WESTERWELLE-Interview für den "Münchner Merkur)
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WESTERWELLE-Interview für den "Münchner Merkur")
Frage: In Bayern fliegen die Fetzen. Wundern Sie sich über die Vehemenz, mit der in der schwarz-gelben Koalition aufeinander eingeprügelt wird?
WESTERWELLE: Die Bundeskanzlerin hat vom "Kräuseln des Sees" gesprochen. Ich würde von Fingerhakeln der CSU reden. Glauben Sie mir: Das wird schon wieder.
Frage: In Ihren Augen ist die CSU/FDP-Koalition in München nicht in Gefahr?
WESTERWELLE: In den letzten Tagen hat die CSU mindestens zehnmal erklärt, dass sie das erfolgreiche Koalitionsmodell Schwarz-Gelb auch auf die Bundesebene übertragen möchte. Diese Aussage gilt für mich.
Frage: "Erfolgreiches Modell"? Der CSU ist das Regieren mit der FDP ein Graus.
WESTERWELLE: Das kann ich nicht beurteilen. Aber eines steht fest: Für Bayern und seine Bürger ist es gut, dass die FDP etwas zu sagen hat. Gibt es noch ein wichtigeres Kriterium?
Frage: Macht Wirtschaftsminister Zeil seine Arbeit so schlecht, wie Ministerpräsident Seehofer behauptet?
WESTERWELLE: Ich bin richtig froh, dass die Regierungsbeteiligung der FDP nach Jahrzehnten absoluter CSU-Mehrheit für frischen Wind in Bayern sorgt. Und ich unterstütze den stellvertretenden Ministerpräsidenten des Freistaates Bayern, Martin Zeil, bei seiner Politik, weniger auf die ganz großen und stattdessen mehr auf die mittleren und kleineren Unternehmen zu achten.
Frage: Drei Wochen noch bis zur Bundestagswahl. Herr Westerwelle, üben Sie schon fleißig für das Amt des Außenministers?
WESTERWELLE: Wer welchen Posten in der nächsten Bundesregierung übernimmt, werden zuerst die Wähler entscheiden und dann die Koalitionsverhandlungen ergeben. Jeder hat an der Stelle zu arbeiten, an der er Deutschland am Besten dienen kann.
Frage: Erfüllt es Sie nicht mit Neid, wenn Wirtschaftsminister zu Guttenberg der FDP die Themen wegschnappt?
WESTERWELLE: Er ist ein intelligenter Mann und hat gute Ideen, aber leider so wenig Rückhalt in der Großen Koalition, dass er bislang nichts durchsetzen konnte. Niemand ist so dringend auf die FDP als Koalitionspartner angewiesen wie Herr zu Guttenberg, weil er sich sonst weiter den Kopf an der schwarz-roten Mauer einrennt.
Frage: Auch Sie könnten sich den Kopf einrennen ? an der Wand des Kanzleramts: CDU-Kanzlerin Merkel hält die FDP-Forderung, die Bürger nach der Wahl um 35 Milliarden Euro zu entlasten, für illusionär.
WESTERWELLE: Die Bundeskanzlerin weiß, dass ich einen Koalitionsvertrag nur unterzeichnen werde, wenn darin ein niedrigeres, einfacheres und gerechteres Steuersystem vereinbart ist. 350 Milliarden Euro werden jedes Jahr in der Schwarzarbeit ausgegeben. Wenn es uns gelingen würde, durch ein faires und einfaches Steuersystem nur 20 Prozent davon in die ordentliche Wirtschaft zurückzuholen, ist die Frage der Finanzierbarkeit schon beantwortet. Die Große Koalition sagt, sie hätte kein Geld für Steuersenkungen, aber für die Abwrackprämie wurden über Nacht mal eben 5 Milliarden ausgegeben, ohne dass dadurch dauerhaft ein Arbeitsplatz sicherer würde.
Frage: Seit den Landtagswahlen am 30. August wittert die SPD Morgenluft. "Verlassen Sie sich darauf: Ich werde Kanzler", sagt SPD-Kandidat Steinmeier. Schwarz-Gelb habe keine Mehrheit und sei "nicht gewollt".
WESTERWELLE: Die SPD backt kleine Brötchen. Mittlerweile sind die Sozialdemokraten schon zufrieden, wenn sie in Sachsen so viele Stimmen bekommen wie die FDP.
Frage: Aber auch die Liberalen können nicht zufrieden sein. Was helfen der FDP die schönsten Wahlergebnisse, wenn die Union zu schwach ist, um eine gemeinsame Regierung zu bilden?
WESTERWELLE: Die FDP regiert demnächst in den sechs größten Ländern gemeinsam mit der Union, Sachsen eingeschlossen. 60 Millionen der insgesamt 82 Millionen Deutschen leben in Ländern, die von Schwarz-Gelb regiert werden. Das ist eine großartige Entwicklung. Ich kann mich noch gut daran erinnern, welch ungläubige Blicke ich früher geerntet habe, als ich etwa für Bayern von der Möglichkeit einer schwarz-gelben Regierung gesprochen habe.
Frage: SPD und Grüne warnen vor der "sozialen Kälte" einer schwarz-gelben Bundesregierung...
