Strom in Grenzen halten

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Strom in Grenzen halten


Wenn die Stromstärke im Supraleiter die Ausl



(pressrelations) -
Wenn die Stromstärke im Supraleiter die Auslegungsgrenzen übersteigt, bricht der supraleitende Zustand schlagartig zusammen - ein gewollter Effekt bei supraleitenden Strombegrenzern. Jüngst ging im Vattenfall-Kraftwerk im sächsischen Boxberg der erste Strombegrenzer ans Netz, der auf Yttrium-Barium-Kupfer-Oxid-Bandleitern (YBCO) basiert. Zeit für ein erstes Resümee. Professor Dr. Mathias Noe, Leiter des Instituts für Technische Physik (ITEP) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und Dr. Joachim Bock, Leiter Vertrieb und Marktentwicklung von HTS-Systemen bei Nexans, ziehen im BINE-Interview eine erste Bilanz.

Die erste Generation der Bismut-Strontium-Calcium-Kupfer-Oxid-Keramikleiter (BSCCO) wurde bereits über ein Jahr im Kraftwerk getestet. Sind bis heute Ereignisse aufgetreten, bei denen sie ihre Funktion unter Beweis stellen mussten?
Bock: "Der erste Feldtest im Kraftwerk ist sehr erfolgreich verlaufen. Vor diesem Einsatz ist das System ausführlichen Leistungstests unterzogen worden und dabei auch wiederholt Kurzschlüssen ausgesetzt gewesen. Im Kraftwerk sind Kurzschlussereignisse sehr selten und Zweck des Feldtests im Kraftwerk ist es jetzt nicht noch einmal das Verhalten bei Kurzschlüssen zu testen. Es soll vielmehr die Zuverlässigkeit des Systems geprüft werden und untersucht werden, ob es sich problemlos in die Struktur des Kraftwerkes und die dort bestehende Schutztechnik integriert.

Wie geht es nach der Felderprobung weiter?
Noe: "Im Anschluss an die Felderprobung sind weitere Tests beabsichtigt. In jedem Fall wird untersucht, ob sich die Stromtragfähigkeit verändert hat. Weiterhin ist es sinnvoll, die Wechselstromverluste zu überprüfen und mit den vor dem Feldtest gemessenen Werten zu vergleichen."

Beide Systeme (BSCCO und YBCO) sind vor ihrem Einsatz intensiv getestet worden. Gibt es bereits Vergleiche aus dem Labor?
Bock: "Beide Systeme haben bei den Tests ihre jeweiligen Designwerte erreicht und funktionieren einwandfrei. Der Unterschied der Systeme besteht im Wesentlichen in den Stromdichten, die im Falle der YBCO-Bandleiter höher sind. Dadurch ergeben sich Unterschiede im Begrenzungsverhalten, die YBCO-Leiter begrenzen den ersten Peak stärker ? was ein Vorteil sein kann, falls es gewünscht ist. BSCCO-Leiter sind dagegen vorteilhaft bei Anwendungen mit kurzzeitig auftretenden hohen Überströmen, wie z.B. Motoranlaufströmen, die ohne Quench verlaufen sollen. Das bedeutet, dass der supraleitende Zustand erhalten bleiben muss. YBCO-Bandleiter wiederum besitzen geringere Wechselstromverluste, was die Betriebskosten senkt, dafür sind die Investitionskosten für BSCCO noch geringer. NSC hat beide Varianten im Portfolio und da es sehr viele unterschiedliche Anwendungen und somit Anforderungen für Strombegrenzer gibt, sehen wir für beide Varianten sinnvolle Anwendungsmöglichkeiten."



Gibt es weitere Nutzungsmöglichkeiten für die neuen Strombegrenzer?
Noe: "Es gibt eine große Zahl von Anwendungsmöglichkeiten in vielen Bereichen und auf nahezu allen Spannungsebenen. Das geht vom Eigenbedarf im Kraftwerksbereich über Mittelspannungsanwendungen in Verteilnetzen (z. B. Kuppeln von Sammelschienen, Einbinden von zusätzlichen Erzeugern) bis hin zu Hoch- und Höchstspannungsnetzen (z. B. Kuppeln von Teilnetzen)."

Welche Erfahrungen haben Sie mit den neuen YBCO-Supraleitern und dem System bisher gemacht? (Schäden, Ausfälle?)?
Bock: "Alle verwendeten Supraleiter wurden vor Ihrem Einsatz intensiv getestet und es gab erfreulicherweise praktische keine Ausfälle bei den Komponenten. Da der resistive supraleitende Strombegrenzer eigensicher ist, würden mögliche Schäden oder Degradationen des Leiters auch nicht zu einem Versagen der Funktion des Begrenzers führen, sondern lediglich den Ersatz entsprechender Komponenten erfordern. Die Zuverlässigkeit des Systems wird im Wesentlichen durch die Zuverlässigkeit des Kühlsystems bestimmt. Da das Kühlsystem sehr einfach aus einem Vorratsbehälter besteht, sind dort keine Ausfallzeiten zu erwarten."

