf wenige Anwendungsbereiche
beschränkt sein werden. Teilelektrifizierte Antriebe bei Pkw und
Nutzfahrzeugen sind dagegen bereits heute marktfähig und
technologisch ausgereift. Diese sollen jedoch nach dem
Regierungsprogramm in Deutschland - anders als in praktisch allen
anderen Industrienationen der Welt - weiterhin nicht unterstützt
werden. Ein Blick nach Japan oder Frankreich zeige hingegen, wie eine
schnelle Marktdurchdringung mit besonders energieeffizienten
Fahrzeugen erreicht werden kann. Das Instrument der Wahl hierfür sei
eine gezielte, insgesamt aufkommensneutral gestaltete Förderung von
Fahrzeugen mit niedrigen CO2-Emis-sionen. Dies sei geeignet die
Entwicklung von teilelektrifizierten und effizienten Fahr¬zeugen und
ihre Zulassung in hoher Zahl zu beschleunigen.
Die DUH geht davon aus, dass in Deutschland statt der von der
Bundesregierung anvisierten eine Million Elektrofahrzeuge im Jahr
2020 allenfalls 300.000 bis maximal 500.000 zugelassen sein werden
und damit gerade einmal ein Prozent des Fahrzeugbestandes. In der
Perspektive werden ausschließlich rein elektrisch betriebene
Fahrzeuge (Pkw und Lkw) bis weit in die 20er Jahre dieses
Jahrhunderts nur einen geringen Beitrag zum Klimaschutz leisten
können. Sie kommen für den privaten Nutzer allenfalls als Fahrzeug
für spezielle Anlässe ("Drittwagen") in Frage. Darüber hinaus sei der
Einsatz reiner Elektrofahrzeuge in gewissem Umfang in regional
betriebenen Fahrzeugflotten denkbar - jedoch auch in diesem Fall nur,
sofern hohe finanzielle Anreize die Mehrkosten kompensieren.
Angesichts leerer Staatskassen sei dies aber wenig realistisch.
"Die Mitglieder des Deutschen Bundestages müssen sich dem Versuch
der Industrie widersetzen, nach den fünf Milliarden Euro
Abwrackprämie nun eine weitere Milliarde an Steuermitteln abzugreifen
und diese im Sinne von Klimaschutz und Luftreinhaltung wenig effektiv
einzusetzen. Dieses Geld kann sinnvoller verwendet werden. Überfällig
sind etwa Marktimpulse hin zu CO2- reduzierten und schadstoffarmen
Fahrzeugen", erläuterte Resch. Der DUH-Bundesgeschäftsführer
erinnerte daran, dass immer noch Dienstwagen umso stärker finanziell
gefördert werden, je höher die Motorisierung, die CO2-Emmissionen und
deshalb auch die Kosten seien. Resch schlug vor, Kaufanreize für Pkw
zu setzen, die weniger als 90 Gramm CO2/km ausstoßen. Das
Anreizprogramm müsse aufkommensneutral über erhöhte Steuern für
Spritschlucker gestaltet werden. Im Ergebnis werde dies
beispielsweise die Entwicklung der Hybridtechnologie beflügeln, bei
die deutsche Automobilindustrie weit hinterherhinke. Die pauschale
Förderung von Elektrofahrzeugen ohne Effizienzanforderung sei dagegen
der falsche Weg.
Die Fehlsteuerung schon der bisherigen Elektromobilitätsförderung
der Bundesregierung zeige sich schlaglichtartig an dem laufenden
Programm "Modellregionen Elektromobilität". Resch: "Der
Sportwagenbauer Porsche griff für den Bastel-Umbau von drei Porsche
918 Boxster auf Elektromotoren einen Staatszuschuss in Höhe von
2.882.832 Euro ab. Offizielles Ziel dieses ´Leuchtturmprojektes
Elektromobilität´ ist, ´ein Spurtvermögen von 5,5 Sekunden für den
Sprint von 0 auf 100, und eine Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h´ zu
erreichen." Als "Gipfel der Fehlsteuerung" bezeichnete Resch die
Förderung von zwei konkurrierenden Kleinstprogrammen für
Hybrid-Busse durch das Umwelt- und das Verkehrsministerium. Letzteres
unterstütze den Umbau von Hybrid-Bussen ohne Dieselrußfilter vor
allem durch den Daimler-Konzern.
Die DUH lehnt auch die geplante Mitnutzung von Busspuren durch
Elektrofahr-zeuge ab. Damit werde die Attraktivität des öffentlichen
Personennahverkehrs weiter sinken, weil Busse und Taxen umso
langsamer vorankämen, je mehr Elektromobile die Busspuren nutzten.
Die Stellungnahme der Deutschen Umwelthilfe zur Anhörung des
Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages finden Sie unter:
http://www.duh.de/pressemitteilung.html?&tx_ttnews[tt_news]=2598
Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer,Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-0, Mobil: 0171
3649170, resch@duh.de
Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik & Presse, Deutsche Umwelthilfe
e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-0, Mobil:
0171 566057, rosenkranz@duh.de
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Datum: 25.05.2011 - 10:34 Uhr
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