Mehr Schutz für Opfer
Presserat rügt: Namen und Fotos unzulässig
ID: 259691
16.09.2010 in Berlin und sprach insgesamt sieben Rügen aus.
Persönlichkeitsrecht missachtet
Die SÄCHSISCHE ZEITUNG berichtete über Ermittlungen zum Tod eines
jungen Mädchens, dessen Leiche mit einbetonierten Füßen in einem
Gewässer gefunden wurde. Die Mordkommission muss klären, ob die Tote
Opfer eines Mordes ist oder bei einem Unfall im Laufe sexueller
Aktivitäten starb, wie ein Tatverdächtiger behauptete. Die Zeitung
schrieb, der Fall dürfte für die Ermittler "...schon jetzt der Fall
mit dem meisten Sexappeal sein". Die Zeitung nannte den abgekürzten
Namen und druckte ein gepixeltes Bild des Mädchens. Darauf blieb es
wegen besonderer äußerer Merkmale dennoch für einen nicht
unbedeutenden Personenkreis erkennbar. Der Beschwerdeausschuss hielt
Teile der Formulierungen für zynisch und sah darin einen Verstoß
gegen die Persönlichkeitsrechte der Verstorbenen. Er sprach eine
öffentliche Rüge aus. Ziffer 8, Richtlinie 8.1 Absatz 2 lautet:
Opfer von Unglücksfällen oder von Straftaten haben Anspruch auf
den besonderen Schutz ihres Namens. Für das Verständnis des
Unfallgeschehens bzw. des Tathergangs ist das Wissen um die Identität
des Opfers in der Regel unerheblich. Ausnahmen können bei Personen
der Zeitgeschichte oder bei besonderen Begleitumständen
gerechtfertigt sein.
Diesen besonderen Opferschutz hatte die Redaktion nicht walten
lassen. Der Bericht war auch nicht durch ein überwiegendes
öffentliches Interesse an dem Fall gedeckt.
Die Online-Ausgabe der NORDWEST-ZEITUNG erhielt eine
nicht-öffentliche Rüge für die Berichterstattung über ein
Familiendrama. In dessen Verlauf tötete der Familienvater seine zwei
Kinder und seine Frau. Der Bericht enthielt Fotos der beiden
minderjährigen Opfer sowie der Eltern. Somit wurden alle drei Opfer
sowie der Täter identifizierbar. Zusätzlich wurde auch das Haus der
Familie abgebildet, zudem wurde der Straßenname genannt. All diese
Details gingen nach Auffassung des Beschwerdeausschusses über das
öffentliche Interesse hinaus und verletzten die Ziffer 8,
insbesondere Richtlinie 8.1 des Pressekodex.
Eine nicht-öffentliche Rüge sprach das Gremium ebenfalls für die
Berichterstattung von WELT-Online über einen Vergewaltigungsprozess
aus. Darin wurde das Tatopfer, eine junge Frau, mit vollständigem
Namen und ihrem Alter genannt. Ort des Geschehens war eine Party, an
der prominente Bundesliga-Fußballer teilnahmen, die später auch im
Prozess als Zeugen vernommen wurden. Inzwischen wird nur noch der
abgekürzte Name des Opfers in der Berichterstattung verwendet. Die
Anonymisierung fand jedoch erst nach etwa zwanzig Tagen und auf einen
nachdrücklichen Hinweis des Strafgerichts an den Redakteur Eingang in
die Berichterstattung. Die Prominenz des Gastgebers und der anderen
Partygäste begründete kein überwiegendes öffentliches Interesse an
der Identität des Opfers, entschied der Ausschuss. Die Verletzung der
Opferrechte wog trotz späterer Korrektur so schwer, dass eine Rüge
angemessen ist.
BRAVO GiRL! erhielt eine öffentliche Rüge für einen Artikel über
die Selbsttötung einer 15-jährigen Schülerin in den USA. Das Mädchen,
das von seinen Mitschülern gemobbt wurde, hatte sich zu Hause
erhängt. Die Jugendzeitschrift schilderte in dem Betrag den Suizid so
minutiös, als sei sie selbst Augenzeuge gewesen. So hieß es u.a.
