DER STANDARD-Kommentar: "Noch eine Partei der Tüchtigen" von Conrad Seidl
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und sparsam leben, alle Überschüsse brav sparen und dann den Rest
seines Lebens von den Zinserträgen bestreiten können. So sieht die
ökonomische Unabhängigkeit aus, die Frank Stronach am Donnerstag
allen Österreichern in Aussicht gestellt hat - ein Heilsversprechen
aus einer anderen Welt. Es stammt aus der Welt des
Rentenkapitalismus, in dem Couponschneider - Dividenden wurden früher
gegen Abgabe eines Coupons ausbezahlt - ein gutes Auskommen haben;
vorausgesetzt, sie verfügen über ein entsprechend großes
Wertpapierdepot. Ein Durchschnittsverdiener kann so ein Depot nicht
einmal mit sehr erfolgreichen Wertpapierspekulationen anhäufen.
Stronachs Rechenbeispiel geht allenfalls für Leute auf, die eine gute
Business-Idee haben, diese umsetzen und nach 20 Jahren Kasse machen.
Aber das gelingt selbst in Amerika nur einigen tausend
Unternehmensgründern. Und diese haben - entgegen dem gerne gepflegten
Mythos - in der Regel auch nicht als Tellerwäscher angefangen,
sondern ihr Startkapital in Form von Bildung und Darlehen von daheim
mitbekommen. In diesem Sinn ist Frank Stronach eine echte Ausnahme:
Als Immigrant hat er wirklich ganz unten angefangen, er kann bewegend
von dem am eigenen Leib verspürten Hunger erzählen. Er war tüchtig -
und er hatte das Glück des Tüchtigen.
Merkwürdig ist, dass Stronach meint, dass der Erfolg, den er sich
selbst erarbeitet hat, beliebig vervielfältig werden könnte. Und dass
sich die eigene Erfolgsstory als politisches Programm lesen ließe.
Das tut sie nicht: Was der Herr Milliardär als "Neue Werte für
Österreich" zu vermarkten versucht, ist eine Mischung aus
anekdotenhaft erzählten Lebensweisheiten à la: "Der Erfolg des Lebens
kann nur gemessen werden daran, wie glücklich man ist. Es ist
leichter, glücklich zu sein, wenn man das Geld hat." Ergänzt wird es
um Schlagworte wie "Weniger Verwaltung, mehr Leistung!" - wobei
Stronach verspricht, er wolle "die Verwaltung zivilisiert abbauen,
nicht mit der Motorsäge". Oder: "Ich möchte von niemandem dominiert
werden. Die Frage ist: Wie können wir die Ketten der Dominanz
durchtrennen?"
Man merkt: Stronach und sein Team haben viele gute Anregungen
zusammengetragen. Die Idee mit der Mitarbeiterbeteiligung könnte aus
der christlichen Soziallehre stammen (im Familienbetrieb von
Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl wurde sie schon vor Jahren
umgesetzt). Die Kritik an den Banken und ihrer Macht könnte
geradewegs aus einem Attac-Papier kopiert worden sein. Die Forderung
nach Beseitigung von Steuerprivilegien klingt nach Sozialdemokratie.
Und wenn Stronach Transparenz fordert, dann spricht geradezu ein
Vertreter der Grün-Bewegung aus ihm.
Der dick unterstrichene Begriff "Fairness" wendet sich wohl an
freiheitliche Wähler.
Aber macht das schon ein Programm für eine halbwegs umsetzbare
Politik aus? Nein, im Gegenteil: Am Donnerstag hat sich eine Partei
der ideologischen Beliebigkeit vorgestellt, die ihren Führerkult mit
Versatzstücken aus anderen Programmen zu behübschen versucht.
Das ist erlaubt - aber es muss sich in langen Diskussionen auf
Umsetzbarkeit abklopfen lassen. Und Stronach hat sich bisher als ein
schlechter, unduldsamer Diskutant erwiesen.
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Datum: 27.09.2012 - 19:01 Uhr
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"Stronachs ideologische Versatzstücke zeigen mehr Widersprüche als Programmatik"; Ausgabe vom 28.09.
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