LG Berlin: Freispruch vom Vorwurf der Energiesteuerhinterziehung
ID: 1606299

(firmenpresse) - Mit Urteil vom 17.04.2018 hat das Landgericht Berlin drei Angeklagte vom Vorwurf der Energiesteuerhinterziehung freigesprochen (519 KLs 7/17). Die Staatsanwaltschaft hatte den Angeklagten vorgeworfen, in 761 Fällen Energiesteuern in Höhe von insgesamt ca. 9,35 Millionen Euro hinterzogen zu haben.
Die Angeklagten hatten jeweils in Deutschland versteuertes markiertes Heizöl in andere Mitgliedstaaten der EU geliefert, jedoch hatte keiner der Empfänger der Energieerzeugnisse die Erwerbe steuerlich erklärt. Im Rahmen der Ermittlungen im Ausland waren die meisten Empfänger nicht mehr auffindbar, teilweise wurden bestehende Firmen angeblich als „Dubletten“ missbraucht und in Einzelfällen wurden Empfänger in Polen wegen Steuerhinterziehung verurteilt.
Aufgrund von Ermittlungsergebnissen des Zollfahndungsamts Berlin-Brandenburg ging die Staatsanwaltschaft davon aus, dass die Energieerzeugnisse die vorgeblichen Empfänger nie erreicht haben, sondern die aus Deutschland kommenden Tanklastwagen – entgegen den Frachtpapieren – sämtlich in Polen entladen wurden. Die Energieerzeugnisse seien dann in Entfärbeanlagen verbracht worden. Dort sei dann u.a. mit Bleicherde der rote Farbstoff, der (neben dem Markierstoff) versteuertem Heizöl zugesetzt ist, entfernt worden. Das entfärbte Heizöl sei in der Folge – mutmaßlich in Polen – als Dieselkraftstoff verwendet worden.
Bereits dadurch, dass die Tanklastwagen mit dem Heizöl das deutsche Tanklager mit verschleiertem Ziel verlassen hätten, sei nach Auffassung der Staatsanwaltschaft die Energiesteuer gemäß § 20 Abs. 1 S. 1 und 2 Energiesteuergesetz (EnergieStG) entstanden.
Nach § 20 Abs. 1 S. 2 EnergieStG kommt es zur Differenzversteuerung, wenn der Verbleib von Energieerzeugnissen nicht festgestellt werden kann. In diesen Fällen entsteht die Steuer in Höhe der Differenz zwischen ermäßigtem Steuersatz und zutreffendem Steuersatz gemäß des § 2 Abs. 1 oder 2 EnergieStG.
Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft sei die Norm des § 20 Abs. 1 S. 2 EnergieStG im vorliegenden Fall anwendbar, denn mit Beginn des Transports mit verschleiertem Ziel sei der Verbleib unbekannt. Zwar sei wahrscheinlich, dass die Ware letztlich jeweils nach Polen verbracht worden sei. Dies sei aber irrelevant, denn aufgrund des „ungeklärten Zwischenverbleibes“ sei die Steuer bereits entstanden.
Dieser Auffassung hat das Landgericht Berlin nun eine Absage erteilt. § 20 Abs. 1 Satz 2 EnergieStG sei überhaupt erst anwendbar, wenn kein Fall des § 20 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG gegeben sei.
Nach dieser Vorschrift kommt es nur zur Differenzversteuerung, wenn ermäßigt versteuerte Energieerzeugnisse (wie Heizöl) nicht zu den in § 2 Abs. 3 S. 1 und 2 EnergieStG genannten Zwecken abgegeben oder verwendet werden. Gemäß § 2 Abs. 3 S. 2 EnergieStG können ermäßigt versteuerte Energieerzeugnisse jedoch „auch aus dem Steuergebiet verbracht [...] werden.“
Genau dies sei jedoch (auch) nach Darstellung der Staatsanwaltschaft geschehen. Das Steuergebiet ist gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 EnergieStG das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (ohne das Gebiet von Büsingen und ohne die Insel Helgoland). Gelangen die Energieerzeugnisse aus diesem Gebiet nach Polen, sei der Verbleib nicht ungeklärt, sondern die Ware aus dem Steuergebiet verbracht. Da die Energieerzeugnisse zu einem Zweck des § 2 Abs. 3 S. 2 EnergieStG verwendet wurden, ist keine Energiesteuer (in Höhe der Differenz von ermäßigtem und normalem Steuersatz) entstanden.
Infolgedessen kam es zu keiner Steuerverkürzung und folglich auch zu keiner Steuerhinterziehung.
Die Staatsanwaltschaft hat gegen die Freisprüche Revision eingelegt, nun hat der 1. Senat des BGH Gelegenheit, die Rechtsprechung des LG Berlin zu bestätigen.
Weitere Infos zu dieser Pressemeldung:
Themen in dieser Pressemitteilung:
Unternehmensinformation / Kurzprofil:
Die Rechtsanwaltskanzlei Hildebrandt liegt mitten im Herzen des Berliner Westens in der Nähe Gedächtniskirche. Sie befasst sich im Speziellen mit Verfahren im Steuerstrafrecht darüber hinaus aber auch mit dem Kernstrafrecht. Torsten Hildebrandt ist Fachanwalt für Strafrecht, Steuerrecht sowie zertifizierter Berater für Steuerstrafrecht (DAA).
Rechtsanwalt Hildebrandt
Fachanwalt für Strafrecht, Steuerrecht u. zertifizierter Berater für Steuerstrafrecht (DAA)
Meinekestraße 4
10719 Berlin
Tel.: (030) 398 898 23
www.steuerstrafrecht-rechtsanwalt.de
rechtsanwalt-hildebrandt(at)gmx.de
Torsten Hildebrandt
Datum: 01.05.2018 - 15:07 Uhr
Sprache: Deutsch
News-ID 1606299
Anzahl Zeichen: 3882
Kontakt-Informationen:
Ansprechpartner: Torsten Hildebrandt
Stadt:
Berlin
Telefon: (030) 398 898 23
Kategorie:
Finanzberatung
Meldungsart: Unternehmensinformation
Versandart: Veröffentlichung
Diese Pressemitteilung wurde bisher 987 mal aufgerufen.
Die Pressemitteilung mit dem Titel:
"LG Berlin: Freispruch vom Vorwurf der Energiesteuerhinterziehung"
steht unter der journalistisch-redaktionellen Verantwortung von
Rechtsanwalt Hildebrandt (Nachricht senden)
Beachten Sie bitte die weiteren Informationen zum Haftungsauschluß (gemäß TMG - TeleMedianGesetz) und dem Datenschutz (gemäß der DSGVO).