Die Turbulenzen halten an, eine Marktanalyse von Kai Johannsen
ID: 1802612
Und so hält Christoph Rieger, der bei der Commerzbank das Zins- und Credit-Research leitet, in seiner jüngsten Analyse der Auswirkungen dieses Paukenschlages fest, dass Marktteilnehmer in diesem Stadium auch weit drastischere Szenarien in Betracht ziehen sollten. "Es kann kaum bezweifelt werden, dass die Regierungen die Wirtschaft um jeden Preis stützen werden - koste es, was es wolle. Den Zentralbanken bleibt dann nichts anderes übrig, als die massiven Staatsausgaben durch steigende Anleihekäufe zu monetarisieren", hält er fest. Am Ende werde die Aktivseite der Zentralbankbilanz aus riesigen Mengen an niedrig verzinslichen Staatsschulden bestehen, was Zinserhöhungen für die kommenden Jahrzehnte verhindere.
Die inländische Verschuldung könne selbst auf sehr hohem Niveau tragbar bleiben, wie Japan gezeigt habe. "Der Schuldenberg und die groß angelegte Verstaatlichung der Wirtschaft würden jedoch langfristig die Produktivität reduzieren, was zu einer säkularen Stagnation oder irgendwann zu einer Stagflation führen könnte", skizziert er das schlechte Szenario. Das gute Szenario wäre eine rasche Eindämmung der Virusverbreitung, die wirtschaftlichen Folgen wären dann nicht so dramatisch, und die Märkte würden zur Erholung ansetzen. Mal ehrlich: Für diese Perspektive braucht man aktuell schon eine gehörige Portion Optimismus.
Ohne Frage werden die Programme der Zentralbanken und damit auch das PEPP der EZB immer wieder für Phasen der Beruhigung an den Märkten sorgen. Renditeanstiege werden abgebremst und bestenfalls umgekehrt, Spreads engen sich ein, Aktienkurse legen zu, Rohstoff- und Edelmetallpreise steigen wieder. Die Stimmung an den Märkten hellt sich insgesamt wieder auf. Aber vermutlich wird das Pendel auch wieder zurückschwingen. Neuinfektionszahlen werden steigen, mehr Todesopfer zu beklagen sein, mehr und mehr Betriebe in Kurzarbeit gehen oder vorübergehende Schließungen der Produktionsstätten vornehmen. Umsatzeinbrüche und Gewinnwarnungen sind die Folge. Insolvenzen werden mehr. Um daraus die gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen auch nur in der Tendenz ableiten zu können, muss man nicht gerade Volkswirtschaft studiert haben.
Die weitere Entwicklung an den Märkten für Risiko- und Sicherheitsassets ist von zwei Faktoren abhängig. Erstens: der weiteren Verbreitung des Coronavirus auf globaler Ebene und der Geschwindigkeit derselben. Zweitens: Wie stark reagieren Anleger auf eine solche Entwicklung im Sinne von Kassenhaltung, d. h. wie kräftig wird in nächster Zeit alles verkauft, was nicht niet- und nagelfest ist? Und dann erklärt sich eben auch, warum Bundrenditen in solchen Phasen der Verunsicherung steigen: Weil sich liquide "Bunds" schneller und leichter versilbern lassen als illiquidere Corporate Bonds. Solche Zwangsverkäufe müssen dann auch Assetmanager vornehmen, wenn sie kundenseitig dazu gezwungen werden, weil Anleger eben die Kassenhaltung hochfahren.
Auf solche Szenarien reagieren dann wiederum die Notenbanken. Und damit ist eben auch nicht klar, welche Paukenschläge noch kommen: Ausweitung der Programme, nächste Stufen von PEPP, Ausweitung der für Käufe in Frage kommenden Assets. Ist die geschichtsträchtigste Woche erst erreicht, wenn Lagarde Helikoptergeld 5.0 ankündigt? Nein, die geschichtsträchtigste Kapitalmarktwoche wird diejenige sein, in der Corona besiegt wurde und die Weltgesundheitsorganisation die Pandemie für beendet erklärt. Das wird aber noch dauern, und damit werden die Turbulenzen an den Märkten weitergehen.
Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de
Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/30377/4553438
OTS: Börsen-Zeitung
Original-Content von: Börsen-Zeitung, übermittelt durch news aktuell
Weitere Infos zu dieser Pressemeldung:
Themen in dieser Pressemitteilung:
Unternehmensinformation / Kurzprofil:
Bereitgestellt von Benutzer: ots
Datum: 20.03.2020 - 20:30 Uhr
Sprache: Deutsch
News-ID 1802612
Anzahl Zeichen: 4861
Kontakt-Informationen:
Stadt:
Frankfurt
Kategorie:
Wirtschaft (allg.)
Diese Pressemitteilung wurde bisher 747 mal aufgerufen.
Die Pressemitteilung mit dem Titel:
"Die Turbulenzen halten an, eine Marktanalyse von Kai Johannsen"
steht unter der journalistisch-redaktionellen Verantwortung von
B (Nachricht senden)
Beachten Sie bitte die weiteren Informationen zum Haftungsauschluß (gemäß TMG - TeleMedianGesetz) und dem Datenschutz (gemäß der DSGVO).