"Vorsichtig bindet sie ihn zu einer Schlinge. Ihre schmalen Finger
zittern". Durch diese Art der Darstellung wurde die in Ziffer 8, RL.
8.5 geforderte Zurückhaltung bei der Berichterstattung über Suizide
grob missachtet.
Richtlinie 8.5 - Selbsttötung
Die Berichterstattung über Selbsttötung gebietet Zurückhaltung.
Dies gilt insbesondere für die Nennung von Namen und die Schilderung
näherer Begleitumstände. Eine Ausnahme ist beispielsweise dann zu
rechtfertigen, wenn es sich um einen Vorfall der Zeitgeschichte von
öffentlichem Interesse handelt.
Mit Formulierungen wie "Phoebe wollte sterben, weil sie zu hübsch
war" emotionalisierte die Redaktion den Suizid zudem so stark, dass
der Beschwerdeausschuss eine unangemessen sensationelle Darstellung
nach Ziffer 11.
Ziffer 11 - Sensationsberichterstattung, Jugendschutz Die Presse
verzichtet auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von
Gewalt, Brutalität und Leid. Die Presse beachtet den Jugendschutz.
Trennungsgrundsatz verletzt
Die FERNSEHWOCHE wurde gerügt für die Veröffentlichung einer
Anzeige für ein medizinisches Präparat. Die Werbung war in Form eines
redaktionellen Beitrages gestaltet. Es bestand Verwechslungsgefahr
mit einem redaktionellen Artikel. Die in Richtlinie 7.1 geforderte
klare Abgrenzung zwischen Redaktion und Werbung war somit nicht
gegeben.
Richtlinie 7.1 - Trennung von redaktionellem Text und Anzeigen
Bezahlte Veröffentlichungen müssen so gestaltet sein, dass sie als
Werbung für den Leser erkennbar sind. Die Abgrenzung vom
redaktionellen Teil kann durch Kennzeichnung und/oder Gestaltung
erfolgen. Im Übrigen gelten die werberechtlichen Regelungen.
Das KICKER WM-Sonderheft 2010 enthielt Mannschaftsfotos der an der
Fußball WM-Endrunde teilnehmenden 32 Mannschaften. Auf den Fotos der
von Puma ausgerüsteten Teams, insgesamt sieben, war in vier Fällen
der Schriftzug "Puma" zu lesen. Die anderen drei Bilder enthielten
grafische Elemente, die auch in einer Anzeige des Ausrüsters
enthalten waren. Im Namenszug und in den grafischen Elementen
erkannte der Ausschuss Schleichwerbung nach Richtlinie 7.2 und sprach
ebenfalls eine öffentliche Rüge aus.
Richtlinie 7.2 - Schleichwerbung
Redaktionelle Veröffentlichungen, die auf Unternehmen, ihre
Erzeugnisse, Leistungen oder Veranstaltungen hinweisen, dürfen nicht
die Grenze zur Schleichwerbung überschreiten. Eine Überschreitung
liegt insbesondere nahe, wenn die Veröffentlichung über ein
begründetes öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der
Leser hinausgeht oder von dritter Seite bezahlt bzw. durch geldwerte
Vorteile belohnt wird. Die Glaubwürdigkeit der Presse als
Informationsquelle gebietet besondere Sorgfalt beim Umgang mit
PR-Material.
Statistik
Insgesamt wurden in den drei Beschwerdeausschüssen 126 Beschwerden
behandelt. Neben den fünf öffentlichen und zwei nicht-öffentlichen
Rügen gab es 27 Missbilligungen und 22 Hinweise. In 56 Fällen wurden
die Beschwerden als unbegründet erachtet. In neun Fällen wurde die
Beschwerde als begründet angesehen, auf eine Maßnahme wurde
verzichtet. In fünf Fällen gab es mehrere Beschwerdeführer gegen eine
Publikation, die Maßnahme wird jedoch nur einmal gezählt.
Ansprechpartnerin für die Presse: Ella Wassink, Tel. 030-367007-0
Pressekontakt:
Deutscher Presserat
Telefon: 030-367 00 7-0
Fax: 030-367 00 7-20
E-Mail: info@presserat.de
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Bereitgestellt von Benutzer: ots
Datum: 17.09.2010 - 12:37 Uhr
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