Krieg um kluge Köpfe

Krieg um kluge Köpfe

ID: 1036

Personalchaos in Deutschen Callcentern
Viele Callcenter-Dienstleister brauchen keine neuen Aufträge, sondern neues, gutes Personal. Warum
aber verkaufen die meisten Unternehmen zwar ihre Leistung am Markt hochprofessionell, gegenüber den
Bewerbern dann aber nur noch laienhaft? Der SCOUT berichtet über Ideen und Lösungsansätze.

Die Callcenter-Branche hat bekanntermaßen einen nicht allzu guten Ruf. Zu Unrecht! Denn trotz der schwarzen Schafe – den Unternehmen mit eher zwielichtigem Geschäftsmodell – und den teilweise
noch vorhandenen unterirdischen Serviceleistungen stellt man fest, dass in vielen Callcentern heutzutage auf sehr hohem Niveau gearbeitet wird. Vorbei sind die Zeiten, in denen es ausreichte zu wissen, wie eine Maus bedient wird oder wie herum ein Telefonhörer ans Ohr zu halten ist. Das Callcenter als Zufluchtsort für Studenten auf dem Sprung, die Hausfrau nach dem dritten Kind oder für einen Haufen gestrandeter Existenzen mag für Unternehmen mit mehreren Tausend Mitarbeitern noch Realität sein. Da es hier prozentual nicht ins Gewicht fällt, wenn auch mit eher eingeschränkten – zeitlichen oder persönlichen – Kapazitäten ausgestattete Arbeitnehmer das Feld bestellen. Aber in den vielen kleinen Dialogmarketing-Agenturen mit weniger als 100 Mitarbeitern hilft es niemandem weiter, einfach nur da zu sein und Adressen kaputtzutelefonieren, um sich so vor der Arbeitslosigkeit zu schützen. Allein die Anforderungen: Multilingualität mit mindestens drei Sprachen, multi-skilled in den Feldern Design, IT, Marketing und Psychologie sowie natürlich grundsätzliche Multitaskingfähigkeit. Derartige Mitarbeiter wachsen nicht auf jedem Baum – und wenn endlich gefunden, lassen sie sich mit nur 6,50 € Bruttolohn nicht pflücken und auspressen.
Es stellen sich zwei entscheidende Fragen:
1. Wie findet man solche High-Potentials und
2. bindet sie dann auch noch erfolgreich, das heißt langfristig, an das eigene Unternehmen?

Baustelle: Stellenausschreibung
Mit der richtigen Stellenausschreibung fängt es an. Dieser Fallstrick bringt die Ersten ins Straucheln: „Callcenter-Mitarbeiter gesucht!“ ist nun mal eine äußerst bescheidene Umschreibung für einen Arbeitsplatz, an dem so viel mehr gefordert wird als ein paar Nummern richtig zu wählen und „Hallo, mein Name ist Lieschen …“ zu sagen. Es gilt mit dem, was gefordert wird, nicht hinterm Berg zu halten. Existiert für zukünftige Mitarbeiter kein klares Anforderungsprofil, wartet die vakante Position




vermutlich bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag auf eine adäquate Besetzung. Eine klare Differenzierung zwischen „must have“ und „nice to have“ hat ebenfalls noch niemandem geschadet. Wer nicht sagt, was er will, bekommt eben nicht, was er braucht!

Sehen und gesehen werden
Gerade in Callcentern ist es gängige Praxis, Teamleiter- und andere Führungspositionen überwiegend mit Personen aus den eigenen Reihen zu besetzen. Diese Methode ist an und für sich nicht verwerflich, hat sogar viele Vorteile. Allerdings können so weder alle Stellen belegt noch neue Mitarbeiter gewonnen werden. Das heißt, jeder Unternehmer steht in der Verantwortung, das eigene
Unternehmen – auf der Suche nach geeigneten Mitarbeitern – positiv am Markt darzustellen. Das konkrete Wissen um den eigenen Bedarf und die Fähigkeit, diesen in einer Stellenbeschreibung exakt zu artikulieren, reichen indes nicht aus, die richtigen Adressaten zu erreichen. Um fähige Leute zu fangen, muss man entweder wissen wie und wo zu suchen ist oder die Werbung für den eigenen Betrieb muss stimmen. Der Klassiker der Mitarbeiterwerbung ist hierbei noch immer die Stellenanzeige in Zeitungen oder Fachmagazinen bzw. auf den so genannten Jobbörsen wie jobpilot, stepstone, monster oder dem SIS des Arbeitsamtes. Wer sich aber auf diese Anzeigen beschränkt, ist wie ein einsamer Rufer in der Wüste: Irgendwann heiser aber ohne Gefolgschaft.
Nutzen Sie für die professionelle Personalbeschaffung weitere Kanäle:
1. Bewerber-Börsen bieten eine Vielzahl an Profilen
2. Auf der eigenen Homepage findet sich kostenloser Anzeigenplatz
3. Online-Foren, Experten-Netzwerke oder virtuelle Jobmessen bieten den direkten Austausch im Gespräch mit Interessenten
4. Spezielle Freelancer-Plattformen eignen sich für einzelne Projekte
5. Soziale Netzwerke können sowohl die Unternehmensdarstellung als auch die Mitarbeitersuche fördern
6. Einsatz von Zeitarbeitsfirmen: Einige Wochen testen und bei Bedarf übernehmen.
7. präsentieren Sie sich da, wo sich die potentiellen Kandidaten tummeln – z.B. auf www.danielsonne.de

