BERLINER MORGENPOST: Ambition und Aufregung - Leitartikel
ID: 314473
Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan zu streiten; über Sinn und
Zweck, über Strategie und Ausrüstung, über Freund und Feind. Ob der
amtierende Verteidigungsminister zu einem seiner durchaus zahlreichen
Besuche bei der Truppe seine Ehefrau mitnimmt, meinetwegen auch noch
einen Talkshow-Moderator, gehört eher nicht zu diesem ernst zu
nehmenden Debatten-Repertoire. Die Soldaten vor Ort werden beides mit
großer Sicherheit unbeschadet überleben. Die meisten werden das
dazugehörige Tamtam als ganz willkommene Ablenkung annehmen. Es gibt
ja nicht zu viel davon im Staub von Kundus. Die Damen und Herren
Roth, Gysi, Gabriel dürfen also gerne wieder auf den Teppich
zurückkehren, vielleicht auch in jene Talkshows, in denen sie selbst
zur unvermeidlichen Stammbesetzung gehören - nicht der
Verteidigungsminister, auch nicht seine Ehefrau. Die künstliche
Aufregung über Selbstinszenierung und politische Ambition, über das
Verhältnis von Familie und Beruf im politischen Alltag, fällt
übermorgen auf sie selbst zurück. Ganz abgesehen von der
überheblichen Einschätzung, ein Moderator ließe sich von diesem oder
jenen, auf jeden Fall aber vom politischen Gegner, mal eben vor den
Karren spannen. Diese plumpen Zeiten gehören Gott sei Dank der
Vergangenheit an. Man muss kein Kerner-Fan sein, um das auch diesem,
eher im seichten Gewässer beheimateten TV-Kollegen zu attestieren.
Roth, Gabriel, vielleicht auch Gysi, sie alle können, sollen, müssen
uns ja in absehbarer Zeit wieder regieren; etwas mehr Demut, ein
wenig mehr Abgeklärtheit und die Fähigkeit, Wichtiges von Unwichtigem
zu unterscheiden, wäre deshalb wünschenswert. Auch im eigenen
Interesse. Man verbraucht sich sonst immer schneller. Allzu üppig ist
dieses Land nicht ausgestattet mit Politikern, denen man auch Gutes
zutraut, nicht nur Lautes. Karl-Theodor zu Guttenberg, keine Frage,
gehört zu dieser raren Spezies. Das - nicht seine Frau, auch nicht
seine guten Manieren oder ein Adelstitel - macht ihn zu einem für die
Menschen und damit auch für die Medien interessanten Politiker. Er
selbst weiß das. Die Verbindung von Willen zur Macht, der Fähigkeit,
sich Sachkompetenz auch auf fremdem Gebiet anzueignen, und Mut zu
Entscheidung und selbstbewusstem Auftritt, ist nicht jedem gegeben.
Aber man kann das lernen. Es lohnt sich also auch für andere
Verantwortungsträger, Guttenberg ein wenig genauer zu betrachten. Man
könnte was dazulernen. Also, alles gut für den Verteidigungsminister
in Afghanistan? Nein, nicht mal für ihn. Natürlich muss Guttenberg
auch auf sich selbst aufpassen, im Zweifel auch auf seine Berater.
Mediale Doppelschläge sind nicht zwingend zielführend. Wenn der
Bundesverteidigungsminister am Morgen abenteuerlustig ungeknöpft,
aber tadellos rasiert, mit dem Blick die Ferne taxierend, am Kiosk
liegt, "plus: Interview mit seiner Frau", dann braucht man am
Nachmittag nicht zwingend die ersten Bilder vom Blitzbesuch in
Afghanistan. Plus Frau Stephanie. Plus TV-Moderator. Jedes für sich
kein Problem, in der Ballung dennoch keine optimale Strategie für
einen, der mit Recht im Fokus steht - aber auch noch keine
überzeugende Lösung gefunden hat für das weitere Vorgehen in
Afghanistan.
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Datum: 13.12.2010 - 19:41 Uhr
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