Bisher sind die Hochtemperatursupraleiter (HTS) der zweiten Generation noch teurer als die silberhaltigen; sie bieten aber ein weit höheres Potenzial der Kostensenkung. Bis wann könnte Ihrer Meinung nach die YBCO-Bandleiter günstiger als die bisherigen Bandleiter hergestellt werden?
Noe: "Hier muss zunächst noch einmal klargestellt werden, dass der silberhaltigen BSCCO-Leiter (anders als der keramische BSCCO-Massivleiter) nicht in Strombegrenzern verwendet werden kann. Die Aussage, dass YBCO-Bandleiter teurer sind als BSCCO-Leiter, gilt aktuell für den Betrieb im Eigenfeld und bei 77 Kelvin. Bei Magnetfeldstärken von einigen Tesla und tieferen Temperaturen ist YBCO bereits heute konkurrenzfähig zu BSCCO-Bandleitern. Ich bin überzeugt, dass sich das Preis-Leistungsverhältnis von YBCO-Bandleitern signifikant verbessern lässt, da der Materialeinsatz vergleichsweise gering ist und die Kosten durch das Fertigungsverfahren dominiert werden. Somit ist es eine Frage der Kapazität und der produzierten Menge. Beim BSCCO-Bandleiter ist der Preis sehr viel stärker durch das Material bestimmt und das Fertigungsverfahren ist einfacher. Hier sind keine signifikanten Kostensenkungen zu erwarten."

In Essen wird es ein neues Supraleiterkabel geben. Wieso hat dieses einen eigenen Strombegrenzer?
Bock: "In supraleitenden Kabeln können wegen der hohen Betriebsströme auch sehr hohe Kurzschlussströme auftreten. Ein Schutz dagegen ließe sich grundsätzlich in das Kabel integrieren. Wir haben uns jedoch entschlossen die Funktionen zu trennen, weil die Kurzschlussströme besonders vorteilhaft durch supraleitende Strombegrenzer in zulässigen Grenzen gehalten werden können. Dadurch wird das Design des Kabels einfacher und die Verfügbarkeit im Falle von Kurzschlüssen erhöht. Das soll in Essen demonstriert werden."

Bisher gab es einen Engpass in der Supraleiterfertigung. Gibt es da bald Neuigkeiten?
Noe: "Hier treten derzeit weltweit einige neue Hersteller auf den Plan und die bisher bekannten erweitern ihre Fertigungskapazitäten. Zukünftig wird also ein größeres Angebot zu erwarten sein. Dies ist auch dringend erforderlich, da beispielsweise 2011 die weltweite Jahresproduktion nur bei einigen 100 Kilometer lag. Das reicht zwar für einige Strombegrenzer, aber noch lange nicht für den Bedarf, den Energiekabel, Transformatoren oder Generatoren auslösen."

Wie ist das Potenzial der HTS ganz allgemein?
Bock: "Das Potenzial ist enorm, da sich nach Ansicht vieler Experten breite Anwendungsbereiche für die Querschnittstechnologie Supraleitung erschließen lassen, sobald das Preis-Leistungs-Verhältnis konventioneller Leiter erreicht wird. Hier ist immer eine Systembetrachtung notwendig um die Vorteile von supraleitenden Lösungen insgesamt zu würdigen. Die Anwendungsbereiche der Supraleitung erstrecken sich über Medizintechnik, Wissenschaft, Energietechnik, Elektronik und Transport. Aus meiner Sicht ist die entscheidende Frage, vor allem in der Energietechnik, nicht ob, sondern wann sich das Potenzial erschließen lässt."

Marktpotenzial: Welche Folgeprojekte sind denkbar?
Noe "Da energietechnische Komponenten für elektrische Netze, unabhängig davon ob sie nun supraleitend sind oder nicht, in der Regel hohe Investitionen erfordern und langlebig sein müssen, stehen die Sicherheit und die Zuverlässigkeit des Betriebes im Vordergrund. Um das prüfen sind dauerhafte Netzinstallationen meiner Ansicht nach zwingend erforderlich. Darauf sollte bei Folgeprojekten mit supraleitenden Kabeln und Strombegrenzern besonders geachtet werden Technisch ist dies ohne weiteres machbar und die Nachfragen und das Interesse daran sind seit den ersten erfolgreichen Feldversuchen deutlich gestiegen."

Hintergrund

Beide Systeme (BSCCO und YBCO) sind ausgelegt für 12.000 Volt und 800 bzw. 560 Ampere und schützen vor Schäden in Folge von Kurzschlüssen. Sie wurden entwickelt und hergestellt von der Nexans SuperConductors GmbH in Hürth, an der Entwicklung der Komponenten aus YBCO-Bandleitern (auch bezeichnet als Supraleiterdrähte der zweiten Generation) war das Institut für Technische Physik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) beteiligt.


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Datum: 06.02.2012 - 15:45 Uhr
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