Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Mindestlohn und Arbeitsrecht
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nutze - außer zu Fensterreden und Versprechen, die nach dem Urnengang
zu Grabe getragen werden. Wer so denkt, irrt. Die Tarifparteien der
Leiharbeitsbranche führen in dieser Woche vor, wie man mitten im
Wahlkampf Politik macht. Während andere über Halsketten und
Stinkefinger lästern, schaffen sie Fakten. Der Forderung nach einem
staatlich festgelegten Mindestlohn von 8,50 Euro wurde der Wind aus
den Segeln genommen, indem die wichtige und umstrittene
Leiharbeitsbranche sich freiwillig darauf verpflichtete.
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen hat sofort die Bedeutung für
den aktuellen Wahlkampf erkannt und nachgeliefert. Schon einen Tag
später wurde der Mindestlohn in einer weiteren Branche für
allgemeinverbindlich erklärt und in zweien angehoben. Plötzlich steht
die SPD, die sich den Wählern als Partei der sozialen Gerechtigkeit
empfiehlt, ohne Schirm im Regen: Während sie fordert, erscheint die
Union als die Partei, die handelt: 12 der 13 Branchenmindestlöhne
wurden von Arbeitsministern der CDU verbindlich festgelegt. Vergessen
ist der Augenblick, da Kanzlerin Angela Merkel vor den Augen der
Fernsehzuschauer ziemlich hilflos auf den Fall eines seit zehn Jahren
bei der gleichen Firma beschäftigten Leiharbeiters reagierte. Nun
sollte auch die zeitliche Begrenzung kein Tabu mehr sein. Ohnehin
sind nur 15 Prozent der Betroffenen länger als ein Jahr im gleichen
Unternehmen beschäftigt. Leiharbeit ist der Preis für das
arbeitnehmerfreundliche deutsche Kündigungsrecht. Er ist vertretbar,
wenn er nicht gegen die Stammbelegschaft eingesetzt wird. Noch gibt
es unfaire Löhne - zum Beispiel für Friseure (im Osten 6,50 Euro) und
Regaleinräumer (6,63 Euro). Unfair bezahlt werden auch
Scheinselbstständige etwa in der Transportbranche, die gezwungen
sind, sich selbst ausbeuten. Das Gleiche gilt für manche Hospitanten
und Praktikanten, wenn sie monatelang ganz ohne Entgelt arbeiten. Wie
bei den Mindestlöhnen, so kam auch bei den Werkverträgen in den
vergangenen Wochen Bewegung in die Diskussion. Auslöser waren der Tod
zweier rumänischer Arbeiter der Papenburger Meyer-Werft und Berichte
über Zustände in der Fleischwarenindustrie. In einem Fall wurde
bereits ein Tarifvertrag abgeschlossen, der auch die Wohnverhältnisse
berücksichtigt. Im anderen wird nun wenigstens verhandelt. Je besser
die Vorschrift, desto größer ist aber die Gefahr, dass sie von
schwarzen Schafen umgangen wird. Schwarzarbeit zu verhindern, ist
Pflicht staatlicher Kontrolle. Und wenn auch sie 100-prozentig
funktioniert? Dann könnte sein, dass es zwar nur noch faire
Arbeitsplätze gibt, aber zu wenige, um alle zu beschäftigen. Zur
ganzen Wahrheit gehört, dass Menschen aus unterschiedlichen Gründen -
Ausbildungsschwäche, Krankheit, Behinderung - am ersten Arbeitsmarkt
nicht konkurrenzfähig sind. Sie haben einen Anspruch darauf, nicht
vergessen zu werden.
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Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261
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Datum: 18.09.2013 - 20:00 Uhr
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