"Panorama"-Spezialsendungüber das "Lügenfernsehen": Wie Privatsender ihre Zuschauer in die Irre führen
Sendetermin: Donnerstag: 7. Juli, 21.45 Uhr, Das Erste
ID: 435659
lustlose Hartz-IV-Empfängerin, Hauptsache laut. Nie aber durfte
Ramona ihr wahres Leben spielen, denn das ist offenbar für die
RTL-"Realitäts-Sendung" mit dem Titel "Mitten im Leben" zu
langweilig. Sie schreit und wütet wie ein Schauspieler nach
Regieanweisungen. RTL erklärt dazu auf Anfrage, es existiere "kein
detailliertes Dialog-Drehbuch, das vor Drehbeginn abgestimmt" werde.
Solche Geschichten haben "Panorama"-Reporterin Anja Reschke und
ihr Team bei ihren Recherchen zum "Lügenfernsehen" (Panorama, 7.
Juli, 21.45 Uhr, Das Erste) am laufenden Band gefunden: scheinbare
Realität entpuppt sich als Inszenierung. Manchmal kennzeichnen die
Sender solche Flunkereien im Abspann, etwa als "Scripted Reality",
manchmal auch nicht. Die Formate haben Erfolg. Wenn "Information" im
Privatfernsehen geschaut wird, dann ist es immer mehr solches
Infotainment. Für die Landesmedienanstalten - sie sollen die
Privatsender kontrollieren und deren Informationsanteil messen - ein
heikles Thema. Prof. Hans-Jürgen Weiß und sein Institut ("Göfak")
erstellen seit 1997 Programmanalysen für die Landesmedienanstalten.
Selbst den Experten fällt es schwer zu unterscheiden, welche Formate
noch echt sind und welche nicht. Erst seit kurzem ordnet Weiß
sogenannte "Scripted Reality" nicht mehr als Publizistik, sondern
konsequent als Unterhaltung ein. Prompt sank zum Beispiel der
gemessene Informationsgehalt der RTL-Tochter Vox von 27 Prozent auf
15 Prozent. Dabei ist die Neueinordnung nur begrenzt möglich, weil
die Sender nicht alle der fraglichen Sendungen besonders
kennzeichnen, etwa als "Schauspiel". Ungekennzeichnete Sendungen wie
"Mitten im Leben" hübschen so weiter die Statistik auf - als
"Publizistik". Dass Fiktion und Realität immer mehr vermischt wird,
betrachtet Weiß als "Täuschung" der Zuschauer.
Auch der medienpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Wolfgang Börnsen geht inzwischen auf Distanz zum Privatfernsehen.
"Was die Privaten eben nicht einhalten, ist ihre Funktion in einer
Demokratie (...). Wir können es uns nicht leisten, nur durch ein
Schlichtprogramm zu informieren." Börnsen hält das bisherige
Kontrollsystem durch die Landesmedienanstalten für nicht ausreichend,
um etwa "bei den Falschdokus einen Riegel vorzuschieben". Börnsen
weiter: "Sie werden noch in dieser Legislaturperiode erfahren, dass
wir mit einem Maßnahmenkatalog an die Öffentlichkeit treten, um
nichtvertretbare Auswüchse zu ändern." Konkrete Maßnahmen kann die
Bundesebene allerdings nicht ergreifen, da für die Privatsender die
Länder zuständig sind.
Auch der ehemalige Bundesminister Christian Schwarz-Schilling, in
dessen Amtszeit das Privatfernsehen in Deutschland eingeführt wurde,
ist "entsetzt" darüber, wie Information in Teilen des
Privatfernsehens aussieht. Er versteht nicht, dass die Politik nicht
handelt, und fordert eine klare Kennzeichnung von Fiktion im
Informationsprogramm. Wenn TV nicht mehr glaubwürdig ist, könne das
"eine Gesellschaft in eine chaotische und falsche Richtung bringen."
RTL-Sprecher Christian Körner betonte auf Anfrage im Mai, dass RTL
sich grundsätzlich an Regeln halte und Verantwortung wahrnehme. Viele
der fraglichen Sendungen seien nicht direkt von RTL, sondern von
beauftragten Produktionsfirmen erstellt worden. Körner weiter: "Die
Tatsache, dass Sie vier Folgen gefunden haben, die nach Ihrem
Informationsstand und aus Ihrer Sicht kritisch sind, davon keine
aktuelle, sondern zurückliegende aus den vergangenen drei bis vier
Jahren, spricht dafür, dass die Zusammenarbeit mit beauftragten
Produktionsfirmen jedenfalls in den allermeisten Fällen
gerechtfertigt ist."
Manchmal sind nicht nur die Zuschauer von Privatsendern die
Betrogenen, sondern die Objekte der Berichterstattung selbst. Etwa
Familie Fischbach aus St. Goarshausen. Die RTL-Sendung "Unterm
Hammer" versprach, bei der Versteigerung ihres Hauses zu helfen. Der
Preis: alles vor laufender Kamera. Die Familie war glücklich, hatte
die Hoffnung, endlich ihre Schulden los zu werden. Doch tatsächlich
wurde die Auktion nur gespielt. Die scheinbaren "Bieter" und
"Käufer": bloß Schauspieler. Fischbachs erfuhren von alledem erst
nach dem Dreh. Das Haus war nur zum Schein, nur für die gute Quote
verkauft worden. Die Fischbachs haben bis heute ihr Haus nicht
verkauft und sitzen noch immer auf ihren Schulden. RTL erklärte auf
Anfrage, man habe "Unterm Hammer" nach dieser Folge eingestellt und
arbeite mit der Produzentin nicht mehr zusammen.
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Datum: 05.07.2011 - 11:10 Uhr
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