Publicity durch Guerilla-Maßnahmen
Wenn allerdings die üblichen Verdächtigen der Rekrutierungsformate keinen Erfolg bringen, gilt es die
ausgestapften Pfade zu verlassen und sich mit intelligenten, witzigen und besonders einfallsreichen Kampagnen nach vorne zu wagen. Öffentlichkeit durch Guerilla-Marketing erhält natürlich nur der, bei dem es nicht an Kreativität fehlt. Wenn vermieden werden soll, dass auch im x-ten Brainstorming-Meeting der „Kreativköpfe“ nichts Besseres entsteht als eine Mitarbeitergesuch-U-Bahn-Plakat-Aktion – wie bei einigen Berliner Callcenter-Betreibern anscheinend üblich – sollten Sie eine entsprechende kreativitätsfördernde Unternehmenskultur etablieren. Nur mal so am Rande: 76 % der Ideen entstehen außerhalb der Firma – beim Sport, in der Natur, Zuhause, auf Geschäftsreisen oder in den Ferien. Allerdings bringen nur zufriedene und motivierte Mitarbeiter diese Ideen wieder mit an den Arbeitsplatz. Beispiele für gelungene Aktionen gibt es genug. So kam z.B. Scholz & Friends auf die äußerst erfolgreiche Idee der „Pizza Digitale“. In Kooperation mit einem ortsansässigen Lieferservice
wurde über einige Wochen hinweg zusätzlich zu jeder Bestellung von direkten Branchen-Konkurrenten eine „Pizza Digitale“ mitgeliefert. Auf der Pizza wurde mit Tomatensoße ein QR-Code dargestellt. Die kreativen Köpfe der Konkurrenz, die, nachdem sie ihren Hunger gestillt hatten, diesen Code mit ihrem Smartphone einscannten, wurden direkt auf eine Internetseite mit einem passenden Stellenangebot von Scholz & Friends verfrachtet. Auch Jung von Matt hatte eine brillante Idee. Noch vor dem Start von „Facebook Places“ verschaffte sich die Firma Zugang zu der Anwendung – über eine iPhone-App und ein Virtual-Personal-Network zur Vortäuschung einer amerikanischen IP. Die Orte der direkten Wettbewerber wurden vor dem Deutschlandstart einfach selbst angelegt. Wenn dann ein Mitarbeiter
oder Kunde sich mit seinem mobilen Gerät über Places bei den Agenturen der Konkurrenz einbuchte, tauchte auf dem Display der Ahnungslosen auf einmal diese Zeile auf: „Erster! Wärt ihr auch gern? Dann checkt doch ein bei www.jvm-neckar.de/jobs wir suchen neue Köpfe!“ – nicht ohne Erfolg!
Aufmerksamkeit erregen auch T-Shirt-Aktionen, wie zum Beispiel die von Landor Associates Sie bedruckten T-Shirts, um bei der „Lead Awards“-Verleihung in Hamburg als lebende Stellenanzeige zu fungieren. Dass es auch noch kurioser geht, berichtete 2007 die Londoner Times in ihrer Online-Ausgabe. Es wurde erläutert, über welchen neuen Kanal sich die Aufsichtsbehörde der britischen
Geheimdienste – GCHQ (Government Communications Headquarters) – um neue Mitarbeiter bemühte: Einfach mal die Mitarbeiter-Werbung in spionageorientierten Computer-Spielen wie zum Beispiel „Splinter Cell: Double Agent“ schalten! Der Videospieler als potentieller Agent. Wie gesagt: Kein Plan erscheint zu abwegig. Der springende Punkt ist, durch ungewöhnliche Maßnahmen neue Potentiale zu erschließen.

