BERLINER MORGENPOST: Die CDU hat in Berlin wieder eine Chance - Leitartikel
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werden. Da bleibt Klaus Wowereit davor. Und wenn sich die Stimmung in
der Stadt doch noch ganz doll drehen sollte, vielleicht sogar Renate
Künast. Aber ganz so aussichtslos, wie es vor ein paar Wochen noch
schien, ist die Lage der CDU und ihres Spitzenkandidaten Frank Henkel
für die Abgeordnetenhauswahl am 18. September mittlerweile nicht
mehr. Meinungsumfragen sind bekanntlich nur immer Momentaufnahmen.
Sie signalisieren aber zweifellos auch Trends und nahende
Stimmungsumschwünge. Und da sieht es für die Union, die sich
jahrelang lieber selbst kasteite, als den Berlinern eine ernst zu
nehmende Alternative zu sein, plötzlich überraschend hoffnungsvoll
aus. Wahl-König kann Henkel nicht werden. Aber Königsmacher. Im
Berlin-Trend von Infratest Dimap aus dieser Woche legte die CDU um
zwei Punkte zu und liegt nun fast gleichauf (23 Prozent) mit den
Grünen (24 Prozent). Es ist das beste Ergebnis seit Februar dieses
Jahres und schon weit besser als bei Friedbert Pflügers Wahldebakel
2006 (21,3 Prozent). Die politische Stimmungslage in der Stadt ist
also keineswegs so fest verankert wie noch kürzlich vermutet. Die
neue Beweglichkeit der Wähler, wenn sie sich denn verstetigt,
verspricht nicht allein einen endlich mal wieder spannenden
Wahlkampf. Sie eröffnet auch neue Perspektiven für die
Koalitionsverhandlungen und damit für den Senat danach. Damit kommen
Frank Henkel und seine CDU ins Spiel. Unabhängig davon, ob sie am 18.
September nach der SPD Zweiter vor den Grünen oder Dritter nach ihnen
werden - die CDU kann zum Zünglein an der Waage werden. Wenn SPD und
Grüne im Wahlkampf und dann weiter in den Koalitionsverhandlungen das
Tischtuch so zerschnippeln, dass nichts mehr zu flicken ist oder eine
letztlich gestärkte Grünen-Fraktion unzumutbare Forderungen stellt,
dann könnte Henkel als Wowereits rettende Alternative auftrumpfen.
Hirngespinst? Genau so hat Wowereit reagiert, als er 2006 die
koalitionswilligen Grünen abblitzen ließ und mit der lammfrommen
Linkspartei weitermachte. Noch einflussreicher würde Henkels
Position, wenn Renate Künast auf Teufel komm heraus erste
Grünen-Regierungschefin werden will. Dieser Triumph kann ihr nur in
einer grün-schwarzen Koalition gelingen. Die SPD in Berlin würde sich
einer solchen Demütigung schwerlich unterwerfen. Aber bedingungslos
kapitulieren vor einem Diktat der Alternativen als Voraussetzung für
ein Regierungsbündnis müsste die CDU auch nicht. Ihr bliebe immer
noch die SPD in der Hinterhand. Seit die traditionellen
Wählerschichten nicht mehr tun, was ihre vermeintlichen Anführer in
den Partei-Palästen erwarten, ist vieles möglich geworden in
Deutschland. Erst Hamburg, dann ließ Stuttgart grüßen. In Berlin ist
es ja auch kein Zufall, dass es sich keine Partei mit den anderen
(bis auf die Linkspartei) völlig verderben will. Nach zehn Jahren
Opposition eröffnet sich der CDU erstmals wieder eine Machtoption.
Ihr Kalkül, als einzig verbliebene bürgerliche Alternative zu den
drei Linksparteien zu punkten, ist nicht mehr so aussichtslos wie
lange gedacht.
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Datum: 08.07.2011 - 21:21 Uhr
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