BERLINER MORGENPOST: Kommentar zu den Maßnahmen der Europäischen Zentralbank
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Zentralbank (EZB) verspottet. Jean-Claude Trichet hatte ankündigt,
nach einigen Wochen Pause würden die Währungshüter wieder
Staatanleihen Griechenlands und Portugals aufkaufen. Damit, stichelte
ein Analyst, handele der EZB-Präsident wie ein Feuerwehrchef, der bei
einem Großbrand seine Wagen rausschickt - allerdings an einen Ort, an
dem es gar nicht brennt. Da ist was dran. Griechenland und Portugal
werden bereits mit den Hilfsmilliarden ihrer Euro-Partner versorgt,
sie sind vom Kapitalmarkt, auf dem sie Schulden nur zu horrenden
Zinsen aufnehmen könnten, abgekoppelt. Die Sorge gilt derzeit
vielmehr Italien und Spanien. Diese beiden Länder sind nach wie vor
auf das Geld privater Gläubiger angewiesen; das aber bekommen sie nur
um den Preis deftiger Risikoaufschläge. Daher erscheint es auf den
ersten Blick nur konsequent, wenn die EZB nun doch italienische und
spanische Staatsanleihen kauft. Denn so steigt die Nachfrage nach
diesen Papieren und damit ihr Preis - was bedeutet, dass ihre
effektive Verzinsung sinkt. Der Druck der Märkte auf Italien und
Spanien wird so gelindert, die Regierungen dieser Länder bekommen
wieder Luft zum Atmen. Dies ist denn gestern auch passiert, die
Renditen italienischer und spanischer Anleihen sanken. Vertrauen in
die Stabilität der Euro-Zone aber hat die Aktion nicht geschaffen,
sonst wären die Kurse an den Aktienmärkten wohl kaum erneut derart
stark nach unten gerauscht wie am Montag. Dass etwas konsequent ist,
bedeutet ohnehin nicht, dass es auch richtig ist. Mit ihren neuen
Stützungskäufen überschreitet die EZB erneut einen Rubikon. Schon
dass die Zentralbanker überhaupt mit Anleihenkäufen in das
Marktgeschehen eingreifen, ist fragwürdig. Denn letztlich werden so
Staatsschulden mit der Notenpresse finanziert. Genau dafür aber sind
Zentralbanken nicht da, und genau deswegen hat man sie einst in die
Unabhängigkeit entlassen: Sie sollten sich um die Stabilität des
Geldwerts kümmern - und sich nicht von der Finanzpolitik
instrumentalisieren lassen. Bislang half die EZB Ländern mit
Stützungskäufen aus, die mit den Euro-Partnern schriftlich fixierte
und engmaschig überwachte Konsolidierungs- und Sparprogramme
vereinbart hatten - wie Portugal. Italien und Spanien dagegen kommen
nun auch ohne solche Programme in den Genuss der Zentralbank-Hilfe.
Die Regierungen beider Länder haben, mehr oder minder vage, "neue
Maßnahmen und Reformen auf den Gebieten der Finanz- und
Strukturpolitiken" angekündigt, wie Trichet in einer Stellungnahme am
späten Sonntagabend lobte - mehr aber auch nicht. Nun mag es in
Krisen zuweilen unumgänglich sein, mit Prinzipien zu brechen. Der
aktuelle Prinzipienbruch aber hätte nicht einmal in Erwägung gezogen
werden müssen, wenn die Regierungen Berlusconi und Zapatero in den
vergangenen zwölf Monaten beherzt auf die Ansteckungsgefahren
reagiert hätten, die von der Griechenland-Krise ausgingen.
Stattdessen werden diese Regierungen nun, da sie sich tatsächlich
angesteckt haben, von der EZB gepäppelt. Das Signal, das damit aus
Frankfurt an die Hauptstädte der Euro-Länder gesendet wird, ist ein
verheerendes.
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Datum: 08.08.2011 - 20:08 Uhr
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