Telefoninterview vs. Bewerbungskladde
Wenn nun die gewünschte Flut an Bewerbungen erzeugt wurde, stellt sich die Frage nach dem weiteren Verlauf im Umgang mit den Bewerbern. Noch ist hierbei die Sichtung schriftlicher Bewerbungsunterlagen der unbestreitbare Alleinherrscher unter den Vorauswahl-Modulen im Bewerbungsprozess – und dies obwohl eine derartige Selektion weder besonders präzise oder weitsichtig wäre noch durch ein mehr als nur extrem vages Ergebnis besticht. Ist die Beurteilung von schriftlichen Bewerbungen überhaupt geeignet, eine vernünftige Vorauswahl zu treffen? Vergessen Sie es! Schon nach kurzer Zeit verkommt das eigentlich notwendige intensive aber mühselige Studieren erst zu einem partiellen Querlesen, um dann in einem schnellen, unkonzentrierten Überschlagen der Unterlagen zu münden. Dies liegt vor allem daran, dass allein die schiere Menge an Bewerbungen eine angemessene und zeitaufwändige Bearbeitung nicht zulässt. Dadurch dass die vollkommen standardisierten Bewerbungen sich mittlerweile wie ein Ei dem anderen gleichen, wird eine qualifizierte und begründete Auswahl auch nicht besonders erleichtert. Um tatsächlich etwas über den Kandidaten zu erfahren, – ohne ihn gleich in ein Ressourcen raubendes Assessment-Center einladen zu müssen – empfiehlt sich daher der Griff zum Hörer: Führen Sie ein Telefoninterview! Denn gerade dort, wo das Telefon zum hauptsächlichen Arbeitsgerät gehört und Stimme sowie sprachlicher Ausdruck ein wichtiges Einstellungskriterium sind, wäre es grob fahrlässig, sich ausschließlich auf eine schriftliche Bewerbung zu verlassen. Auch die Einrichtung einer telefonischen Bewerber-Hotline für die erste Kontaktaufnahme hilft dem Callcenter-Betreiber wesentlich weiter als ein ausgeklügeltes AC nach
einem schriftlichem Bewerbungsverfahren. Selbstverständlich kommt man bei täglichen Bewerbungen im dreistelligen Bereich nicht umhin, auch den schriftlichen Weg anzubieten und die Unterlagen dann wenigstens auf Ordnung, Vollständigkeit, Ausdruck, Präsentation, Referenzen oder Lücken im Lebenslauf zu prüfen. Es gilt: Je größer die Menge, desto grobmaschiger das erste Sieb. Aber eins ist sicher: Ohne ein prüfendes Telefonat werden zu viele Kandidaten ohne echte Dialog-Kompetenz
ins eigene Haus gebeten.

Nachhaltigkeit durch Motivation
Einen guten Mitarbeiter zu werben, ist nicht leicht, ihn zu halten und zu motivieren ungleich schwerer. Das Beratungsunternehmen Gallup kommt im „Engagement Index 2009“ zu dem Ergebnis, dass sich nur 11 % der Mitarbeiter für ihre Arbeit einsetzen, 66 % Dienst nach Vorschrift machen und ganze 23 % sich auf die faule Haut legen. Edgard Pisani sagte einmal, dass Chef nicht der ist, der etwas tut, sondern der das Verlangen weckt, etwas zu tun. Wie also motiviert man seine Mitarbeiter? Man schafft ein attraktives Arbeitsumfeld und eine verbindliche Unternehmenskultur, die zur Beteiligung der Mitarbeiter an den Unternehmensprozessen anhält. Möglichkeiten dem anspruchsvollen Vorhaben nachzukommen, wären Maßnahmen wie:
1. Finanzielle Anreize (Beteiligungen oder zusätzliche Beiträge zur Altersvorsorge)
2. Gemeinsames Festlegen von Zielen
3. Einräumen eines Mitspracherechts bei wesentlichen Unternehmensentscheidungen
4. Schaffung von Selbstentfaltungsmöglichkeiten
5. Sicherstellen von Transparenz am Arbeitsplatz, damit jeder seine Teilleistung im Zusammenhang mit dem Ganzen sehen kann
Die Liste ließe sich natürlich beliebig erweitern und verlängern. Entscheidend ist, dass alle Maßnahmen darauf abzielen sollten, die Bereitschaft zur Erbringung von Leistung und die erzeugte Effektivität zu erhöhen. Das gelingt sobald die Belegschaft sich gedanklich und emotional am Schicksal des Unternehmens beteiligt.

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Leseranfragen:

CallCenter SCOUT - Redaktion
Sebastian Hundt
redaktion(at)call-center-scout.de



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Bereitgestellt von Benutzer: CallCenterScout
Datum: 27.10.2011 - 07:20 Uhr
Sprache: Deutsch
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Ansprechpartner: Sebastian Hundt
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Berlin


Telefon: 082111440

Kategorie:

Personalmanagement


Art der Fachartikel: Personalie
Versandart: Veröffentlichung
Freigabedatum: 27.10.2011

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"Krieg um kluge Köpfe"
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