WESTERWELLE: Das ist doch Unfug. Diese Schwarz-Gelbe-Socken-Kampagne der Linken wird nicht verfangen. Schwarz-Gelb steht für eine Politik der sozialen Gerechtigkeit und zugleich der wirtschaftlichen Vernunft.
Frage: Kritische Stimmen kommen auch aus der Union: Ex-CDU-General Geißler wirft der FDP vor, sie habe aus der Wirtschaftskrise nicht gelernt, CSU-Chef Seehofer prangert das neoliberale Programm der Liberalen an.
WESTERWELLE: Herr Geißler hat sich im letzten Jahrhundert politische Verdienste erworben. Was Herrn Seehofer betrifft: Ich habe mir fest vorgenommen, in diesem Interview nichts über ihn zu sagen, rein gar nichts. Das lasse ich abtropfen. Ich werde in gut zwei Jahren 50 und stelle fest, dass meine Gelassenheit ins Unermessliche wächst.
Frage: Sie wirken sehr gelassen. Dabei müsste es in Ihnen brodeln?
WESTERWELLE: (lacht) Wenn ich mal einen Psychiater brauche, werde ich Sie anrufen.
Frage: Seehofer hat Sie ein "Sensibelchen" genannt...
WESTERWELLE: Wenn es um die immer stärkere Belastung der Bürger mit Steuern und Abgaben geht, bin ich sehr sensibel. Die Große Koalition ist schlecht für Deutschland und eine Linksregierung darf es nicht geben. Deshalb erkläre ich: Wir wollen bei der Bundestagswahl eine bürgerliche Mehrheit aus FDP und Union. Das sage ich ohne Wenn und Aber. Die CSU muss sich keine Sorgen machen: Ich bin eine treue Seele.
Frage: Trotzdem haben CDU und CSU Zweifel, ob Sie es ernst meinen.
WESTERWELLE: Ich halte eine Zusammenarbeit mit SPD und Grünen nach der Bundestagswahl für ausgeschlossen, weil deren Politik auf eine Mehrbelastung der Bürger hinausläuft. Da machen wir nicht mit. Wir wollen Entlastungen für die Bürger und haben vorgerechnet, dass es geht.
Frage: Sie sagen, Sie halten eine Ampel-Koalition mit SPD und Grünen für ausgeschlossen, Sie sagen aber nicht: "Ich schließe das aus."
WESTERWELLE: Ich hätte doch schon nach der Wahl 2005 Vizekanzler einer solchen Koalition werden können, wenn ich den Lockrufen von Gerhard Schröder und der SPD gefolgt wäre. Aber uns ist kein Ministerposten so wichtig, dass wir unsere Ideale, unser Programm und unsere Wahlversprechen vergessen würden. Mein Ziel ist es nicht, dass auf dem Grabstein eines Tages steht: Er war mal Bundesminister.
Frage: Empfinden Sie "neoliberal" eigentlich als Schimpfwort?
WESTERWELLE: Liberal ? das ist ein wunderbares Wort. Ich habe diese seltsamen Vorsilben nie verstanden. Die FDP will Freiheit zur Verantwortung, nicht Freiheit von Verantwortung. Wir waren immer der Meinung, dass der Staat nicht der bessere Banker ist. Nicht umsonst haben die Staatsbanken mit Abstand das meiste Geld versenkt.
Frage: Gibt es nicht auch für den FDP-Chef Anlass zur Selbstkritik, etwa was die Forderung nach freien Finanzmärkten betrifft?
WESTERWELLE: Im Gegenteil! Wir sind nach der Krise fester in unseren Überzeugungen als vorher. Die FDP will einen starken Staat, der Rahmenbedingungen setzt, seiner Verantwortung nachkommt und sich auf die Kernaufgaben konzentriert. Ein Staat, der jeden Rauchkringel vermessen will, aber bei der Bankenaufsicht systematisch wegsieht, ist ein schwacher Staat. Vor einem Jahr hat die Kanzlerin eine Neuregelung der Bankenaufsicht angekündigt, doch bis heute ist nichts passiert. Union und SPD mahnen auf internationalen Gipfeltreffen mehr Kontrolle an, sind aber nicht in der Lage, einfachste Hausaufgaben im eigenen Land zu machen.
Frage: Aus den internationalen Investmentbanken kommt die Ansage, der Staat solle sich bei Manager-Gehältern und Boni gefälligst heraushalten.
WESTERWELLE: Es hat Auswüchse gegeben, aber mir geht es weniger um die Frage, wer wieviel verdient. Was mich stört ist der Umstand, dass viele Topverdiener in großen Konzernen für ihre Fehlentscheidungen nicht geradestehen müssen. Stattdessen erhalten sie hohe Abfindungen und müssen für den Rest ihres Lebens das furchtbare Schicksal unter der Sonne Mallorcas ertragen. Das ist nicht in Ordnung zum Beispiel gegenüber all den mittelständischen Unternehmern, die für ihren Betrieb bis zum letzten Hosenknopf haften. Die Kultur der Verantwortung, die den Mittelstand prägt, muss für die gesamte Wirtschaft gelten.
URL: http://www.liberale.de
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Datum: 08.09.2009 - 02:34 Uhr
Sprache: Deutsch
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